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Freitag, 29. April 2022

Böhm, Anna - Emmi und Einschwein Bd. 1. Einhorn kann jeder.


5 von 5 Sternen


In diesem Buch wird es witzig, magisch und spannend

Das Kinderbuch „Emmi und Einschwein. Einhorn kann jeder“ ist ein zauberhaftes und vergnügliches Buch, zum Schmunzeln, zum Aufregen und zum Mitfiebern. Es hat mich auf ganzer Linie überzeugt, bisher hat das erst ein anderes Kinderbuch geschafft: Petronella Apfelmus. Und ich kann sagen, dass meine beiden Zuhörerinnen (5 und 7 Jahre alt) total begeistert waren. Selten hat es eine Geschichte geschafft, beide so in ihren Bann zu ziehen. Einige Kapitel musste ich sogar mehrmals vorlesen, weil meine Töchter sie so toll fanden.

Da der Klappentext den Inhalt des Buchs gut widerspiegelt, komme ich gleich zur Sache: Anna Böhm zündet ein Feuerwerk an kreativen Ideen und kreiert eine fabelhafte, magische Welt. Es geht schon damit los, dass jedes Familienmitglied ein amüsantes Fabeltier hat. Der Vater, Professor Doktor Heinrich Brix, Fachmann für Flugkünste, ist Besitzer des Drachen Henk, der denjenigen, die Emmi krumm kommen, am liebsten „auf die Schnauze“ hauen würde. Meike, Emmis Schwester, hat eine Klingende Wildkatze als Fabelwesen, genannt Mexi. Und die Mutter von Emmi, Pernille, besitzt einen kleinen Blütenspatz namens Peregrin de Pellegrin, Kurzform Pieps, der überall Blüten verstreuen und noch dazu durch Wände sehen kann.

In der Fragzwerg-Heino-Grundschule, die natürlich fabelwesengerecht ausgestattet ist, hat Emmi mit Ausgrenzung zu kämpfen und muss sich vor allem gegen Antonia zur Wehr setzen und um deren Anerkennung ringen. Antonia ist die Anführerin in der Klasse und hat eine anmutige und schöne kleine Flussjungfrau als Fabelwesen: Alva. Auch die Freunde von Antonia, Pia-Malou mit ihrem superklugen Tintenfisch Dr. Pi und Moritz, machen es Emmi nicht leicht. Durch die Einbettung der Handlung in einen Schulalltag mit all seinen gruppendynamischen Widrigkeiten ist Lebensweltbezug gewährleistet, gerade für Schulkinder ist das reizvoll. Über einige Vorkommnisse im Buch kann man im Anschluss an die Lektüre wunderbar gemeinsam sprechen.

Gelungen und amüsant ist auch die Darstellung, wie Emmi ihr Einschwein erhält. Zunächst ist sie von ihrem neuen kleinen „Fettmoppel“ überhaupt nicht angetan, auch wenn Einschwein jederzeit seiner Emmi absolute Zuneigung zuteilwerden lässt. Interessant zu lesen ist dann der Umgang von Emmi mit ihrem neuen Fabelwesen, der aus Kindersicht sehr authentisch sein muss: Sie ist enttäuscht und will nach außen hin so tun, als hätte sie ein Einhorn bekommen. Hier bieten sich auch Gespräche mit dem eigenen Nachwuchs zum Thema „Enttäuschung“, „Verleugnung“, „Lügen“ oder „Anpassung“ an. Das sind für Kinder nach meinem Dafürhalten wichtige Themen.

Zwischendurch gibt es auch immer wieder viele Begebenheiten und Absurditäten zum Schmunzeln. Und Spannung kommt mit der Einführung der Figur von Herrn Bockel auf, der etwas im Schilde zu führen scheint. In diesem Zusammenhang eine Warnung aus Erfahrung: Die letzten Kapitel sind nicht mehr als abendliche Vorlesekapitel geeignet. Sie sind einfach zu spannend.

Erleichtert wird das Zuhören durch eine kindgerechte Sprachgestaltung. Die Satzkonstruktionen sind einfach gehalten, ab und zu findet man auch einmal ein kleines schwarz-weiß Bild zum Betrachten, das die Handlung unterstützt und etwas Abwechslung und Auflockerung in den umfangreichen Text hineinbringt. Die Kapitel haben eine ideale Vorleselänge, sie sind mit maximal 10 Seiten nicht zu umfangreich. Und einfallsreich sind auch die Kapitelüberschriften (z.B. „In diesem Kapitel kommt fast ein Einhorn vor“ oder „In diesem Kapitel wird geschwindelt“).

Bleibt abschließend nur festzuhalten, dass ich das Buch dringend weiterempfehle. Wir werden bald mit Band 2 starten. Ich vergebe volle 5 Sterne!

Fazit

Ein zauberhaftes und vergnügliches Buch, zum Schmunzeln, zum Aufregen und zum Mitfiebern. Es weist unheimlich viele kreative Ideen auf, enthält zahlreiche interessante Figuren und spricht einige „kindrelevante“ Themen an. Der Lebensweltbezug ist ganz klar gegeben. 5 Sterne und eine absolute Empfehlung!

Morris, Brandon Q. - The Hole


3 von 5 Sternen


Sehr gute erste Buchhälfte, danach leider Qualitätsverlust

Was wäre, wenn Astronomen im All eine ungeheuerliche Entdeckung machen, die das Schicksal der Menschheit bedroht? Und was wäre, wenn nur ein einzelnes Raumschiff mit einer Drei-Personen-Besatzung diese Katastrophe noch abwenden könnte? Und was kann die Menschheit tun, um ihr Überleben zu sichern? Genau darum geht es in dem Science-Fiction-Roman „The Hole“ von Brandon Q. Morris, der eigentlich Matthias Matting heißt. Und mir kamen direkt Assoziationen zu „Vakuum“ von Phillip P. Peterson (vgl. eine frühere Rezension). Denn das Setting ist ähnlich: Katastrophe droht die Menschheit auszulöschen, Menschheit versucht ihre Existenz zu sichern.

Allerdings ist es nicht ganz fair, beide Autoren einfach in einen Topf zu werfen, denn im direkten Vergleich mit „Vakuum“ ist mir aufgefallen, dass bei Morris die Figurenzeichnung besser gelingt. So haben wir einerseits die Besatzung des Raumschiffs Kiska, Doug, Maria und Sebastian, die in einem recht harmonischen Miteinander zusammen leben und deren Alltag wir begleiten. Dabei erhalten wir einen interessanten und anschaulichen Einblick in das Leben auf einem Raumschiff und lernen die Herausforderungen kennen, die ein solches Leben mit sich bringt. Gelungen ist auch die Idee, mit Watson und später Siri Künstliche Intelligenzen einzuführen, die ein eigenes Bewusstsein haben und mit der Crew interagieren. Watson und Siri unterstützen die Drei dann bei der Lösung ihres Problems mit dem primordialen Schwarzen Loch.

Andererseits haben wir auf der Erde die Astronomin Maribel und ihren egozentrischen Chef Dieter Zetschewitz, einen anerkannten, renommierten Forscher, die beide eher zufällig auf das bedrohliche Phänomen aufmerksam werden. Insbesondere die Gestaltung des Beziehungsverhältnisses von Maribel und Zetschewitz ist sehr gut gelungen. Hier wird deutlich, in was für einem „Haifischbecken“ man als Nachwuchswissenschaftler unterwegs ist. Maribel leistet ihrem Chef Zuarbeit, entdeckt die Sensation und muss dann fürchten, dass Zetschewitz ihr den Erfolg der Entdeckung streitig macht. Das alles fand ich reizvoll zu lesen. Leider verliert die gut gestaltete Beziehung zwischen Maribel und ihrem Chef aber im Verlauf der Handlung zunehmend an Bedeutung, weil sich der erzählerische Schwerpunkt nach Entdeckung des Schwarzen Lochs hin zu etwas anderem verschiebt: dem Bau einer Arche. Dieser Erzählstrang konnte mich leider nicht mitreißen, deswegen hat das Buch für mich ab S. 150 deutlich an Erzählkraft und Qualität verloren.

Und daran wurde für mich deutlich, wo ein weiterer Unterschied zwischen „Vakuum“ von Peterson und „The Hole“ von Morris liegt. In puncto Spannungsintensität kann das Werk von Morris nur auf den ersten 150 Seiten mit Petersons Buch mithalten. Danach fällt die Spannungskurve in „The Hole“ nach meinem Empfinden deutlich ab. Spannend und packend zu lesen war für mich dann lediglich noch der Handlungsstrang um Doug, Maria und Sebastian, die sich zusammen mit Watson und Siri darum kümmern, die Bedrohung auszuschalten. Hier fand ich v.a. gelungen, wie kosmologisches Wissen anschaulich und nachvollziehbar in die Handlung integriert und erklärt wurde.

Vielleicht wäre es aber besser gewesen, Zetschewitz und Maribel zu einem Team zusammenwachsen zu lassen, das seinerseits auf der Suche nach einer Lösung für das Problem ist, und das dann mit der Crew des Raumschiffs Kiska in Kontakt tritt? Auch der Verweis auf die Enceladus-Expedition und die damit verbundene Entdeckung habe ich nicht als positiv empfunden, was daran liegen mag, dass ich die Bücher um diese Mission nicht gelesen habe.

Abschließend möchte ich aber noch festhalten, dass mich der Autor dennoch mit etwas anderem sehr überzeugt hat: Nach Abschluss der Geschichte hat Morris einen sehr lesenswerten Sachtext mit dem Titel „Die neue Biografie Schwarzer Löcher“ verfasst. In diesem wird Hintergrundwissen zu dem Phänomen eines Schwarzen Lochs vermittelt, und das auf eine anschauliche und lesenswerte Art und Weise. Und die Ausführungen sind mit 35 Seiten Länge ziemlich umfassend und ausführlich. Das fand ich toll. Ich werde auf jeden Fall weitere Bücher des Autors lesen, um mir ein genaueres Urteil über seine Werke erlauben zu können.

Fazit

Ein Hard-Science-Fiction-Roman mit gelungener Figurenzeichnung und einer sehr guten ersten Buchhälfte. Das Werk büßt nach meinem Empfinden aber ab S. 150 an Spannung und Erzählkraft ein. Lobenswert ist der Sachtext „Die neue Biografie Schwarzer Löcher“ am Ende des Buchs. Es ist genau das richtige Buch für solche Science-Fiction-Leser, die beiläufig auf anschauliche Art und Weise noch kosmologisches Wissen vermittelt bekommen möchten. Ich gebe drei Sterne!

Donnerstag, 28. April 2022

Schwiecker, Florian und Michael Tsokos - Der dreizehnte Mann


4 von 5 Sternen


Die deutsche Antwort auf John Grisham?

Wer gerne Justiz-Krimis/Thriller liest, der kommt an John Grisham nicht vorbei. Problem hierbei: Die Handlung der Werke sind im amerikanischen Justizsystem angesiedelt, das spezielle Besonderheiten aufweist (z.B. der Einbezug einer Jury etc.). Mit dem Buch „Der 13. Mann“ legen Florian Schwiecker und Michael Tsokos nun einen Justizkrimi vor, der einmal das deutsche Gerichtswesen in den Blick nimmt. Und beide Autoren steuern eine große Sachkenntnis bei, die man dem Werk anmerkt. So hat Schwiecker viele Jahre als Strafverteidiger gearbeitet und Tsokos ist Professor für Rechtsmedizin. Reizvoll und gleichzeitig erschütternd ist darüber hinaus, dass beide Autoren sich von einer wahren Begebenheit zu ihrem fiktiven Fall haben inspirieren lassen, was dem ganzen Sachverhalt einen hohen Realismus verleiht. Doch worum geht es überhaupt?

Anja Liebig, erfolgreiche Berliner Lokalredakteurin, steht kurz vor der Veröffentlichung eines Artikels mit brisantem Inhalt, als Jörg Grünewald, einer der beiden exklusiven Interviewpartner vermisst wird. Handelt es sich bei ihm etwa um die Wasserleiche, die später aufgefunden wird? Wollte ihn jemand verschwinden lassen? Zusammen mit Jörg Grünewalds Freund und Leidensgenossen Timo Krampe versucht die Journalistin Unterstützung bei Berlins bekanntesten Strafverteidiger Rocco Eberhardt zu finden, um mehr über das Verschwinden von Grünewald herauszufinden. Dabei soll die Polizei aus einem ganz bestimmten Grund nicht in die Suche eingeschaltet werden. Denn Jörg Grünewald und Timo Krampe sind Opfer und Zeugen eines bisher nicht aufgeklärten Verbrechens, eines Skandals, der bis in die Berliner Politik hineinreicht.

Die große Stärke des Thrillers ist in meinen Augen, dass der gesamte Fall von Anfang bis Ende und mit Blick hinter die Kulissen aller Beteiligten sehr kenntnisreich und kompetent dargestellt wird. In vielen anderen Krimis endet die Handlung mit der Überführung des Täters, doch in „Der 13. Mann“ gibt es als spannendes Finale mit überraschenden Wendungen am Ende noch die Gerichtsverhandlung. Mit Rocco Eberhardt wird die Perspektive des Strafverteidigers einbezogen. Tobias Baumann ergänzt diesen Blickwinkel durch seine Tätigkeit als Privatermittler. Dann haben wir noch Dr. Justus Jarmer, Gerichtsmediziner, durch den wir einen interessanten Einblick in die Abläufe gerichtsmedizinischer Obduktionen erhalten. Claudia Spatzierer, eine Freundin von Rocco, gewährt Einsicht in die Tätigkeit der Staatsanwaltschaft. Mit Anja Liebig, die als Lokalredakteurin seit fünf Jahren über Geschehnisse in der Hauptstadt berichtet, wird auch der Blickwinkel der Presse in die Handlung integriert. Und als ob das noch nicht reicht, wird mit Markus Palme, Spitzenkandidat der SPD und Anwärter auf den Posten des Bürgermeisters, noch die Berliner Lokalpolitik ins Zentrum der Betrachtung gerückt. Das ist äußerst gelungen, das entstehende Bild des Falls ist auf diese Weise facettenreich. Und die Charaktere wirken auf mich alle lebensecht und nicht klischeehaft.

Was ich ebenfalls loben möchte, ist der Umstand, dass im Zuge der Ermittlung und der Verhandlung juristische Abläufe nachvollziehbar beschrieben werden. So erfährt man etwas über das Instrument der Nebenklage oder eines Befangenheitsantrags sowie über Verteidigungsstrategien. Diesen Einblick ins deutsche Justizsystem fand ich interessant. Und es ist einmal eine andere Herangehensweise, als die rein polizeiliche Ermittlung, wie sie in vielen anderen Krimis dargestellt wird.

Allerdings gab es auch Dinge, die mein Lesevergnügen etwas geschmälert haben. So fand ich schade, dass die Gespräche und Kontakte der beteiligten Figuren sich meist auf Sachebene bewegten. Meist geht es um Berufliches, das Privatleben spielt kaum eine Rolle. Eine Ausnahme bildete lediglich die Beziehung zwischen Rocco und Claudia. Auch hätte ich mir bei den Charakteren noch ein paar „Ecken und Kanten“ mehr gewünscht. Begeistert hat mich zum Beispiel das Zusammenspiel von Kamil Gazal, dem Gangsterboss, und Rocco Eberhardt. Davon würde ich in Zukunft gerne mehr lesen (vielleicht im nächsten Band). Gazal habe ich als reizvolle Figur wahrgenommen, die noch mehr Potential bietet. Ausbaufähig ist auch noch die Gestaltung der psychologischen Tiefe der Figuren. Diese könnte durch noch mehr innenperspektivische Einschübe erreicht werden. Nicht zuletzt gab es nach meinem Empfinden ein paar wenige Stellen, wo die dargestellten Situationen aus dramaturgischen Gründen etwas unrealistisch dargestellt wurden. Aber gut, das sind Spitzfindigkeiten.

Zum Schluss noch ein paar Worte zur erzählerischen Gestaltung: Der Schreibstil liest sich flüssig, auch animiert die Offenheit des Geschehens zum stetigen Weiterlesen. Hinzu kommt, dass die Kapitel eine angenehme Länge hatten, dadurch wird dem Geschehen eine gute Dynamik verliehen. Am Ende des Buchs zieht die Spannung spürbar an, auch ein paar Wendungen sorgen für Überraschungseffekte. Insgesamt also absolut solide!

Fazit

Ein Justiz-Krimi, in dem die Lösung eines Falls kenntnisreich und differenziert von Anfang bis Ende dargestellt wird. Wer einen Einblick ins deutsche Justizsystem erhalten möchte, ist hier genau richtig. Ich vergebe 4 Sterne und spreche eine Leseempfehlung aus!

Samstag, 23. April 2022

Sabbag, Britta - Die Dinoschule. Betreten für Eltern verboten!


4 von 5 Sternen


Vielversprechender Reihenauftakt für weibliche und männliche Dinosaurier-Fans

Das Kinderbuch „Die Dinoschule. Betreten für Eltern verboten“, geschrieben von Britta Sabbag und illustriert von Clara Vath, ist ein spannendes Buch, speziell für kleine Dinosaurier-Fans, das für mich ganz anders daherkommt als z.B. Bücher der mir bekannten Reihe „Das geheime Dinoversum“. Was mir nämlich direkt positiv aufgefallen ist: Es gibt mit Onea auch einen weiblichen Charakter, mit dem sich vor allem auch junge Leserinnen bzw. Zuhörerinnen identifizieren können. Und Onea ist klug und zeigt den Jungen Tom und Freddy auch einmal, wo es lang geht. Das hat mir gut gefallen. Damit hebt sich das Buch, das den Auftakt zu einer vielversprechenden Reihe bildet, von der bereits genannten Reihe „Das geheime Dinoversum“ ab, in dem zwei abenteuerlustige Jungen im Vordergrund stehen. Tom, Onea und Freddy sind die Hauptfiguren in diesem Buch, sie besuchen die Reptilia-Schule auf der Insel Sauritius, auf der es noch echte Dinosaurier gibt. In der Schule lernen sie, wie sie auf der Insel überleben und wie sie sich Dinosaurier zu Gefährten erziehen. Gelungen ist, dass die drei Kinder ganz unterschiedlich sind. Wir haben den wagemutigen und etwas selbstgefälligen Tom, die kluge und durchsetzungsstarke Onea und den etwas eingeschüchterten und ängstlichen Freddy. Und die drei müssen zu einem echten Team zusammenwachsen. Das ist eine gelungene Idee!

Darüber hinaus ist lobenswert zu erwähnen, dass der Lebensweltbezug für die jungen Zuhörerinnen und Zuhörer gewährleistet ist: Einerseits durch das beliebte Thema „Dinosaurier“, andererseits durch die Herangehensweise, die Handlung in einen Schulalltag einzubetten. Das macht das Buch vor allem für Schulkinder interessant, aber auch für solche, die bald eines werden wollen. Und ohne hier zu sehr Klischees bedienen zu wollen, aber ich glaube, dass das Buch besonders auch für Mädchen von Interesse ist, weil Onea, Tom und Freddy sich einen Gefährten suchen müssen, auf dem sie dann reiten.

Geglückt ist ebenfalls, dass am Ende des Buchs in einer Zusammenschau noch einmal alle Reptilien, die im Buch auftauchen, in kurzen Informationstexten präsentiert werden.

Außer dem vielversprechenden Inhalt weist das Buch auch eine kindgerechte Sprache auf. Der Wortschatz ist altersangemessen. Die Sätze sind nicht zu verschachtelt. Was mir noch aufgefallen ist, ist der Umstand, dass an vielen Stellen doch ein recht umgangssprachlicher Sprachduktus vorkommt (Beispiel: „Diese Saurierart wird auf der Insel auch Slow-Motion Art genannt, weil sie wirklich alles im ultralangsamen Tempo macht“, S. 112). Das wird nicht jedem zusagen, mich hat es stellenweise auch gestört, aber die Sprachgestaltung wirkt dadurch sehr salopp. Es kommt zudem viel wörtliche Rede vor, die das Geschehen sehr lebendig wirken lässt. In meinen Augen hätte der Wortschatz sogar ruhig noch etwas anspruchsvoller sein können, schließlich geht es um die Erforschung von Dinosauriern. Da schadet ein wenig Hintergrundwissen zur Paläontologie in meinen Augen nicht. Und noch eine kritische Anmerkung, die aber vielleicht nur mir negativ auffällt: Interjektionen müssen nicht durch Vokal- oder Konsonantenhäufungen intensiviert werden. Das Schriftbild von solchen Wörtern wie „Scheeiiiiiisssseeeeee!“ (S. 97), „Ohhhhhhh!“ (S. 87), „Essseeeeen!“ (S. 108) etc. hat mich tatsächlich sehr gestört.

Zu den Illustrationen: Diese sind lebensecht, anmutig, farbenreich und prächtig gestaltet, auffällig sind vor allem die kräftigen Farben. Was ich auch positiv finde: Auf fast jeder Seite gibt es ein Bild zu betrachten, was das Zuhören für die Kinder nach meiner Erfahrung deutlich angenehmer gestaltet. Auch wenn es teilweise nur kleine Bilder sind. Insgesamt enthält das Buch immerhin 95 Zeichnungen auf 117 Seiten. Großflächige Bilder, die ca. eine halbe Seite umfassen, gibt es aber nur relativ wenige: insgesamt 11.

Das einzige, was ich etwas schade finde: Es gibt wenige Fakten zu den Dinosauriern, obwohl es sich in Zusammenhang mit den erwähnten Tieren eigentlich angeboten hätte (z.B. Größe, Gewicht, Länge etc.). Dadurch unterscheidet sich das Buch von vielen anderen Dinosaurierbüchern, die ich kenne. Das kann man gut finden, aber nach meiner Meinung gehören ein paar imposante Eckdaten einfach dazu, um z.B. das gewaltige Ausmaß der Echsen zu veranschaulichen.

Fazit

Ein spannendes Kinderbuch mit klarem Lebensweltbezug, das nach meinem Dafürhalten auch insbesondere Mädchen ansprechen dürfte, weil es eine weibliche Identifikations-Figur aufweist. Ich vergebe 4 Sterne!

Freitag, 22. April 2022

Peterson, Phillip P. - Paradox 3. Ewigkeit


4 von 5 Sternen


Hohe Spannung trotz minimalistischer Erzählweise

Was wäre, wenn es eine außerirdische Intelligenz gibt, die zwar Spuren hinterlassen hat, aber nicht mehr auffindbar ist? Darum geht es in „Paradox 3 – Ewigkeit“ und wie schon im zweiten Teil werden beiläufig Kenntnisse zur Kosmologie vermittelt. Dieses Mal rücken vor allem die Besonderheiten von Schwarzen Löchern in den Fokus.

In erzählerischer Hinsicht waltet in diesem Roman Minimalismus, die Figuren sind blass und statisch, die Handlung ist teilweise sogar hanebüchen (nach meinem Empfinden v.a. zu Beginn des Buchs), das Buch hat eher das Niveau eines „Groschenromans“. Die Dialoge, die Beschreibung der Umgebung, die Charaktere, die Beziehungsverhältnisse zwischen den Figuren, alles das fällt äußerst trivial aus. Die Leistung von Peterson besteht aber in etwas anderem, sie besteht darin, einmal mehr eine hohe Spannungsintensität zu erzeugen und kosmologische Sachverhalte verständlich und plastisch am konkreten Beispiel zu veranschaulichen. Man folgt Ed, Wendy, David und Grace interessiert auf ihrer Spurensuche einer außerirdischen Zivilisation und als Leser war ich insbesondere beeindruckt von der geschilderten Gigantomanie. Es hat mich an den Film „Alarm im Weltall“ erinnert, in dem Dr. Morbius versucht, sich das Wissen der Krell anzueignen, die ebenfalls spurlos verschwunden sind. Aber Phillip P. Peterson entwickelt diese Idee weiter und gibt ihr eine eigene Prägung. Verglichen mit dem zweiten Teil ist der dritte Teil nicht ganz so theoretisch. Und die Erzeugung von Spannung spielt wieder eine deutlich größere Rolle. Und auch die Gestaltung des Endes ist viel besser gelungen. Das alles hat mir sehr gut gefallen. Ich wusste aber auch, worauf ich mich einlasse. Wie bei anderen selbst publizierten Werken von Peterson (Flug 39, Transport, das schwarze Schiff) war mir klar, dass die Charakterzeichnung und -entwicklung nicht im Interesse des Autors liegt. Aber zur kurzweiligen Unterhaltung taugt es allemal. Und jüngere Werke von Peterson lassen erkennen, dass ihm die Darstellung der Figuren wichtiger geworden ist (z.B. Vakuum, Universum). Und ich hoffe sehr, dass der Autor diesen Weg weitergeht und er es auch in Zukunft schafft, interessante, facettenreiche Charaktere in eine spannende Science-Fiction-Handlung einzubetten.

Fazit

Ein Hard-Science-Fiction-Roman, in erzählerischer Hinsicht recht simpel und trivial gehalten, aber trotzdem sehr spannend. Und auch das vermittelte kosmologische Wissen ist interessant und verständlich aufbereitet. Lediglich Charakterzeichnung und -entwicklung bleiben auf der Strecke. Der dritte Teil ist in meinen Augen nicht so gut wie der erste, aber besser als der zweite.

Orgel, Stephan und Tom - Behemoth


2 von 5 Sternen


Überzeugende Grundidee nicht gut umgesetzt

Die Grundidee von „Behemoth“ der Gebrüder Tom und Stephan Orgel hat mich fasziniert, leider hat mich das Buch im Laufe der Handlung immer mehr verloren, ich habe mich dann aber dennoch bis zum Ende „durchgebissen“. Worum geht es?

Drei Generationenschiffe, jedes rund zwei Kilometer lang und 500 Meter im Durchmesser, sind auf dem Weg zu einem anderen Sternensystem. Die Zheng He, losgeschickt vom Asiatischen Konsortium auf der Erde, die Tereschkowa, entsendet von der autonomen Mondregierung indisch-europäisch-amerikanischer Prägung, und die Venta Chitru, finanziert durch und gesendet von den wichtigsten Afrikanischen und Ozeanischen Konsortien des Mars. Und jedes der drei Schiffe hat im Laufe der jahrhundertelangen Reise seine eigenen Lebensweisen herausgebildet. Auf der Zheng He herrscht beispielsweise Diktatur und die sogenannte elitäre Tigereinheit sorgt an Bord für die Einhaltung der Gesetze, und das mit strengsten Mitteln. Auf ihrem Weg zum entfernten Sternensystem entdecken sie ein zylinderförmiges Objekt, das sich als fremdes außerirdisches Rauschiff entpuppt. Alle drei Schiffe schicken nun Vertreter, um das Objekt näher zu untersuchen und in Augenschein zu nehmen. Dabei verfolgen sie jeweils ihre eigenen Ziele.

Die Lektüre dieses Werks empfand ich als anstrengend; übte es auf den ersten 250 Seiten noch eine gewisse Faszination auf mich aus, verlor ich im weiteren Verlauf der Handlung immer mehr das Interesse. Ich habe das Buch dann aber noch zu Ende gelesen, um mir ein Urteil zu bilden. Auch hatte ich gehofft, dass es vielleicht noch einmal eine Wendung zum Positiven nimmt. Leider war das nicht der Fall. Warum ich das so sehe?

Der gesamte Roman wirkt auf mich überladen, noch dazu langatmig. Bis das fremde Schiff in den Mittelpunkt rückt und betreten wird, müssen bereits 200 Seiten erschlossen werden. Ein Beispiel für die Überfrachtung sind die vielen Figuren. Im Personenverzeichnis werden stattliche 46 Charaktere aufgeführt, nach meinem Gefühl sind es sogar noch mehr. Die Figuren sind zudem allesamt statisch und blass angelegt, sie entwickeln sich nicht weiter. Es gibt keine nennenswerten interessanten Beziehungskonstellationen. Zu den Schiffen und dem Leben an Bord der Schiffe fehlen mir zudem oft zentrale Informationen. Woher z.B. rührt die Feindschaft zwischen den Angehörigen der drei Schiffe? Welchen Nutzen hat das fremde Schiff eigentlich? Auch die Mission hätte für mich viel ausführlicher erläutert werden müssen. Die Beschreibung der Generationenschiffe fand ich auch nicht sonderlich anschaulich. Ich hätte den Autoren zu einer anderen Schwerpunktsetzung geraten. Entweder hätte man das fremde Schiff und dessen Untersuchung viel mehr in den Mittelpunkt rücken müssen oder das Leben an Bord der Generationenschiffe hätte stärker in den Blick genommen werden sollen. Die Lektüre der Feindseligkeiten und Kämpfe zwischen den Vertretern der drei Generationenschiffe fand ich wenig abwechslungsreich und auch nicht spannend. Bleibt für mich nur noch der Hinweis, dass das andere LeserInnen natürlich ganz anders empfinden können. Das vom Inhalt vergleichbare Werk von Phillip P. Peterson „Das schwarze Schiff“ fand ich reizvoller.

Fazit

Ein überfrachtetes Werk mit wenig Spannung, statischen und blassen Figuren sowie einer in meinen Augen falschen inhaltlichen Schwerpunktsetzung. Keine Leseempfehlung!

Mittwoch, 20. April 2022

Khider, Abbas - Der falsche Inder


5 von 5 Sternen


„Schultersternschicksale“

Bei „Der falsche Inder“ handelt es sich um den Debutroman von Abbas Khider, von dem ich bereits „Der Erinnerungsfälscher“, „Ohrfeige“ und „Brief in die Auberginenrepublik“ gelesen habe (vgl. frühere Rezensionen). Und es finden sich bereits in diesem Roman viele Themen wieder, die auch in den späteren Romanen eine Rolle spielen werden. Zentral ist das Thema „Flucht aus dem Irak“. Das erzählerische Arrangement ist kreativ. Die Geschichte wird von einer Rahmenhandlung umgeben. Der Fahrgast Habibi, aus dessen Sicht in der Ich-Form erzählt wird, findet im Zug ein herrenloses arabischsprachiges Manuskript. Darin wird die Lebensgeschichte von Rasul Hamid dargestellt, die seiner eigenen gleicht. Die Erlebnisse von Rasul Hamid stellen also eine Geschichte in der Geschichte dar. Sie besteht aus acht Kapiteln und ist ebenfalls in der Ich-Perspektive verfasst. Jedes Kapitel erhält einen eigenen roten Faden, sozusagen eine Art Leitthema, und liest sich dabei wie ein in sich geschlossener Erzählabschnitt. Es wird also kunstvoll mit Genregrenzen „gespielt“, die überschritten werden. „Der falsche Inder“ ist sowohl Roman, (fiktive) Biographie und Kurzgeschichten-Sammlung.  

Zunächst einmal wird deutlich, dass Rasul mit seiner eigenen Identität hadert, aufgrund seiner ungewöhnlichen Hautfarbe wird er in seinem Heimatland, dem Irak, oft für einen Inder gehalten. Er ist Schriftsteller, ist in einer bildungsfernen Familie groß geworden und verliert durch tragische Ereignisse immer wieder sein bisheriges literarisches Schaffen in Form von Manuskripten (welche Ironie!). Er schildert viele humorvolle, aber auch ernste Begebenheiten. Im dritten Kapitel schildert er z.B. die Reize der Frauen und der Erzählton wird frivol. Oft ist der Erzählton aber auch scharfzüngig, sarkastisch-bissig. So z.B. im vierten Kapitel, wo Rasul seine Erinnerungen an Wandaufschriften in verschiedenen Ländern auferstehen lässt. Oft ist Rasuls Blick ungeschönt. So z.B. im fünften oder siebten Kapitel, wenn er über seine Kriegserfahrungen schreibt, über das Gefühl der inneren Leere, seine Fluchterfahrungen oder über seine Gefängnisaufenthalte und Mithäftlinge. Im sechsten Kapitel wiederum ist Rasuls Darstellung wieder hoffnungsvoller. Er berichtet von Wundern, vor allem von Begegnungen mit hilfsbereiten Menschen, die ihn auf seiner Flucht retteten.

Letztlich liest sich Rasuls Geschichte wie eine Aneinanderreihung von Anekdoten, die teilweise so abenteuerlich wie in einem Action-Film geschildert werden. Er nimmt uns mit auf seine Reise durch Jordanien, Libyen, die Türkei, Griechenland, Italien und Deutschland. Ich konnte nicht aufhören zu lesen, fand die dargestellten Ereignisse unheimlich interessant. Leider war das Buch dann nach ca. 160 Seiten aber doch schon vorbei. Wie schon von den anderen Romanen von Abbas Khider, die ich gelesen habe, bin ich auch von diesem Werk sehr beeindruckt. Mir gefällt der oft sarkastisch-bissige, humorvolle, scharfzüngige Erzählton, der diesen Roman zu etwas Besonderem macht. Ich empfehle die Lektüre und vergebe (wieder einmal) fünf Sterne.

Fazit

Ein Werk, das sich von der Qualität in das übrige literarische Schaffen von Abbas Khider einreiht. Wieder sehr lesenswert und abwechslungsreich! Als besonders gelungen habe ich in diesem Debutroman die erzählerische Gestaltung und den gewählten Erzählton empfunden.

Dienstag, 19. April 2022

Faber, Henri - Kaltherz


5 von 5 Sternen


Ein Thriller, der aus der breiten Masse herausragt

Thriller gibt es einige. Nur wenige ragen aus der breiten Masse heraus. „Kaltherz“ von Henri Faber ist ein solcher Thriller, der herausragt. Er vereint alle Zutaten, die ein genialer Thriller braucht, lediglich das Kriterium „innovativ“ könnte noch besser umgesetzt sein.

Hohe Spannungsintensität

Man ist von der ersten Seite an gefesselt, und diese Sogwirkung wird bis zum Schluss durchgehalten. Das schafft nicht jeder Thriller. Und der Autor schafft es in meinen Augen sogar noch, die Intensität an Spannung im Laufe des Buchs zu steigern. Ab S. 250 habe ich so gebannt und besessen gelesen, dass ich das Buch kaum aus der Hand legen konnte.

Unerwartete Wendungen und ein schlüssiges Ende

Jeder herausragende Thriller sollte unerwartete Wendungen bereithalten und die Erwartungen der Leser durchbrechen. Das Ende sollte so schlüssig sein, dass nichts offen bleibt und die Handlung plausibel abgeschlossen wird. Diese Punkte erfüllt „Kaltherz“ nicht nur, das Buch geht sogar nach meiner Meinung darüber hinaus, es wirbelt die Gefühlswelt des Lesers ganz schön durcheinander und stellt sie auf den Kopf.

Facettenreich gestaltete Figuren

Hier bietet „Kaltherz“ einiges Lobenswertes. Wir haben die Eltern, die ihre Tochter vermissen: Clara und Jakob. Beide sind als interessante Kontrastfiguren angelegt. Während Clara in Selbstvorwürfen versinkt und ihr Leben aufgrund der Verzweiflung am liebsten beenden möchte und depressiv wirkt, hält Jakob die Fassade aufrecht. Er ist karriereorientiert und lässt sich trotz des Schicksalsschlags nicht aus der Bahn werfen. Er verbiegt sich regelrecht für seinen Job, spielt nach außen die Show eines starken Mannes. Gelungen ist in meinen Augen die Darstellung der Paarbeziehung zwischen Jakob und Clara, die beide auf ihre individuelle Weise unter dem Verlust ihrer Tochter leiden und sich voneinander entfremden.

Hinzu kommt eine außergewöhnliche Ermittlerin: Kommissarin Kim Lansky, eine Einzelgängerin. Sie ist unangepasst, eigenwillig, impulsiv, eckt überall an. Den Fall übernimmt sie von einem verstorbenen Kollegen. Ungewöhnlich ist ihre Herkunft: Sie ist eine soziale Aufsteigerin. Sie benimmt sich rüpelhaft, teils durchtrieben. Ihre Ermittlungsmethoden sind ungewöhnlich und unkonventionell. Ihre Ausdrucksweise ist schnodderig. Im Umgang mit Clara und Jakob wirkt sie unbeholfen.

Dynamische erzählerische und sprachliche Gestaltung

Positiv hervorzuheben ist die geschickte mehrperspektivische Gestaltung. Außer der Perspektive von Clara, Jakob und Kommissarin Lansky wird uns auch der kindliche Blickwinkel der vermissten Marie dargeboten. Letzterer ist nur schwer auszuhalten, er ist bedrückend und verstörend zu lesen. Die Gestaltung des infantilen Sprachduktus ist in erzählerischer Hinsicht gelungen. Maries Verwirrung und Verunsicherung ist förmlich greifbar. Die Perspektiven werden im Wechsel dargeboten, wie es bei vielen mehrperspektivischen Thrillern der Fall ist.

Weitere Punkte, die ich hier als äußerst gelungen bewerte: Die Gestaltung von kurzen Kapiteln und Cliffhangern, die dem Geschehen eine gute Dynamik verleihen. Und ein dynamischer Schreibstil, der dem Erzählten ein hohes Tempo verleiht. Man findet viele asyndetische Reihungen und Parataxen, so dass ein stakkatoartiger Erzählton entsteht. Das steigert die Spannung an vielen Stellen noch einmal zusätzlich.

Was gibt es zu bemängeln? In meinen Augen fast nichts. Das einzige, worüber ich beim Lesen hin und wieder nachgedacht habe: Sind die Figuren nicht punktuell mal etwas überzeichnet, ist das alles noch lebensecht? Insbesondere Lanskys Stil, Ermittlungen auf eigene Faust und ganz alleine durchführen zu wollen, fand ich manchmal etwas naiv und gedankenlos. Allerdings hat mich dieser Punkt nicht so gestört, dass ich dem Thriller dafür einen Stern abziehen würde. Denn in meinen Augen wiegen die erwähnten Pluspunkte diesen „kleinen Makel“ wieder auf. Er erfüllt nach meinem Dafürhalten fast alles, was ein brillanter Thriller braucht. Lediglich das „innovative Element“ fehlt mir.

Fazit

Ein herausragender Thriller, der eine hohe Spannungsintensität, unerwartete Wendungen und ein schlüssiges Ende sowie eine dynamische erzählerische und sprachliche Gestaltung aufweist und der nicht zuletzt facettenreich gestaltete Figuren beinhaltet. Was will man mehr? Klare Empfehlung!

Samstag, 16. April 2022

Hillenbrand, Tom - Drohnenland


4 von 5 Sternen


Visionäre Ideen von Totalüberwachung und Digitalforensik

Mit „Drohnenland“ legt Tom Hillenbrand einen visionären Science-Fiction Krimi vor, der durch einen überzeugenden Weltenentwurf besticht. Die Polizei erhält bei ihrer Ermittlungsarbeit Unterstützung durch eine Künstliche Intelligenz, einen fortschrittlichen Fahndungscomputer, der mit Hilfe seiner Prädikationssoftware Verbrechen bereits feststellt, bevor sie begangen werden. Das erinnert ein wenig an „Minority Report“, aber Hillenbrand geht weit über diese Idee hinaus. Außer der digitalen Forensik haben Polizei und Geheimdienst auch die Möglichkeit einer Totalüberwachung mit Hilfe von Drohnen. Und sie können auf einen Mirrorspace zugreifen, eine kontinuierliche Echtzeitspiegelung, die eine vierdimensionale Raumzeit holographieren kann. Auf diese Weise lässt sich jeder Tatort zu jeder beliebigen Zeit und aus verschiedenen Perspektiven nochmals genau untersuchen. Dieser vom Autor kreierte Weltenentwurf ist in meinen Augen eine große Leistung, Hillenbrand verfügt über ein großes Register kreativer Ideen. Wer „Hologrammatica“ kennt, wird feststellen, dass viele Ideen in Grundzügen schon hier vorhanden sind, z.B. die Idee einer KI, von Holographien oder von Brillen, die die Umgebung mit digitalen Hilfsmitteln anders erscheinen lassen kann.

Doch nicht nur der Weltenentwurf gelingt, Hillenbrand schafft es, eine Atmosphäre zu erzeugen, die authentisch und futuristisch wirkt. Beim Lesen entstand vor meinem inneren Auge eine greifbare Zukunftswelt, die bei mir Assoziationen zu „Blade Runner“ auslösten.

Und auch die Figuren sind facettenreich und interessant gestaltet. Das Ermittlerteam, bestehend aus Kommissar Westerhuizen und der Analystin Ava, konnte mich in seinen Bann ziehen. Eine weitere mysteriöse Figur, deren Handeln man genauer ergründen möchte, ist der Journalist Johnny Random, der bei mir Assoziationen zu „Max Headroom“ auslöste.

Das einzige, was ich an diesem Science-Fiction-Thriller bemängeln kann, ist das Fehlen einer hohen Spannungsintensität. Erst im Finale auf den letzten 100 Seiten zieht die Spannung spürbar an, so dass man das Buch nicht mehr aus der Hand legen kann. Und die Auflösung ist auch plausibel, durchdacht und gelungen. Ich vergebe 4 Sterne.

Fazit

Ein Science-Fiction-Krimi mit einem gelungenen Weltenentwurf, vielen kreativen Ideen, gut gestalteten Figuren und einer futuristischen Atmosphäre. Er hätte lediglich noch spannender sein können. Dennoch eine klare Leseempfehlung, vor allem auch für Kenner von „Hologrammatica“, die interessante Parallelen entdecken werden.

Freitag, 15. April 2022

Dietl, Erhard - Die Olchis. Allein auf dem Müllberg (Reihe Büchersterne)


5 von 5 Sternen



„Ach du grüne Käsesocke“ - Besuch vom blauen Olchi

Der Band „Die Olchis. Allein auf dem Müllberg“ von Erhard Dietl aus der Reihe „Büchersterne“ vom Oetinger-Verlag ist ein gelungener Band zum Vor- und/oder Selbstlesen, in der die Kinder reichlich Passagen zum Lachen und Schmunzeln finden. Denn die Welt der Olchis ist herrlich anders als die uns bekannte Welt. Was stinkt, das gefällt den Olchis, und je sauberer es ist, desto abstoßender ist es für die Olchis. In diesem Band bekommen die Olchis auf ihrem Müllberg Besuch vom blauen Olchi, der zu seinem 500. „Gefurztag“ einlädt. Lustig ist die Sprachbesonderheit des blauen Olchis, der es übrigens ganz unerwartet sehr ordentlich und sauber mag. Er verwendet in den Worten mit -o- anstelle von -o- den Umlaut -ö-. Das regt zum Nachmachen an.

Das Buch ist ideal geeignet für Leseanfänger in der 1. und 2. Klasse. Die Seiten sind mit einer großen Schrift versehen und auf jeder Seite wird nicht so viel Text präsentiert. Auf einer Seite findet man maximal 13 Zeilen, die durch Absätze leserlich gegliedert sind. Meist sind es aber deutlich weniger als 13 Zeilen, die pro Seite erschlossen werden müssen. Die Zeilen umfassen außerdem auch nicht zu viele Wörter, so dass die Satzerschließung keine zu große Hürde darstellt. Die Geschichte umfasst 35 Seiten und ist in fünf Kapitel aufgeteilt, so dass die Kapitel für Kinder in der 2. Klasse nicht zu lang geraten sind, für Erstklässler hingegen ist die Lektüre eines ganzen Kapitels noch recht viel Aufwand. Motivierend ist, dass das Buch eine vielfältige, farbige sowie teils großflächige Bebilderung aufweist, die um Inhalt des Gelesenen passt. Auf jeder Seite lädt ein Bild zum Betrachten ein.

Lobenswert ist auch noch der 16-seitige Nachbereitungs-Teil, genannt „Rätselwelt“, in dem die Kinder Aufgaben zum Textverständnis lösen können. Als Aufgabenformate findet man z.B. eine Satz-Bild-Zuordnungsübung, eine Buchstabenidentifikationsübung, Übungen zum Leseverstehen, ein Kreuzworträtsel  etc. Auf den letzten beiden Seiten im Buch findet man dann auch die dazugehörigen Lösungen. Das ist durchdacht und hat mich zusätzlich überzeugt.

Fazit

Ein neues Abenteuer der herrlich abgedrehten Familie, über die man hervorragend schmunzeln kann. Besonders geeignet ist dieses Buch für Leseanfänger der 1. und/oder 2. Klasse, die die Olchis mögen. Gelungen ist auch der Übungsteil mit verschiedenen Aufgabenformaten, mit dem man den Inhalt nochmals nachbereiten kann.

Donnerstag, 14. April 2022

Städing, Sabine - Petronella Apfelmus. Überraschungsfest für Lucius


5 von 5 Sternen


Gelungenes Selbstlesebuch für Petronella-Fans

Das Kinderbuch „Petronella Apfelmus“ von Sabine Städing, großartig illustriert von Sabine Büchner, ist ein großartiges Kinderbuch. Wir haben aus dieser Reihe alle Bände mit Begeisterung gelesen. Vor allem die Charaktere sind einfach liebevoll gestaltet. Die Hexe Petronella besticht durch ihr kreatives, umsichtiges Handelns als Beschützerin ihres Gartens und zeichnet sich durch Liebenswürdigkeit aus. Die beiden mit ihr befreundeten Kinder Lea und Luis Kuchenbrand überzeugen durch ihre Hilfsbereitschaft und bieten sich sowohl für Jungen als auch für Mädchen als Identifikationsfiguren an. Daneben enthält die Geschichte viele weitere kreative und gefällige Ideen und Figuren, wie z.B. die magische Strickleiter, die die Protagonisten schrumpfen und wachsen lässt, die zahlreichen Zaubersprüche, die dienstbeflissenen Apfelmännchen oder den Helfer Lucius, einen Hirschkäfer, sowie die ahnungslosen Eltern von Lea und Luis, die nichts von der Existenz der Hexe Petronella wissen, oder auch den unsympathischen Herrn Kümmerling.

Bei dem vorliegenden Band handelt es sich nun nicht um eines der umfangreichen Vorlesebücher, die einen Seitenumfang von ca. 200 Seiten aufweisen, sondern um ein Buch zum Selbstlesen für Schulkinder. Es umfasst rund 60 Seiten, ist bunt illustriert und weist eine größere Schrift auf. Es ist für Kinder ab der 2. Klasse gut zur selbstständigen Lektüre geeignet. Im Maximalfall sind auf einer Seite zwanzig Zeilen zu lesen, es gibt aber auch Seiten, die deutlich weniger Text präsentieren. Es finden sich auf jeder Seite farbige, teils großflächige Illustrationen, die den Textinhalt unterstützen und zum Betrachten einladen. Anders als in den Vorlesebüchern gibt es also deutlich mehr Bilder, die noch dazu bunt sind. Das motiviert beim Lesen!

Der Inhalt zeichnet sich durch einen Lebensweltbezug aus. Petronella möchte für ihren Freund Lucius eine Überraschungsparty zum Geburtstag organisieren. Das Thema „Geburtstag“ ist für jedes Alter ein reizvolles Thema. Damit kann jedes Kind etwas anfangen. Bereichert wird der Inhalt dann noch durch eine amüsante Verwandlungsgeschichte. Petronella verhaspelt sich bei einem Zauberspruch und wird plötzlich zum Eichhörnchen. In diesem Zusammenhang ist lustig zu lesen, wie sie mit ihrer Umwelt zu kommunizieren versucht und Hilfe bei Luis und Lea sucht.

Die Sprachgestaltung ist schulkindgerecht, d.h. der Wortschatz ist für das Alter gut zu verstehen und der Satzbau ist einfach gehalten, so dass die Texterschließung nicht frustriert. Durch die große Schrift werden pro Zeile auch nicht zu viele Wörter auf einmal präsentiert. Das erleichtert das Selbstlesen.

Fazit

Ein gelungenes Petronella-Selbstlesebuch, das durch das Thema „Geburtstag“ einen klaren Lebensweltbezug aufweist, eine schulkindgerechte Sprachgestaltung enthält und liebevoll gestaltete Zeichnungen bereithält. Ganz klare Empfehlung für alle Petronella-Fans, die schon zur Schule gehen!

Stone, Rex - Das geheime Dinoversum Bd. 6. Edmontosaurier in Gefahr


4 von 5 Sternen


Spannende und actionreiche Geschichte für Dino-Fans

Das Kinderbuch „Edmontosaurier in Gefahr“ ist das erste Buch, das ich aus der Reihe „Das geheime Dinoversum“ von Rex Stone gelesen habe. Es handelt sich dabei um den sechsten Band und für kleine Dinosaurier-Fans scheint mir diese Reihe genau das Richtige zu sein. Und man kann auch ruhig ohne Kenntnisse der Vorgängerbände in die Reihe einsteigen, denn zu Beginn werden noch einmal die wichtigsten Fakten als Zusammenschau präsentiert. In Steckbriefen lernen wir auch die beiden zentralen Protagonisten kennen: Jan Mertens, 8 Jahre, und Tim Cramer, ebenfalls 8 Jahre. Beide haben Zugang zu einer Welt mit echten, lebendigen Dinosauriern, dem geheimen Dinoversum. Die Dinosaurier-Welt wird auch auf den Umschlagseiten anschaulich mit Zeichnungen präsentiert.

In diesem Band machen sich die beiden auf die Suche nach Edmontosauriern und begegnen dabei echten Meteoren, die mit lautem Getöse auf die Erde prallen. Sie untersuchen die Auswirkungen des Meteoriten-Einschlags genauer und erkunden dabei auch den Gesteinsbrocken. Das wird sehr spannend und anschaulich für die jungen Zuhörerinnen und Zuhörer aufbereitet. Danach entdecken sie eine ganze Herde von Edmontosauriern, die aus Furcht geflüchtet sind und denen die beiden Jungen nun den Weg zurück in den Wald weisen müssen. Auch dieses Geschehen wird äußerst actionreich und spannungsintensiv dargestellt. Meine beiden jungen Zuhörerinnen im Alter von 5 und 7 Jahren waren sehr aufmerksam bei der Sache. Ich fand lediglich etwas schade, dass etwas klischeebehaftet zwei Jungen als Identifikationsfiguren auftreten. Meine beiden Mädels hat das aber nicht gestört und sie interessieren sich ebenfalls sehr für Dinosaurier. Es ist also auf keinen Fall ein reines „Jungen-Thema“. Ich hoffe, dass in anderen Bänden der Reihe auch noch mutige weibliche Protagonistinnen auftauchen.

Die Sprache des Bands ist kindgerecht, der Wortschatz ist nicht zu schwierig, wichtige Fremdwörter werden auch kurz erklärt, und der Satzbau ist einfach gehalten. Ich bin nicht über zu verschachtelte Sätze gestolpert. Was mir gut gefallen hat, war die Schilderung der Akustik sowie der urzeitlichen Atmosphäre. Das ist sehr gelungen.

Die Bebilderung besteht aus schwarz-weiß Zeichnungen, die teilweise etwas skizzenhaft wirken. Sie passen zum Textinhalt, wirken aber schon eher etwas schroff und hart, teilweise unheimlich. Es sind keine putzigen Bilder, sondern die Illustrationen wirken tatsächlich etwas altbacken auf mich, nicht so wie ich es aus vielen anderen modernen Kinderbüchern gewohnt bin. Aber es ist vom Stil halt mal etwas anderes.

Fazit

Ein spannendes und actionreiches Kinderbuch für kleine Dino-Fans, dessen Inhalt gelungen aufbereitet wird. Lediglich die Bebilderung wirkt etwas aus der Zeit gefallen und etwas schroff, hart und skizzenhaft, teilweise unheimlich-düster. Dennoch eine Leseempfehlung!

Mittwoch, 13. April 2022

Naumann, Thomas und Ilja Bohnet - Das rätselhafte Universum


4 von 5 Sternen


Eingeschränkt faszinierende Reise durchs Universum

Das Sachbuch „Das rätselhafte Universum“ von Thomas Naumann und Ilja Bohnet verspricht, das Weltbild der Physik für jedermann verständlich zu diskutieren (vgl. Klappentext). Nach meiner Einschätzung gelingt das jedoch nur in Ansätzen. Warum ich das so sehe? Weil das Buch außer einem gelungenen zweiten Teil, der ca. 150 Seiten umfasst, auch einen etwas zu kompakt geschriebenen ersten Teil aufweist, der ca. 100 Seiten umfasst und nicht immer verständlich ist.

Was den ersten Teil des Buchs (S.17-110) betrifft, finde ich gelungen, dass die Autoren auf den Begriff des „Welträtsels“ nach du Bois-Reymond zurückgreifen, um ihrem Buch einen roten Faden zu geben. So verfolgt das Buch Antworten auf die folgenden Leitfragen zu geben: „1.) Was ist das Wesen von Materie und Kraft? 2.) Was ist der Ursprung der Bewegung? […] Was hat den Urknall bewirkt? 3. Woher kommt das erste Leben? 4. Wiese ist die Natur anscheinend so absichtsvoll und zweckmäßig eingerichtet?“ (S. 21). Auch weist der erste Teil einige interessante Einblicke auf. Insbesondere dann, wenn es um die Einordnung der vorgestellten Theorien geht, also darum, welche Relevanz und Bedeutung bestimmte Erkenntnisfortschritte hatten, empfand ich die Darlegung oft als gelungen. Besonders die Resümees am Ende eines Teilkapitels sind dafür sehr hilfreich.

Grundsätzlich weist der recht theoretische Text des ersten Teils aber in meinen Augen eine zu dichte Schreibweise, also einen zu hohen Informationsgehalt auf. Denn die Autoren bemühen sich darum, den Lesern in einem 70-seitigen informationsreichen, teils historischen Abriss mal eben so die Grundlagen des Makrokosmos und der Kosmologie sowie des Mikrokosmos und der Teilchenphysik näherzubringen. Hinzu kommt noch ein 16-seitiger Exkurs in die Physik um 1900, in dem die Relativitäts- und die Quantentheorie recht abstrakt erklärt werden. Das Vorhaben dieses ersten Teils ist in meinen Augen einfach zu ambitioniert und als Laie ist man rasch von den vielen Fachbegriffen überfordert. Um den Text gedanklich durchdringen zu können, ist einfach zu viel Vorwissen nötig.

Da finde ich den zweiten Teil des Buchs (S.111-248) deutlich besser. Warum? Weil der Text weniger theoretisch ist und die Autoren viele interessante Gedankenspiele anstellen, die auch für Laien meist verständlich sind. Auch wird deutlich, dass die Autoren ziemlich aktuell sind, so wird beispielsweise das James-Webb-Teleskop erwähnt. Auch im Literaturverzeichnis werden neben älteren Titeln auch einzelne Titel aus den Jahren 2019-2021 aufgeführt. Das finde ich lobenswert!

So wird im ersten Teilkapitel mit dem Titel „Was sind Raum und Zeit“ z.B. der Frage nachgegangen, ob unser Universum eine Krümmung hat, wie diese aussehen könnte und warum wir eigentlich in drei Dimensionen leben. Interessant fand ich in diesem Zusammenhang auch den Einbezug der Überlegungen von Immanuel Kant aus dem 18. Jh. Auch die Ausführungen über die dunkle Materie und die dunkle Energie im zweiten Teilkapitel („Woraus besteht das dunkle Universum“) fand ich sehr spannend, wenn auch nicht immer im Detail verständlich. Mir war z.B. nicht klar, dass die dunkle Energie die Expansion des Universums noch einmal beschleunigt hat (vgl. S. 149). Im nächsten schon fast philosophisch angehauchten Unterkapitel („Leben wir in der besten aller Welten“) verdeutlichen die Autoren sehr kenntnisreich, dass schon sehr viele Zufälle nötig waren, um ein Universum zu erschaffen, das uns unser Leben darin ermöglicht. Mit Faszination habe ich die Ausführungen über die Multiversums-Hypothese gelesen (vgl. S. 169 ff.). Danach folgt eine Darstellung zu der Frage „Was ist der Ursprung des Lebens“ (S. 178-198). Natürlich darf in diesem Kontext auch nicht fehlen, danach zu fragen, ob wir allein im Weltall sind. Im nächsten Teilkapitel widmen sich die Autoren dann den Naturgesetzen. Folgende Leitfragen sind für sie von Relevanz: „wer hat schon einmal ein Gesetz gesehen? Geschweige denn den Gesetzgeber? Warum glauben wir dann an die Existenz von Naturgesetzen? Und lassen sich alle Gesetze der Natur erkennen? Woher wissen wir, ob ein Gesetz wahr ist? Gibt es ein Gesetz der Gesetze, eine Weltformel?“ (S. 199). Faszinierend zu lesen. Im vorletzten Unterkapitel („Ist Schönheit ein Kriterium der Wahrheit“) gehen die Autoren der Idee auf den Grund, ob die Natur den Idealen von Einfachheit und Symmetrie folgt. Und im letzten Teilkapitel („Was ist die Zukunft des Universums“) wird ein Blick in die Zukunft des Universums gewagt: „Hat es [das Universum, Anm. d. Verf.] ein Ende? Oder beißt es sich zum Schluss wie unsere kosmische Schlange in den eigenen Schwanz und kehrt zurück an seinen Ursprung?“ (S. 240).

Der zweite Teil des Buchs hat mich also mit dem ersten Teil, der einfach zu abstrakt, theoretisch und kompakt formuliert ist, versöhnen können. Er ist das, was das Buch ausmacht und worauf man bei der Lektüre seinen Fokus richten sollte. Die Autoren stellen viele interessante Gedankenspiele an, werfen reizvolle, lesenswerte Fragen auf, verweisen in ihren Kapiteln auch immer kenntnisreich auf Forscher (auch anderer Fachdisziplinen) aus früheren Jahrhunderten und nehmen uns Leser mit auf eine faszinierende Reise durch die Rätsel des Universums. Man sollte nach meinem Dafürhalten dabei jedoch nicht den Anspruch haben, jedes Detail verstehen zu wollen. Das kann nicht gelingen, vor allem, wenn man Laie ist. Aber man darf sich nicht zu sehr von unverständlichen Passagen, die durchaus auch vorkommen, abschrecken lassen. Gerade vor diesem Hintergrund haben sich die Autoren mit dem ersten Teil des Buchs selbst keinen Gefallen getan. Ich sehe schon die Gefahr, dass einige Leser verfrüht „das Handtuch werfen“. Deshalb hier noch einmal der Appell an alle, die an Kosmologie interessiert sind, aber wenig Vorwissen mitbringen: Konzentriert euch bei eurer Lektüre vor allem auf den zweiten Teil.

Abschließend noch eine Anmerkung zum wissenschaftlichen Handwerk. Ich hätte mir gewünscht, dass auch ein klarer, und v.a. verfolgbarer Quellenverweis aufgeführt wird, wenn mit Originalzitaten gearbeitet wird. Gerade wenn Forscher aus früheren Jahrhunderten zitiert werden, fehlen häufig Seitenangaben und der Verweis auf das herangezogene Werk. Ich kann mir kaum vorstellen, dass alle Zitate aus den Originalwerken zitiert wurden.

Fazit

Ein Buch, das nur in Ansätzen seinen Anspruch für „jedermann verständlich“ (vgl. Klappentext) einlösen kann. Der erste Teil des Buchs gerät zu abstrakt, kompakt und theoretisch. Er ist für Laien kaum verständlich. Der zweite Teil des Buchs ist jedoch gelungen und faszinierend zu lesen, v.a. für an Kosmologie interessierte Laien. Die Autoren stellen interessante Gedankenspiele an und erörtern kenntnisreich viele ungelöste Rätsel der modernen Physik.

Samstag, 9. April 2022

Clift, Bethany - Die Letzte macht das Licht aus


4 von 5 Sternen


Die letzte Überlebende einer tödlichen Pandemie

Mitten in der realen Corona-Pandemie schreibt Bethany Clift ihren Science-Fiction Roman „Die Letzte macht das Licht aus“ über eine fiktive Pandemie im Jahr 2023. Das hat mich neugierig gemacht, vor allem weil die erfundene Pandemie um einiges drastischer ausfällt als die reale. Denn die ganze Welt geht unter, das aggressive, neuartige Virus 6DM löscht scheinbar die gesamte Menschheit aus. Mit Ausnahme einer einzigen Frau, die in London überlebt und deren Lebensweg wir weiter begleiten.

Dabei steht die interessante Idee im Zentrum, was man in einer postapokalyptischen Idee so treibt, wenn man allein ist. Bei mir kamen direkt Assoziationen zu „Die Wand“ von Marlen Haushofer oder zu den klassischen Zombie-Weltuntergangsszenarien wie „The walking dead“ in den Sinn, nur dass es in diesem Buch keine Untoten oder eine unsichtbare Mauer gibt, sondern die Gefahren viel banaler und trotzdem nicht weniger herausfordernd sind: Einsamkeit, Hunger, Krankheit und hungrige Tiere.

Und anfangs war ich durchaus skeptisch, ob eine einzelne Protagonistin, die aus der Ich-Perspektive berichtet, und ihre Erlebnisse so interessant sind, dass man damit ein fast 500 Seiten starkes Buch füllen kann. Doch nach der Lektüre kann ich sagen, dass es funktioniert. Zwar hat das Buch durchaus seine Längen und die eingebauten Rückblicke in die Vergangenheit der Protagonistin fand ich nicht sonderlich ereignisreich und spannend. Aber dafür hat das Buch eine andere Stärke: Man fiebert mit der Ich-Erzählerin mit, man will wissen, ob sie überlebt und ob sie vielleicht nicht doch noch andere Überlebende findet. Auch macht sie eine erstaunliche Entwicklung durch. Anfangs habe ich mich beim Lesen noch über ihre naive Art aufgeregt und darüber, dass sie überhaupt nichts zu planen scheint. Sie agiert völlig irrational und wenig durchdacht. Doch sie findet zu sich selbst, schlägt sich durch, passt sich an und arrangiert sich mit den Zuständen. Mir gefiel diese Art von „back to the roots“- Geschichte. Auch weil die Autorin einen Schreibstil hat, der fesseln kann.

Dennoch kann ich diesem Buch nicht 5 Sterne geben, denn – wie gesagt – die vielen Rückblicke in das Leben der Protagonistin fand ich weder sehr ereignisreich noch reizvoll. Teilweise habe ich sie sogar nur überflogen und überblättert. Es geht in diesen Retrospektiven vor allem um die zahlreichen zwischenmenschlichen Beziehungen zu anderen Figuren, die die Ich-Erzählerin Revue passieren lässt. Und natürlich dürfen da auch eine Dreiecksbeziehung sowie ein drogensüchtiger bester Freund nicht fehlen. Kann man lesen, muss man nicht. Der Rest des Romans hat mich weitestgehend überzeugt, wobei auch hier immer wieder Längen existieren, weil mal ein spannungserregendes Moment fehlt. Auch hätte ich es plausibel gefunden, wenn die Protagonistin sich noch engagierter auf die Suche nach anderen Überlebenden gemacht hätte. Wenn ich mir vorstelle, ich wäre allein auf der Welt, so würde ich vermutlich einiges an Strapazen auf mich nehmen, um andere Menschen zu finden. Das fand ich nicht ganz glaubhaft dargestellt.

Fazit

Ein Science-Fiction-Roman, der auf einer interessanten Idee basiert. Man möchte erfahren, wie sich die Protagonistin in der postapokalyptischen Welt durchschlägt und sich behauptet. Allerdings hat der Roman auch seine Längen, vor allem die integrierten Rückblicke fand ich uninteressant.

Freitag, 8. April 2022

Khider, Abbas - Brief in die Auberginenrepublik


5 von 5 Sternen


„Nur eine mesopotamische Geschichte…“

Salim, ehemaliger Student und politischer Flüchtling aus dem Irak, verdingt sich im lybischen Exil als Bauarbeiter. Seit seiner Flucht hat er von seiner großen Liebe, Samia, nichts mehr gehört. Deshalb entschließt er sich, ihr einen langen, persönlichen Brief mit einem Lebenszeichen zu schicken, und zwar vorbei an der Zensur, mit Hilfe eines illegalen Netzwerks von Briefboten, die in der gesamten arabischen Welt aktiv sind. In dem Roman „Brief in die Auberginenrepublik“ begleiten wir nun die abenteuerliche Reise des Briefs, von Libyen über Ägypten und Jordanien bis in den Irak. Abbas Khider reiht verschiedene erzählerische Episoden aneinander, durch die wir einen kleinen, ausschnittartigen Einblick in die Leben verschiedener Protagonisten in der arabischen Welt erhalten. Auf diese Weise erfahren wir beiläufig etwas über die Lebensbedingungen unter dem Regime von Gaddafi, von Mubarak und Hussein.

Nachdem wir mehr über Salim und seine Lebensumstände erfahren haben, wird der Brief an Haytham Mursi, einen Taxifahrer im Alter von 54 Jahren, weitergereicht. Dieser unterhält sich mit seinen Fahrgästen beispielsweise über die Afrikanisierung Libyens. Interessant an diesem Gespräch ist, wie die Reisenden ganz offenherzig über bestehende Missstände im Land sprechen, es entwickelt sich ein gefährliches Lästern über die Zustände in Libyen. Dabei ist auch die Angst vor Repressalien stets greifbar. Als nächstes landet der Brief dann bei Majed Munir, 41 Jahre alt und Reisebüroleiter, wohnhaft in Kairo, Ägypten. In dieser Episode erfahren wir z.B. etwas über das Zusammenleben von Irakern und Ägyptern in Kairo sowie über das Geschäft der illegalen Briefsendungen. Weiter geht die Reise im Anschluss nach Jordanien. Wir begleiten den 52-jährigen Lastwagenfahrer Latif Mohamed. An seinem Schicksal wird uns die Trauer eines Vaters um seinen verstorbenen Sohn verdeutlicht. Sein Sohn Nori musste an die Front und kehrte aus dem Irak-Iran-Krieg nie zurück. Latif macht sich dabei auch selbst Vorwürfe, weil er seinen Sohn noch darin bestärkt hat, zurück an die Front zu gehen, damit er nicht als Deserteur mit dem Tode bestraft wird. Dieser Erzählabschnitt ist sehr emotional gestaltet. Die Reise endet dann in Bagdad, Irak. Am Beispiel von Kamal Karim, 31 Jahre, lernen wir die Tätigkeit eines einfachen Sicherheitspolizisten kennen, der aus der Not anderer Menschen Profit schlägt. An seinem Schicksal wird deutlich, wie Macht korrumpieren kann. Danach steigen wir die Hierarchieleiter weiter nach oben und begegnen Oberst Ahmed Kader, 34 Jahre. Er hat sich innerhalb des irakischen Machtapparats weit nach oben gearbeitet, kennt Saddam Hussein sogar persönlich, trifft ihn sogar hin und wieder. Hier erhalten wir einen exemplarischen Einblick in die Denkweise eines Mannes aus der Militärelite. Der Autor schreckt dabei nicht davor zurück auch Grausamkeiten wie Folter in der Haft zu schildern. Zum Schluss des Romans lenkt Khider unsere Aufmerksamkeit dann auf die naive und weltfremde Ehefrau von Oberst Ahmed Kader: Miriam. Sie scheint sich nie darum gekümmert zu haben, womit ihr Mann sein Geld verdient und was er dafür zu tun bereit ist. Sie scheint ihr eigenes Land nicht richtig zu kennen und lebt eine Art Leben im „Elfenbeinturm“.

Letztlich hat mich Abbas Khider wie schon bei „Der Erinnerungsfälscher“ und „Ohrfeige“ mit seinem erzählerischen Talent überzeugt. Es gelingt ihm ein sehr anschauliches Porträt der arabischen Welt zu zeichnen, wenn auch natürlich nur skizzenhaft. Aber sein Blick in die Leben der Protagonisten hinein ist scharf und pointiert. An vielen Stellen ist sein Erzählstil auch durchaus mal vulgär, ausdrucksstark, emotional-expressiv und drastisch. Dadurch wirkt das Erzählte oft direkt aus dem Leben gegriffen, es wirkt authentisch. Man gewinnt einen Eindruck von den Lebensbedingungen und von den Zuständen in den erwähnten Ländern. Für mich sind die Bücher von Abbas Khider unheimlich interessant und aufschlussreich, weil sie eine fremde Lebenswelt porträtieren. Eine Lebenswelt, die geprägt ist von Diktatur, Militarismus, politischer Flucht und Illegalität. Und je mehr Romane ich von Abbas Khider lese, desto facettenreicher wird mein Bild über exemplarische Erlebnisse eines irakischen Flüchtlings. In „Der Erinnerungsfälscher“ ging es in erster Linie darum, wie Said von seinen traumatisierenden Erinnerungen geprägt wurde. In „Ohrfeige“ werden dann die schweren Anfangsjahre von Karim in der neuen Heimat Deutschland um die Jahrtausendwende herum behandelt. In „Brief in die Auberginenrepublik“ wird dann anhand verschiedener Episoden ein gesellschaftspolitisches Porträt der arabischen Welt skizziert.

Fazit

Wieder ein Roman von Abbas Khider, den ich mit Interesse gelesen habe und der mich vom erzählerischen Talent des Autors abermals überzeugt hat. Ein sehr aufschlussreicher Einblick in eine fremde arabische Lebenswelt um die Jahrtausendwende herum, die von Diktatur, Militarismus, politischer Flucht und Illegalität geprägt ist. Ich empfehle die Lektüre dieses Werks und vergebe volle 5 Sterne.