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Donnerstag, 25. Juli 2024

Peterson, Phillip P. - Transport 4. Mondbeben


Nicht so gut wie Teil 1-3



Wie man es von Peterson kennt, hält er sich nicht mit Nebensächlichkeiten auf und startet sofort mit einem furiosen Auftakt in die Handlung. Durch das Transportersystem auf New California kommt ein Fremder in die Kolonie. Er warnt Russell und die anderen Siedler vor einer mysteriösen Gefahr, die zunächst im Dunkeln bleibt und bittet sie um Hilfe, bevor er ins Koma fällt. Das erzeugt natürlich sofort Neugier. Um welche tödliche Gefahr handelt es sich? Wovor will der Fremde die Kolonisten warnen? Wird er wieder aus dem Koma erwachen und ihnen nähere Informationen geben können? Und was hat es mit der von ihm verfassten Liste mit Transporter-Codes auf sich, die er mit sich führt? Genügend Fragen, die mich direkt weiterlesen lassen. Prima!

 

Man erhält zu Beginn (wieder) einen Einblick in das Leben der Kolonisten, das stark von militärischen Übungen zur Verteidigung geprägt ist. Auch wird deutlich, dass die jüngere Generation langsam in die Fußstapfen ihrer Eltern treten muss. V.a. Russell hat als Figur direkt einen Wiedererkennungswert und trägt den Roman maßgeblich. Die Randfiguren bleiben eher blass und sind austauschbar. Was mir inhaltlich gut gefallen hat: Es kommt wieder vermehrt zu Reisen durch den Transporter und neue Welten müssen entdeckt werden. Dabei erzeugt die permanente Gefahrensituation gut Spannung. Diejenigen, die durch den Transporter reisen, wissen im Vorfeld nicht, was auf sie zukommt. Immer wieder müssen neu auftretende Probleme gelöst werden.

 

Der Schreibstil ist, wie gewohnt, fesselnd und packend. Peterson weiß, wie man Spannung erzeugt und setzt immer wieder neue Impulse, um das Geschehen geschickt voranzutreiben. Das gelingt ihm nach meinem Gefühl über weite Strecken sehr, sehr gut. Allerdings gab es dieses Mal im Mittelteil durchaus auch Längen (z.B. als das verzweigte Transportersystem näher vorgestellt wird und das Team um Russell viele Pläne schmiedet, statt aktiv zu handeln). Aus diesem Grund kann Teil 4 auch nicht mit den anderen drei Bänden mithalten und ist in meinen Augen das bisher schwächste Buch aus der Reihe. Was mir fehlte, waren die typischen ausweglosen Situationen, die Peterson in den anderen Werken so stark gestaltet hat.

 

Viel Raum nahm im weiteren Handlungsverlauf die Frage ein, mit welchem Gegner es die Kolonisten überhaupt zu tun haben. Das hat mich nicht so mitgerissen. Auch das Ende war leider nicht ganz so furios, wie erhofft. Die Schilderung von Schusswechselszenen sind einfach nicht mein Ding (anders als in Filmen). Noch dazu wurde es mir dann zum Ende zu „zombielastig“. Da ich über weite Strecken aber dennoch gut unterhalten wurde und der Beginn außerordentlich spannend war, komme ich auf 4 Sterne.

Sonntag, 21. Juli 2024

Raabe, Melanie - Die Falle



Wunsch und Wahn



Die erfolgreiche Autorin Linda Conrads lebt seit 10 Jahren zurückgezogen in ihrem Haus, das sie nicht verlässt. Seit dem Mord an ihrer Schwester, den sie aus unmittelbarer Nähe erlebt hat, leidet sie unter eine PTBS und Depressionen. Der Mörder ihrer Schwester wurde nie erfasst. Doch eines Tages schaut sie eine Nachrichtensendung im Fernsehen und meint, in dem renommierten Journalisten Victor Lenzen, der die Sendung moderiert, den Mörder ihrer Schwester erkannt zu haben. Doch ist das möglich? Oder erliegt Linda einer Sinnestäuschung? Ist Linda vielleicht verrückt geworden? Sie fasst den Plan, Lenzen für ein Interview zu ihrem neuen Buch in ihr Haus zu locken und ihn mit seiner eigenen Tat zu konfrontieren. Auch zu den ermittelnden Polizisten von damals nimmt sie Kontakt auf. Ihr Vorhaben: Sie will den potentiellen Mörder zur Rechenschaft ziehen. Das ist das Ausgangssetting von „Die Falle“ von Melanie Raabe.

 

Als Lockmittel für das Interview schreibt Linda ein neues Buch (einen Krimi), über das sie mit dem potientiellen Mörder, der uns als Journalist erscheint, reden möchte. In dem Krimi verarbeitet Linda zugleich den Mord an ihrer Schwester. Das Schreiben ist für sie Therapie. In die Handlung sind auch in regelmäßigen Abständen Kapitel aus diesem Buch im Buch eingeflochten, deren Inhalt erahnen lässt, was sich bei der Tat zugetragen hat. Sie haben mich allerdings nicht so gepackt. Die Ebene um das Aufeinandertreffen von Linda und Lenzen fand ich viel interessanter und spannender. Während der Lektüre fragte ich mich ständig, ob Linda sich nicht vielleicht in eine Wahrnehmungstäuschung hineinsteigert und sich alles einbildet. Ihre Anschuldigungen, Verdächtigungen und Vorahnungen zu Lenzen spielen sich insbesondere in Lindas Gedankenwelt ab. Sie malt sich über ihr Gegenüber unglaubliche Szenarien aus, die zutreffen können, aber nicht müssen. Das ist von Raabe interessant gestaltet worden, zumal uns Victors Gedanken verborgen bleiben. Oder ist es gar möglich, dass Linda mit ihren Vermutungen zu Lenzen Recht behält? Ist er wirklich der Mörder, der ihre Schwester umgebracht hat? Wird er sich im Interview durch irgendetwas verraten oder ein Geständnis ablegen?

 

Kurzum: Ein Thriller, der mich über weite Strecken gut unterhalten hat. Nur die Auflösung am Ende hat mich nicht völlig überzeugt. Die psychologische Seite ist durchdacht und stimmig arrangiert. Die möglichen Wahnvorstellungen von Linda sind gelungen konzipiert worden. Das Tempo ist nicht allzu hoch, aber die Spannung ist durchgängig vorhanden. Lediglich die eingeschobenen Kapitel aus dem Buch im Buch haben mich nicht gepackt. Ich habe sie mehr überflogen. In meinen Augen wären sie gar nicht nötig gewesen, nach meinem Empfinden haben sie den Handlungsverlauf eher gelähmt als belebt.


Samstag, 20. Juli 2024

Raabe, Marc - Der Morgen


Art Mayer – eigensinnig, stur und desillusioniert



Nach dem Besuch in einem Kiosk wird ein namenloser Junge von älteren Jugendlichen gedemütigt. Er kassiert Prügel, wird bloßgestellt. Sie entwenden ihm Geld und wollen aus ihm ein Mobbing-Opfer machen. In regelmäßigen Abständen soll er ihnen finanzielle Mittel von den Eltern beschaffen. In Form von Rückblicken wird das Schicksal dieses namenlosen Jungen immer wieder im weiteren Handlungsverlauf thematisiert. Wie geht es mit ihm weiter? Und um wen handelt es sich? Ich will hier nicht zu viel verraten. Nur so viel: Die eingebauten Rückblenden sind ein großer Gewinn für die Handlung. Themen wie „Erste Liebe“ und „Mutproben“ werden hier vertieft. Sie sind spannend geschrieben, erfüllen eine wichtige Funktion und nehmen anfangs mehr Raum ein, als ich zunächst vermutet habe. Klasse!

 

Nach diesem Einstieg folgt ein Schwenk zum Ermittler Art Mayer, der bei mir auf Anhieb Interesse weckte, weil er als Figur sehr gut konzipiert ist. Er ist ein kauziger, eigensinniger Einzelgänger, der sich durch einen starken Beschützerinstinkt auszeichnet und Schwierigkeiten mit Autoritäten hat. Stellenweise wirkt er auch einmal stur und zugeknöpft. Er wägt z.B. genau ab, wem er wann welche Informationen zukommen lässt. Von seinem Job als Polizist wirkt er desillusioniert. Er legt wenig Wert auf ein wohnliches Ambiente und ermittelt auf eigene Faust im Fall einer vermissten Nachbarin, die als Stripperin gearbeitet hat. Dafür heuert er in einem Nachtklub als Türsteher an und macht sich auf die Suche nach ihr. Wird er sie aufspüren? Ein weiteres Charakteristikum: Art ist Diabetiker, der sich selbst behandelt und seine Erkrankung immer wieder auf die leichte Schulter nimmt. Ratschläge eines Arztes nimmt er nicht an.

 

In einem weiteren Handlungsstrang findet man bei einem Verkehrsunfall zufällig auf der Ladefläche eines Transporters eine Leiche, die sich als Frau des Gesundheitsministers entpuppt. Der Fahrer hat sich direkt nach dem Unfall aus dem Staub gemacht. Auf dem Opfer ist die private Wohnungsadresse des Bundeskanzlers notiert. Ist auf ihn etwa ein Anschlag geplant? Hat der anstehende G20-Gipfel etwas damit zu tun? Ist der Bundeskanzler das nächste Ziel? Der Umstand, dass die Taten in der politischen Elite des Landes angesiedelt sind, verleiht ihnen eine besondere Brisanz. Das hebt diesen Thriller von vielen anderen, die ich kenne, ab.

 

Mit Nele Tschaikowsky wird eine noch unerfahrene Beamtin an den Tatort gerufen, die erst jüngst das positive Ergebnis ihres Schwangerschaftstests erfahren hat. Sie ist Kommissaranwärterin und es handelt sich um ihr erstes Mordopfer. Später wird ihr Art Mayer als Kollege zur Seite gestellt. Beide ergeben ein ungleiches Team. Sie sind sich nicht grün. Art tritt Nele gegenüber zu Beginn äußerst schroff, barsch und herablassend auf. Er lässt sie immer wieder auflaufen. Allerdings lässt sich Nele von ihm nicht einschüchtern und behauptet sich. Nur so viel sei hier verraten: Mit der Zeit nähern sich beide einander an. Und das Zusammenspiel der beiden Ermittler ist gelungen konzipiert. Hat mir gut gefallen! Grundsätzlich hat mir auch die Schilderung des brüsken Umgangstons zwischen den verschiedenen Beamten zugesagt. Es blitzen immer mal wieder Reibereien und Rivalitäten auf. Man geigt sich gegenseitig auch einmal die Meinung.

 

Am Beispiel einer Volontärin, die sensationsgierig Fotos vom Opfer geschossen hat, wird auch die Rolle der Presse kritisch beleuchtet, die aufgrund der Brisanz des Falls mit einer Informationssperre belegt wird. Wird sie sich daran halten? Und die Polizeiarbeit wird durch weitere Einflüsse von außen erschwert. Anonyme Leaks im Internet geben Täterwissen und unter Verschluss gehaltene erste Ermittlungsergebnisse preis. Wer steckt dahinter? Auch das ist interessant konzipiert worden.

 

Insgesamt handelt es sich um einen souverän erzählten Thriller, der viel Positives aufweist (z.B. eine gelungene Charakterzeichnung, v.a. von Art Mayer). Für mich gibt es jedoch einige Aspekte, die zu einem perfekten Leseerlebnis gefehlt haben. So hätte ich mir ein höheres Erzähltempo gewünscht. Stellenweise empfand ich die Schilderungen als etwas zu langatmig. Ich hätte mir punktuell mehr Stringenz gewünscht, weniger Weitschweifigkeit. Und was mir auch nicht zugesagt hat, ist, dass ein Handlungsstrang, der zu Beginn des Thrillers angelegt wurde, offen gelassen wird. Auf diese Weise soll das Interesse der Leserinnen und Leser geweckt werden, auch den nächsten Band zu lesen. Mich schreckt so etwas eher ab. Schade!

Freitag, 19. Juli 2024

Calden, Saskia - Die falsche Patientin


Psychisch krank oder doch gesund?



Judith Lennard wacht in einer psychiatrischen Klinik auf einer geschlossenen Station in einem Bett fixiert auf und weiß nicht, was los ist. Man hält sie für eine gewisse Frau Jansen. Sie streitet dies ab, doch man nimmt sie nicht ernst. Eine Horrorvorstellung! Und von der ersten Seite an stellt man sich natürlich als Leser sofort die Frage, wie es um den Geisteszustand der Erzählerin bestellt ist. Wird sie irrtümlich festgehalten oder leidet sie unter einen zweifelhaften Selbsteinschätzung? Hat sie sich ihr ganzes Leben, an das sie sich erinnert, etwa nur eingebildet? Die Auflösung dieser Frage treibt die Handlung zu Beginn gut voran. Und die Ohnmacht und Machtlosigkeit von Judith erzeugt beim Lesen eine hohe emotionale Beteiligung.

 

Was man auf den ersten Seiten auch sofort gut spürt, ist die Verzweiflung der Patientin. Sie fühlt sich ausgeliefert und befürchtet, für längere Zeit in der Klinik festzusitzen. Der behandelnde Psychiater, die Pfleger und die Schwestern um sie herum glauben ihr nicht und attestieren ihr eine dissoziative Persönlichkeitsstörung. Unter Zwang werden Judith Medikamente verabreicht. Besonders perfide an der Situation ist, dass Judith meint, eine Tochter zu haben, die nun unbeaufsichtigt zu Hause sitzt. Sie steht große Ängste aus. Und noch etwas kommt erschwerend hinzu: Die Einrichtung wirkt trist, trostlos und abstoßend. Wenig einladend. Die psychiatrische Klinik macht eher den Eindruck eines Gefängnisses. Judith ist der Gewalt und Willkür ihrer Behandler und Pfleger wehrlos ausgeliefert.

 

In einem parallelen Handlungsstrang wird durch die Beamtin Evelyn Holm ein Tatort untersucht. Eine Leiche wird gefunden. Es folgen die klassischen Vernehmungen von Angehörigen des Opfers. Auch bei der Obduktion sind wir dabei. Nach meinem Eindruck zeichnet sich dieser Strang leider nicht durch eine besondere Finesse oder kreative Ideen aus. Er hat mich insgesamt am wenigsten gepackt. Teilweise werden redundante Dinge geschildert (Wo ist nur der Locher geblieben?). Die Polizeiarbeit läuft gewöhnlich ab und verläuft eher schleppend, ohne größere Überraschungen. Die Geschehnisse in der Klinik habe ich mit deutlich größerem Interesse verfolgt.

 

Was mir gut gefallen hat, ist der Umstand, dass die Autorin eine starke Wendung in ihren Thriller einbaut, der die Handlung plötzlich in einem anderen Licht erscheinen lässt und die Ereignisse in eine neue Richtung lenkt. Das ist toll arrangiert und raffiniert! Was ich mir noch gewünscht hätte, wäre eine etwas kunstvollere, schönere Sprachgestaltung. Die Sprache wirkt doch insgesamt recht schlicht und einfach. Und noch etwas: Der Antagonist trat mir insgesamt zu wenig in Erscheinung. Schade!

 

Auch darf man nicht zu viel Wert auf eine wirklichkeitsnahe Darstellung von Psychiatrie legen. Die geschilderten Verhältnisse erinnern mehr an russische Haftbedingungen. Aus dramaturgischen Gründen wurde wohl einiges übertrieben geschildert. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass eine Patientin so rechtlos wie Judith behandelt wird (z.B. die vom Psychiater angeordnete Isolationshaft, bei der Judith unbekleidet ist). Auf der anderen Seite gibt mir allerdings der Fall von Gustl Mollath zu denken. Vielleicht hat die Autorin sich von dieser Geschicht inspirieren lassen?! Im Nachwort findet man dazu allerdings nichts Konkretes. Wer daran denkt, sich Hilfe in einer psychiatrischen Klinik zu holen, der sollte besser nicht dieses Buch lesen…

 

Fazit: Dieser Thriller ist etwas für Leser, die sich für die rechtlose Situation von Patienten in einer Psychiatrie interessieren (auch wenn das dargestellte Bild sicherlich nicht ganz realistisch ist) und mit einer Protagonistin mitfühlen wollen, die sich hilflos und ausgeliefert fühlt. Die Leser erwartet bei der Lektüre eine raffinierte Wendung. Sie sollten aber damit umgehen können, dass die Polizeiarbeit wenig kreativ daherkommt, die sprachliche Gestaltung wenig kunstvoll erscheint und insbesondere der Antagonist blass bleibt. Auch die übrigen Figuren sind eher statisch angelegt. Wer also Wert auf eine ausgefeilte Figurenentwicklung legt und differenzierte Beziehungsverhältnisse zwischen den Charakteren schätzt, der sollte eher Abstand von diesem Thriller nehmen.

 

Donnerstag, 18. Juli 2024

Bentow, Max - Eulenschrei


Der Lebkuchenmann




Lust auf einen stimmig, dynamisch und spannend erzählten Thriller, der in sich geschlossen ist und trotzdem zu einer Reihe gehört, die man unabhängig voneinander lesen kann? Dann kann man mit „Eulenschrei“ von Max Bentow definitiv nichts falsch machen. Was ich an seinen Büchern, die ich kenne, schätze, sind zwei Dinge (vgl. dazu frühere Rezensionen). Erstens ist es der temporeiche, schnell getaktete, ereignisreiche Stil, mit dem höchstens noch Strobel mithalten kann, zweitens ist es die reizvolle und interessante Figur der Carlotta Weiß, die zwar nicht ganz so charismatisch wie eine Evie Cormac aus der Reihe um Cyrus Haven daherkommt, aber einige Parallelen zu ihr aufweist. Wie Evie ist Carlotta eine Wahrheits-Zauberin, die die Mikromimik ihres Gegenübers lesen kann. Noch dazu ist sie hypersensibel und verfügt über eine außergewöhnliche Intuition. Ihre Methoden sind ausgefallen, aber außerordentlich erfolgreich. Sie kann sich unglaublich gut in die Psyche der Täter hineinversetzen. Dieses Talent zeichnet sie aus und macht sie in meinen Augen als Charakter so interessant.

 

Doch worum geht es überhaupt? Zu Beginn des Buchs wird deutlich, dass Carlotta aufgrund ihres letzten Ermittlungserfolgs karrieremäßig aufsteigt und mehr Verantwortung übertragen bekommt. Sie soll als mögliche Nachfolgerin für Nils Trojan aufgebaut werden. Ihr Vorgesetzter Landsberg bringt beide Ermittler dafür in eine Konkurrenzsituation, die sie anspornen soll. Zudem muss Carlotta die ihr gestellte Bewährungsprobe bestehen und sich als teamfähig erweisen. Wird sie diese Hürde nehmen und im Laufe der Handlung zugänglicher werden? Das möge jeder selbst herausfinden…

 

Nun zum Fall: Eines Morgens findet eine zwölfjährige Tochter in ihrem Lieblingsbaumhaus ihre ermordete Mutter, und zwar mit abgetrennten Händen. Bei dem Opfer wird ein Lebkuchenmann mit eingebackenen Haaren hinterlassen. Die Herkunft der Haare bleibt zunächst rätselhaft. Das ist der erste Mord. In rascher Abfolge kommt es danach zu weiteren Morden, bei denen den Opfern mit einer elektrischen Säge Körperteile entfernt werden. Ein Serienmörder treibt sein Unwesen und verfährt bei seinen Taten nach einem ähnlichen Muster. So werden z.B. alle Ermordeten in Decken eingehüllt und erblicken kurz vor ihrer Emordung einen Lebkuchenmann. Auch am Tatort wird dieses Gebäck hinterlassen. Der Täter scheint die potentiellen Opfer und ihre Angehörigen im Vorfeld genau zu beobachten. Und auf den ersten Blick scheint es keine Gemeinsamkeiten zwischen den Opfern zu geben. Es ist Carlottas und Trojans Aufgabe (und damit auch die der Leser), Verbindungen zwischen den Taten herzustellen und das Motiv zu erkennen. Besonders interessant fand ich die Schilderung der besonderen (instinktiven) Ermittlungsmethode von Carlotta, die in der Lage ist, einen Tatort förmlich zu „erfühlen“. Sie beweist eine besondere Sensibilität und kann sich in die Psyche des Täters ebenso hineinversetzen wie in die Tatabläufe. Sehr gelungen!

 

Was mir noch sehr gut gefällt: Die Dynamik zieht zum Ende des Thrillers hin an und das Geschehen wird wendungsreich erzählt. Carlotta selbst gerät in Gefahr, auch der Täter erkennt in ihr etwas Besonderes. Er fühlt sich den Ermittlern zunehmend überlegen, ist ihnen immer einen Schritt voraus und spielt mit ihnen. Die Jagd nach ihm wird zunehmend zu einem Wettlauf gegen die Zeit. Äußerst spannend!

 

Fazit: Dieser Thriller ist für solche Leser geeignet, die dynamisch erzählte Thriller mögen, in denen die Handlung aufs Wesentliche verknappt ist. Mir kommt dieser Stil entgegen. Jede und jeder muss für sich selbst herausfinden, ob dies bei ihnen auch so ist. Das Spannungslevel ist durchweg hoch, es gibt keine Längen. Des Weiteren zeichnet sich das Werk durch die interessant gestaltete Figur der Carlotta Weiß aus, die sich durch Hypersensibilität auszeichnet und schrullig daherkommt. Dies ist in meinen Augen eine weitere Stärke des Buchs. Themen, die dem Buch zugrunde liegen, sind häusliche Gewalt und Alkoholismus.

Samstag, 22. Juni 2024

Tree, Joshua - Der Vorfall


Gelungener ISS-Astronauten-Thriller




Was wäre, wenn es auf der ISS zu einer Katastrophe kommt und die Station in der Erdatmosphäre zu verglühen droht? Genau darum geht es in dem Astronauten-Thriller "Der Vorfall" von Joshua Tree. Während eines Kommunikationsausfalls kommt es zu einem Vorfall auf der ISS. Im Kontrollraum stellt man fest, dass ein Modul abgesprengt worden ist und die Sojus-Kapsel fehlt. Darüber hinaus verliert die Station an Höhe und droht abzustürzen. Ein furioser Auftakt!

 

Danach folgt ein Schwenk zur ESA-Psychologin Amina Young, die die auf der Erde angekommenen Besatzungsmitglieder der ISS in Moskau (dort werden zwei Astronauten festgehalten) verhören soll. Sie soll die Umstände des Vorfalls genauer untersuchen und herausbekommen, was genau an Bord der Raumstation passiert ist. Folgende Fragen stellte ich mir zu Beginn: Was hat zum Vorkommnis auf der ISS geführt? Gab es dort einen Unfall? Wollten sich die Astronauten in Sicherheit bringen? Wird man die ISS wieder unter Kontrolle bekommen?

 

Aminas Aufgabe als ESA-Repräsentation besteht darin, die überlebenden Astronauten zu vernehmen und politisch zu vermitteln. Denn ein russischer Nationalheld, Oleg Rashkin, ist an Bord der ISS ums Leben gekommen. Was ist mit ihm passiert? Tragen Ehrmann und Michaels eine Verantwortung für seinen Tod? Was gut zum Ausdruck kommt, ist, welchen politische „Sprengstoff“ diese gescheiterte Mission auf der ISS in sich birgt. Angesichts der Katastrophe in der Erdumlaufbahn sind die USA und Russland (bzw. stellvertretend für die beiden Länder, ihre Behörden NASA und Roskosmos) tief zerstritten. Die Verantwortlichen beider Länder schieben sich gegenseitig die Verantwortung für das Geschehen zu. Ein interessanter Machtkampf, der deutlich aktuelle Bezüge aufweist. Sehr gelungen!

 

Das Vehör mit den Astronauten ist interessant und spannend gestaltet worden. Amina versucht durch verschiedenen Verhörtechniken, Informationen zu erhalten und die Ereignisse auf der ISS zu rekonstruieren. Die amerikanische Astronautin, die überlebt hat, erweist sich als misstrauisch und verschlossen. Amina gewinnt immer mehr den Eindruck, dass beide Interviewten nicht die Wahrheit sagen und etwas verschweigen. Nebenbei erfährt man übrigens einige interessante Fakten zur ISS und zum Leben an Bord der Station. Auch die zunehmende Privatisierung der Raumfahrt wird kritisch beleuchtet.

 

In eingeschobenen Rückblicken erfahren wir mehr über das Zusammenleben der Crew. Nach und nach wird so vermittelt, was sich im Vorfeld der Katastrophe zugetragen hat. Als belebendes Element tritt eine „Whistlebloggerin“ bzw. Hackerin auf, die Amina mit wichtigen Infos und Material versorgt.  Amina kann mit diesen Impulsen von außen ihre Verhöre geschickt führen und in neue Richtungen lenken. Das ist gut gemacht! Was mir noch positiv aufgefallen ist: Es gibt in dem Buch kaum Längen, die Spannung ist hoch. Und es wird abwechslungsreich erzählt. Dafür sorgen die passend platzierten und gut getimten Szenenwechsel in Form von Rückblenden.

 

Weiterhin gelingt es Tree dadurch Druck entstehen zu lassen, dass die ISS abzustürzen droht. Dieser Zeitdruck wirkt sich auf die Verhöre aus. Denn eine Rettungsmission für die Raumstation will man erst dann starten, wenn geklärt ist, was an Bord genau passiert ist. Auf Amina lastet also ein hoher Erwartungsdruck, sie muss sich beeilen, den Vorfall aufzuklären. Klasse arrangiert! Und noch etwas wird deutlich, was ich loben möchte. Das Leben auf der ISS wird sehr authentisch, detailliert und kenntnisreich geschildert (z.B. die Durchführung von Außenbordeinsätzen). Hier wird nach meinem Empfinden eine sehr exakte Recherche des Autors deutlich. Das merkt man einfach.


Es gibt nur Kleinigkeiten, die ich mir noch für ein perfektes Leseerlebnis gewünscht hätte. So hätte ich noch mit einem Handlungsstrang gerechnet, in dem die Rettungsmission für die ISS präsentiert wird (vielleicht hätte das aber auch zu einer inhaltlichen Überfrachtung geführt). Stattdessen wird aber mehr Wert auf die Verhöre und die Rückblenden gelegt. Zudem endet das Buch nach meinem Gefühl recht unspektakulär. Es gibt keine überraschenden Wendungen, WOW- oder AHA-Momente. Das fand ich etwas schade. So komme ich auf 4 Sterne. 

The Walking Dead - The Ones Who Live



Flucht und Liebe



Rick ist zurück! Und ich gebe zu, das macht mich tatsächlich neugierig. Von allen Ableger-Serien aus dem Universum von „The Walking Dead“ ist das diejenige, die mich am meisten interessiert. Zentrale Frage: Was ist aus Rick geworden?

 

Doch der erste Einstieg in die Serie lässt mich etwas enttäuscht zurück. Wieder einmal wird uns eine militaristisch geprägte und autorität geführte Gemeinschaft präsentiert, die nicht sehr einladend wirkt. Kennen wir das nicht schon? Das einzige, was neu ist: Sie ist größer und besser organisiert als alles, was man bisher kennen gelernt hat. Atlanta, Omaha und Portland bilden als Städte eine Allianz. Und es scheint doch mehr an Strukturen erhalten geblieben zu sein, als man anfangs dachte… aber das allein reißt mich noch nicht mit; zumal das, was in den Städten vor sich geht, für mich zu sehr im Dunkeln bleibt.

 

Was die Serie ausmacht, ist in meinen Augen Rick, dessen Abschied aus der Original-Serie damals für mich überraschend war. Er trägt „The Ones Who Live“ maßgeblich. Deutlich wird zu Beginn wieder sein unbändiger Wille, sich nicht unterzuordnen. Er ist durch und durch ein Kämpfer. Er will aus der Gemeinschaft, in der er gefangen gehalten wird, fliehen. Und er ist dafür bereit, einen hohen Preis zu zahlen. Doch was man auch sieht, ist, dass er eine dynamische Entwicklung durchläuft. Das ist gut! Wir erleben mit, wie sich Rick in seiner neuen Umgebung einordnet und allmählich fügt. Ab einem gewissen Punkt wirkt er gebrochen, eingeschüchtert und regelrecht verängstigt. Oder spielt er doch nur ein doppeltes Spiel und wir erleben als Zuschauer eine große Überraschung? Das möchte ich hier nicht verraten. Das möge jeder selbst herausfinden.

 

Was ebenfalls gut gelungen ist, sind die Cliffhanger am Ende einer Folge. Die sind wirklich stark, so dass man immer direkt wissen möchte, wie es weitergeht. Auch die perspektivische Gestaltung und der Einbau von Vor- und Rückblenden hat mir gefallen. Ich habe zu jedem Zeitpunkt die Übersicht behalten und bin nicht verwirrt worden. Wird die erste Folge noch aus Ricks Sicht präsentiert, so wird dieser Blickwinkel in Folge 2 um Michonnes Perspektive erweitert. Danach greifen beide Sichtweisen ineinander. Das ist gut gemacht. Im weiteren Handlungsverlauf entsteht dann eine Geschichte um Liebe und (möglicher) Flucht. Auch das reißt mit. Allerdings kann die Serie nach meinem Empfinden ihr Niveau nur in den ersten vier Folgen halten. Folge vier wird schon schwächer (ist mit dem Bild des einstürzenden Hauses aber sehr schön symbolisch aufgeladen worden) und in den letzten beiden Episoden habe ich einen deutlichen Qualitätsverlust wahrgenommen, was v.a. mit den Ereignissen rund um Anne zusammenhängt, deren Handeln sich mir nicht erschließt. Die Logik wird zunehmend löchrig. Schade, schade!

 

Was mich ebenfalls nicht überzeugt hat, war das Ausmaß an Gewalt, das sich die Macher der Serie dieses Mal haben einfallen lassen. Man merkt, dass den Autoren die Ideen ausgehen und immer wieder neue, noch gewalthaltigere Dinge kreiert werden, um die Zuschauer bei der Stange zu halten. Ich brauche das nicht, aber nun gut…Dieses Mal kommen Napalm und Chlorgas zum Einsatz, um die „Beißer“ zu bekämpfen. Später sind es dann von Geysiren verunstaltete Zombies, die wir zu sehen bekommen. Für mich schlägt die Serie hier eine falsche Richtung ein. Und noch ein Tabubruch ist mir aufgefallen: Eine schwangere Frau muss sterben und verwandelt sich. Noch etwas: Zu Beginn der Serie macht es den Eindruck, als sei es das Ziel, möglichst viele entstehende Bindungen zwischen den Figuren in rascher Abfolge immer wieder zu zerschlagen. Eine solche hohe Taktung von beginnender Freundschaft und Verlust habe ich bisher in noch keiner anderen Serie aus dem TWD-Franchise wahrgenommen. Auch das hat mich nicht überzeugt. So komme ich abschließend auf 3 Sterne.