Bricht mit gängigen Klischees
Das
Kinderbuch „Kurt – Einhorn kommt selten allein“ von Chantal Schreiber bricht
mit gängigen Klischees. Kurt wäre am liebsten weder Einhorn noch Held, und die
Prinzessin trägt statt typischem Kleid lieber Reithosen, derbe Stiefel und ein
weißes Hemd mit Himbeer- und Brombeerflecken. Unterstützt werden diese
Charakterzeichnungen durch putzige, liebevoll gestaltete Bilder, auf denen Kurt
auch mal missmutig schaut und die Prinzessin eher wie ein „Cowgirl“ ausschaut.
Das ist schon lustig gemacht. Begleitet und unterstützt werden Kurt und die
Prinzessin noch von Trill, einem vorlauten Vogel mit Halsweh, sowie von
Ninja-Goldfischen. Klingt abgedreht? Ist es auch, aber meinen Töchtern hat es
gefallen, sie haben der Geschichte andächtig gelauscht und vor allem waren sie
auch immer wieder auf die textunterstützenden, farbigen Bilder neugierig, die
man auf fast jeder zweiten Seite findet (35 Bilder auf 108 Seiten) und die
wirklich sehr amüsant und allerliebst gestaltet worden sind. Lediglich die
ersten beiden Kapitel fanden wir etwas schwierig, um in die Geschichte
hineinzukommen, was aber wohl daran lag, dass wir direkt mit dem zweiten Band
gestartet sind, ohne den ersten zu kennen.
Was
mir beim Lesen als positiv aber evtl. auch als herausfordernd aufgefallen ist,
sind der durchaus anspruchsvolle Wortschatz und die langen Satzkonstruktionen,
die teilweise verwendet werden, man findet auch Partizipialkonstruktionen und
Nominalisierungen (ein Beispiel: „Kurt
senkt seine Nase in das schnell fließende Wasser des Baches und genießt das
sanft ansteigende Vibrieren, das sich von seinen benetzten Nüstern über seinen
ganzen Körper ausbreitet und ihm für ein paar Augenblicke das Gefühl gibt,
selbst aus Wasser zu bestehen“). Auch der verbale Wortschatz hat es in sich
(z.B. „sausen“, „quieken“, „seufzen“,
„grunzen“, „schnaufen“, „kraulen“, „kribbeln“, „knurren“, „ignorieren,
„einhergehen“, „schimmern“, „blubbern“, „glucksen“, „sich aufplustern“, „besprenkeln“, „schaudern“ etc.) Auch
manche Witze oder Sprachneuschöpfungen sind nicht leicht für Kinder
verständlich („Null Punkte auf der
Prinzessinnen-Skala, volle Punktzahl auf Kurts persönlicher Skala“,
„Du-willst-mich-doch-veräppeln-Blick“). Dies kann evtl. für jüngere Kinder
eine zu große Hürde beim Zuhören sein und vielleicht sogar eine Überforderung
darstellen. Es ist aber gleichzeitig natürlich auch ein hervorragender „Input“,
um das Sprachrepertoire von Schulkindern zu erweitern. Letztlich muss diese
Einschätzung bezüglich der Geeignetheit von den vorlesenden Eltern selbst
getroffen werden. Meine beiden Kinder (fast 5 und fast 7) haben trotz der
anspruchsvollen Sprachgestaltung geduldig und eifrig zugehört.
Fazit:
Ein Kinderbuch, das mit gängigen Klischees bricht, eine schöne Abenteuergeschichte bietet, liebevoll gestaltete Bilder bereithält, das aber auch eine anspruchsvolle Sprachgestaltung aufweist. Auch sollte man besser schon den ersten Band gelesen haben. Eingeschränkte Leseempfehlung!
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