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Donnerstag, 25. April 2024

Vogelsang, Lucas - Nachspielzeiten

König Fußball


Wer kann sich nicht an viele unglaubliche Ereignisse im Fußball erinnern? Da ist es nicht leicht eine passende Auswahl zu treffen. Es stellt sich also die Frage, ob es Lucas Vogelsang mit seinen „Nachspielzeiten“ gelingt, schöne Highlights herauszugreifen und zu betrachten. Dazu gleich mehr. Doch vorweg möchte ich festhalten: Der Autor schreibt sehr unterhaltsam und stimmungsvoll. Schon im Vorwort wird seine Begeisterung für den Fußball deutlich. Über Länder und Kulturen hinweg verbinde der Fußball und wecke Emotionen. Fußball als Weltsprache. Erinnerungen an Weltstars und gemeinsam erlebte Momente seien Brücken der (Völker-)Verständigung. Wie wahr! Eine wunderbare Botschaft, die den nachfolgenden Kapiteln hier vorangstellt wird.

 

Einige der unvergesslichen Momente lässt Vogelsang dann wieder aufleben. Und wir als Leserinnen und Leser dürfen dabei in Erinnerungen schwelgen. Es werden in den insgesamt sieben Kapiteln unterschiedliche thematische Schwerpunkte gesetzt. Im ersten Kapitel erinnert sich Vogelsang zurück an den Sieg der Griechen bei der Europameisterschaft 2004. Ein Wunder, mit dem damals niemand gerechnet hat. Wie ist dieser Titel überhaupt möglich geworden? Der Autor rückt vor allem die große Bedeutung von Topalidis als Co-Trainer von Rehagel ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Er ist es v.a., der die Sprachbarriere zwischen Trainer und Mannschaft überbrückt und damit den Grundstein für den griechischen Erfolg ermöglicht. Sehr interessant! Auch die Höhepunkte der Spiele der Griechen bei der EM werden packend, leidenschaftlich und emotional geschildert. Das erste Kapitel hat mir am besten gefallen!

 

Weitere große Momente der Fußballgeschichte erwarten uns auch in Kapitel 2, in dem Vogelsang Mehmet Scholl näher porträtiert. Mit seiner flapsigen Art eckte dieser oft an, war aber stets ein wichtiger Stimmungsmacher in der Kabine. Das schwierige Verhältnis zu Berti Vogts und zum DFB wird ebenso thematisiert wie sein Wirken als Fernsehkommentator. Im Laufe seiner Fernsehkarriere gerät Scholl in Konflikte mit Joachim Löw, den er allzu oft offen und scharft kritisiert. Und auch mit der ARD kommt es zum Zerwürfnis. Letztlich manövriert sich Scholl selbst ins Abseits.

 

In Kapitel 3 wird das TV-Format des Dschungelcamps vorgestellt, an dem inzwischen zahlreiche bekannte Fußballspieler teilgenommen haben. In meinen Augen hätte Vogelsang gerne auf dieses Kapitel verzichten können und stattdessen eher einen weiteren erinnerungswerten fussballerischen Augenblick betrachten können. Aber nun gut…Geschmackssache. Nach und nach werden sie uns alle in Erinnerung gerufen:  Jimmy Hartwig, Eike Immel, Ailton, Thorsten Legat, Thomas Häßler (!).

 

Auch im vierten Kapitel wird ein (schillernder) Fußballer porträtiert: Tim Wiese. Wieder eine Person, die stark polarisiert. Seine Karrierestationen werden nachgezeichnet. Es ist v.a. die Geschichte eines tragischen Karriereendes. In der Nationalmannschaft kann er sich nicht durchsetzen, in Hoffenheim wird er schließlich ausrangiert. In jüngster Zeit hat Wiese durch weitere negative Schlagzeilen auf sich aufmerksam gemacht.

 

Im fünften Kapitel lernen wir Christian Fährmann kennen, ein Kind der Hertha. Auch hier widmet sich der Autor vor allem den negativen Entwicklungen in Fährmanns Lebenslauf. Hat mich nicht wirklich erreicht. Kapitel 6 wird dann wieder besser. Es geht um den Verein Cosmos New York, der zunächst Pele, dann Beckenbauer holte, um Fußball in den USA massentauglich zu machen. Beide wurden zu den Zuschauermagneten, die man sich gewünscht hatte. Und New York lag ihnen zu Füßen. Was gut deutlich wird: USA war zu jener Zeit noch Fußballentwicklungsland. Die Zuschauer fremdelten noch mit dem Sport. Eine andere Zeit, die man sich heute kaum noch vorstellen kann. Für mich auch deshalb ein interessantes Kapitel, weil es weit zurückliegt (Mitte der 70er Jahre).

 

Im letzten Kapitel geht es abermals um eine tragische Figur des Fußball: Paul Gascoigne. Zwar werden auch seine fußballerischen Leistungen gewürdigt (WM 1990 und EM 1996), aber es geht v.a. wieder um seinen tiefen Sturz in den Alkohol. Ihm gegenübergestellt wird sein einstiger Widersacher Vinnie Jones, der einen beispielhaften Aufstieg als Schauspieler hinlegte. War mir inhaltlich zu reißerisch…

 

Was auffällt: Vogelsang versteht es in den einzelnen Kapiteln sehr gut, aus den Geschehnissen eine Erzählung zu formen. Auch der Schreibstil ist gelungen und oft sehr kreativ, wenn auch oft reißerisch. Es ist ein Text, der auf Unterhaltung abzielt. Emotionen sollen geweckt werden. Hat mich vor allem an den Stil in Boulevardmedien erinnert. Die Kapitel lesen sich allesamt sehr flüssig und eingängig. Der Inhalt ist kurzweilig. Ich hätte mir allerdings gewünscht, dass das Spiel noch mehr im Mittelpunkt gestanden hätte. Vor allem die packende Schilderung von großen Momenten auf dem Platz haben mich interessiert. Und auch der Ausflug in die 70er Jahre hat mir zugesagt. Dem Autor geht es aber oft um den „Menschen“ hinter dem Spieler. Spielerporträts stehen inhaltlich stark im Vordergrund. Allerdings wird dabei eine Etikettierung des Spielers von außen vorgenommen. Die Meinung zu Fußballern und zur Wahrnehmung von Geschehnissen auf dem Platz wird stark gelenkt. Eine sachlich-neutrale Bestandsaufnahme darf man jedenfalls nicht erwarten. Und der Autor beschränkt sich v.a. auf solche Momente, die von den Medien bereits entsprechend ausgeschlachtet worden sind. Oft konzentriert er sich auf Negatives, v.a. tragische Abstürze und Misserfolge scheinen ihm eine Betrachtung wert zu sein. Somit komme ich zu einem gemischten Urteil. Ich erkenne viel Potential in dem Geschriebenen, es gab zahlreiche Passagen, die ich interessant und packend fand. Aber oft war es mir auch zu reißerisch (ja, das habe ich schon mehrfach erwähnt). So komme ich auf 3 Sterne!

Montag, 22. April 2024

Schäfer, Stephan - 25 letzte Sommer


Glücksmomente


Zu Beginn des Romans „25 letzte Sommer“ von Stephan Schäfer (sein Debut!) wird deutlich, dass der Protagonist unter einem „mental overload“ leidet, sein Kopf ist voll mit zu erledigenden Aufgaben und unerfüllten „to-do’s“. Er kommt kaum zur Ruhe, schläft schlecht. Mit seinen Gedanken ist er selten im Hier und Jetzt. Kurzum: Er ist absolut gestresst! Die Arbeitsverdichtung, die ihn belastet wird nur allzu greifbar. Immer mehr Pflichten, immer weniger Freiheit. Für mich ein exemplarisches Schicksal, wie es für viele Arbeitnehmer in Deutschland stehen kann. Ein Buch, das deutlich macht, wie zentral „Achtsamkeit“ im Leben ist. Es wird deutlich, wie extrem wichtig es ist, in seinem Leben persönliche Glücksmomente bewusst wahrzunehmen und zu genießen.

 

Doch der Protagonist wirkt auf mich selbstreflektiert und ist seinem Stress nicht hilflos ausgeliefert. Er nimmt ihn schließlich wahr, treibt Sport und findet zwischendurch immer auch Ruhemomente. Er weiß, wie er aus seinem stressigen Alltag ausbrechen kann. Aber dennoch ist er mit seinem Leben nicht zufrieden. Auf einer morgendlichen Jogging-Runde begegnet er Karl, mit dem er ins Gespräch kommt und von dem er einen alternativen Lebensentwurf kennen lernt. Beim gemeinsamen Kaffee verwickelt Karl den Erzähler in ein Gespräch, in dem er am Leben seines Gegenübers Anteil nimmt. Er und Karl lernen sich nicht nur oberflächlich kennen:  „Karl wusste nach einer Stunde mehr von mir als mein Chef nach zehn gemeinsamen Jahren Bürotür an Bürotür“ (S. 22).

 

Karl berichtet von seinem Leben und wie er ihm eine glückliche Wendung gab. Irgendwann stellte er sich die entscheidenden Fragen: „Warum habe ich nicht viel mehr mein eigenes Leben gelebt, warum war es mir so wichtig, die Erwartungen anderer zu erfüllen? Warum hab ich so viel Zeit mit Arbeit verbracht, anstatt mit Menschen und Dingen, die mir wirklich etwas bedeuten? Aber auch: Warum hab ich mir selbst nicht oft genug erlaubt, einfach das zu tun, was mir guttut? Und warum hab ich nicht mehr im Leben gewagt? Was hätte schon passieren sollen“ (S. 33-34).

 

Es macht den Eindruck, als ruhe Karl in sich selbst und habe sein Glück gefunden. Auch die Rolle des Smartphones wird stellenweise immer einmal wieder kritisch beleuchtet. Karl lässt den Erzähler für einen Tag an seinem Leben teilhaben. Und der Lebensstil imponiert seinem Gast. Die Herzlichkeit, Güte und Gelassenheit von Karl werden zu einem Glücksmoment, zu einem Innehalten. Raus aus dem alltäglichen „Hamsterrad“, hinein ins Glück und in die Zufriedenheit. Der Kontrast zwischen dem beruflichen Aussteiger Karl einerseits und dem Erzähler als städtischen Berufsmenschen andererseits wird nur allzu deutlich. Karl hat sich seinen Lebenstraum erfüllt. Er ist Landwirt und Selbstversorger geworden, lebt von seiner eigenen Hände Arbeit.

 

Der Erzähler öffnet sich gegenüber seinem Gastgeber. Etwas, das ihm bei anderen Menschen nicht so leicht möglich ist. Zwischen beiden Gesprächspartnern, die sich ja kaum kennen, entsteht innerhalb kürzester Zeit eine große Verbundenheit. Und der Protagonist lernt im Gespräch einiges dazu. So berichtet ihm Karl auch von seinen Reisen durch die Welt, wo ihm Mohamed begegnete. Dieser gab ihm folgende Kriterien mit auf den Weg, wenn es darum geht, schwierige Lebensentscheidungen für oder gegen etwas zu treffen: „Erstens: Gibt es dir Liebe und Frieden? Zweitens: Gibt es dir Lebensfreude und Energie? Drittens: Gibt es dir Freiheit und Selbstbestimmung? Viertens: Gibt es dir Ruhe und Halt?“ Der Hof und Karls Leben werden für den Erzähler zu einem Sehnsuchtsort. Das ist deutlich spürbar. Anders als sein Gast ist der Landwirt aus dem „höher-schneller-weiter-Karussell“ ausgestiegen und genießt den Müßiggang.

 

Im Gespräch wird am Beispiel des Tennisspiels auch der Leistungsgedanke diskutiert. Nach Ansicht des Erzählers bringe dieser nicht nur Vorteile mit sich. Bücher, Musik und Kunst gehören hingegen für Karl als Ausdruck von Emotionalität zum Leben dazu. Wir erfahren auch, dass Karl krank ist. Er leidet unter eine chronisch-entzündlichen Autoimmunerkrankung, die fortschreitend verläuft und unheilbar ist. Und für den Umgang mit der Krankheit hat Karl abermals einen weisen Rat: „Es ginge nicht darum, sich zu fragen: Warum ich? Sondern: Warum nicht ich? Die Krankheit sei jetzt Teil von mir. Ich dürfe ihr nicht zu viel Beachtung schenken. Auch nicht in schwachen Momenten. Eine andere Existenz würde ich nun mal nicht bekommen“ (S.160-161). Das Treffen des Erzählers mit Karl führt zu einer neuen Freundschaft. Ein weises Buch, das Schäfer vorlegt. Eines mit vielen lebenswichtigen Botschaften. Ich wünschte mir, dass die Leserschaft in ihrem Leben auch jemanden wie Karl kennen lernt. 

Donnerstag, 18. April 2024

Drösser, Christoph - Was macht KI mit unserer Sprache


Wichtig, aktuell und lehrreich


Welche Auswirkung hat die Nutzung von KI-Programmen für unser tägliches Leben? Das ist die zentrale Frage, die Christoph Drösser in seinem Debattenband „Was macht KI mit unserer Sprache“ vertieft. Schon in seinem Vorwort weist der Autor darauf hin, dass die Technik sich rasant entwickelt und der Inhalt des Buchs in naher Zukunft schon wieder veraltet sein kann. Ihm ist es wichtig zu betonen, dass er die technische Entwicklung weder verdammen noch bejubeln will. Ihm geht es um eine neutrale, nüchterne Betrachtungsweise und Bestandsaufnahme.



Kapitel 1 – Der Traum von der sprechenden Maschine

Drösser wirft einen Blick zurück ins 17. Jh. Damals sei man der Auffassung gewesen, dass eine Maschine niemals wie ein Mensch sprechen könnte. Inzwischen sei ChatGPT aber soweit ausgereift, dass die Kommunikationen mit der KI menschlich klingt. Der Autor skizziert den Turing-Test und erläutert, ob ChatGPT ihn bestehen kann. Und es zeigt sich, dass die Anwendung das Testverfahren meistert. Das wird an einem Beispieldialog deutlich. So etwas habe bisher keine KI geschafft! Abschließend stellt Dösser die Frage, ob das Programm ggf. sogar intelligent sei. Die Antwort darauf ist gar nicht so leicht. Denn die Anwendung schneidet bei Intelligenztests gut ab. Was wiederum sagt das über IQ-Tests aus? Was messen diese eigentlich? Spannende Fragen, wie ich finde. Der Autor liefert gute Denkanstöße!

 

Kapitel 2 – Large Language Models – Die Masse macht’s

Welche Algorithmen und Mechanismen verbergen sich hinter ChatGPT? Der Autor erläutert, wie sich Sprache mit Hilfe von statistischen Verfahren analysieren lässt. Das Programm benötige v.a. jede Menge Beispiele, um zu lernen. Auf diese Weise sammele die KI Daten darüber, wie häufig Wörter in welchen Texten und in welchen Kombinationen sie vorkommen. Kookurrenzen werden ermittelt, d.h. gemeinsame Auftretenswahrscheinlichkeiten von Wörtern. Die Anwendung untersuche das gesamte Umfeld, in dem ein Wort auftauche. Die Beziehung von Wörtern zu anderen Wörtern könne anhand von riesigen Datenmengen ausgewertet werden. Und das, ohne dass die Bedeutung eine Rolle spiele. Faszinierend! Und auch erstaunlich, was am Ende dabei herauskommt. Je größer die Textmenge, die die KI verarbeite, desto besser die Qualität des Sprachmodells. Hinzu komme das Feintuning durch menschliche Mitarbeiter. Diese beurteilten den von der KI produzierten „output“ als gut oder weniger gut und legten Regeln fest, nach denen das Programm operiere. Nicht zuletzt wird in diesem Kapitel eine Frage thematisiert, die ich mir auch schon häufig gestellt habe: Generiert die KI einen ähnlichen „output“, wenn man einen identischen „prompt“ eingibt? Mich führt das zur folgenden Frage: Wie viel Ähnlichkeit zwischen einzelnen Texten besteht, wenn 100 Personen die gleiche Abfrage an die KI richten? Wie viel Varianz kann das Programm erzeugen? Bisher habe ich noch keine Informationen dazu gefunden. Und der Autor weist auch auf ein weiteres Problem der KI hin. Weiß ChatGPT keine Antwort, so denke es sich eine Antwort aus, die nicht unbedingt inhaltlich korrekt sei. Das System fängt also an zu „halluzinieren“, wie der Autor es nennt. Jedem Nutzer sollte also klar sein, dass er bei der Nutzung des Programms in der Lage sein muss, Halluzinationen zu erkennen und den output zu hinterfragen. Dafür benötigt es weiterhin solides menschliches Hintergrundwissen. Und wer ChatGPT ausprobiert hat, der dürfte meiner Ansicht nach auch bereits festgestellt haben, dass die KI bei ihren Antworten nicht sehr in die Tiefe geht. Der output ist oft nicht sehr detailreich (zumindest zum jetzigen Zeitpunkt).

 

Kapitel 3 – ChatGPT konkret: Grundkurs in Prompt-Engineering

Hier werden uns einige „prompts“ und beispielhafte Ergebnisse von ChatGPT vorgestellt, die zeigen, was das Programm zu generieren in der Lage ist und welche Befehle möglich sind. So ist ChatGPT in der Lage, innerhalb von wenigen Sekunden komplexe mathematische Textaufgaben zu lösen. Erstaunlich! Auch unvollständige Satzkonstruktionen kann das Programm kreativ ergänzen. Es beantwortet Fragen und kann auch komplexe, längere Texte zusammenfassen. Letzteres finde ich faszinierend, bin ich bisher davon ausgegangen, dass eine Person, die einen Text zusammenfasst, Entscheidungen treffen muss, welche Informationen wichtig und unwichtig sind. Und obwohl das Programm den Inhalt von Texten nicht einmal versteht und solche Entscheidungen gar nicht trifft, kann es diese „Operation“ dennoch ohne Probleme ausführen. Faszinierend! Sogar komplexe wissenschaftliche Abhandlungen bricht die KI auf zentrale Aussagen herunter. Und die Ergebnisse lassen sich Schritt für Schritt weiter optimieren, indem man z.B. die Anzahl der Wörter, das Sprachniveau oder den Stil vorgibt. Und ChatGPT kann noch mehr: Es liefert sogar Vorschläge für Power-Point-Präsentationen und kann musterhafte Textschemata reproduzieren (z.B. Bewerbungen, Lebensläufe, Anschreiben, Zeitungsberichte etc.). Es lassen sich Dialoge in der Fremdsprache mit dem System trainieren und die KI kann bei der Interaktion ein direktes feedback zu Fehlern geben (was bedeutet das für den Sprachenunterricht?). Die Einsatzmöglichkeiten von KI sind mannigfach. Auch kreativer output ist generierbar (z.B. eine unheimliche Gute-Nacht-Geschichte mit der Eiskönigin für den Nachwuchs, einen Erstleser-Text für Leselernende etc.). Lediglich mit Humor hat ChatGPT noch Schwierigkeiten. Und der Autor weist daraufhin, dass mit dem Prompt-Engineering sogar ein neuer Berufszweig entsteht, bei dem es um folgende Fragestellung geht: Wie befragt man die KI, um ein optimales Ergebnis herauszubekommen? Und es entstehen für viele Berufszweige neue Herausforderungen. Kann z.B. ein Lektor noch herausfinden, ob ein Text von einem Menschen oder von einer KI verfasst worden ist? Wie gehen Lehrkräfte an den Bildungsinstitutionen mit diesen neuen Möglichkeiten um? Etc. Und der Autor stellt eine zentrale, berechtigte Frage: Werden wir uns in Zukunft auf Programme wie ChatGPT verlassen und wird die menschliche Kreativität verkümmern?

 

Kapitel 4 – Das Ende des Besinnungsaufsatzes – ChatGPT in Schule und Hochschule

Welche Auswirkungen wird KI auf Bildungseinrichtungen haben? Soll man KI verbieten oder soll man den verantwortungsvollen Umgang damit vermitteln? Kann es evtl. im Sinne eines Coachings sinnvoll integriert werden, um Wissenslücken zu schließen? Diesen Fragen widmet Dösser ein eigenes Kapitel. Das finde ich gut und äußerst wichtig. Denn auf Schulen und Hochschulen kommen viele neue Herausforderungen zu, wie er ausführt: Wie ist z.B. zukünftig mit Hausaufgaben umzugehen? Schulische Aufsatzformen wie die Erörterung lassen sich ohne Weiteres mit Hilfe des Programms generieren. ChatGPT macht Vorschläge für Pro-und Kontra-Argumente. Was ist noch eigene Leistung der Lernenden, was ist KI-generiert? Dösser liefert abermals wichtige Denkanstöße. Und ich finde seine Anregung, das Programm wie einen Tutor zu nutzen, hilfreich.  Wenig lernförderlich wäre es, sich auf dem von der KI generierten output einfach auszuruhen. Da stimme ich Dösser absolut zu! Und noch etwas gibt er zu bedenken: Mit Meinungsbildung und Bewertung hat das Programm (noch) Schwierigkeiten. Gerade in diesem Bereich sind die Lernenden also weiterhin gefordert!

 

Kapitel 5 – Sind wir nicht alle ein bisschen ChatGPT?

Hier möchte ich einen Gedanken von Dösser herausgreifen, den ich wirklich interessant finde. Und zwar stellt er die Frage, ob eine KI überhaupt kreative Produkte hervorbringen kann. Schließlich weist ChatGPT kein Gefühl und keine menschliche Erfahrung auf. Bleibt Kreativität nicht etwas genuin Menschliches? Zumindest bei der transformatorischen Kreativität sieht Dösser Grenzen. Denn die KI bewegt sich in einem Rahmen, der von außen durch den Menschen vorgegeben ist. Diesen Rahmen könne sie nicht überwinden. Dennoch glaubt der Autor, dass auch kreative Berufe durch Programme wie ChatGPT zukünftig verändert werden.


Abschließend möchte ich noch anmerken, dass ich den Titel des Buchs etwas unpassend finde. Erst auf den letzten Seiten stellt Dösser einige wenige Überlegungen dazu an, wie sich die Sprache durch die Anwendung von KI-Systemen verändern kann. Er befürchtet eine Homogenisierung von Sprache und eine Abnahme von Sprachvielfalt. Doch ist diese Sorge berechtigt? Meines Wissens fehlt es in diesem Bereich noch an linguistischen Untersuchungen. Der von der KI generierte Output böte hier in meinen Augen noch viele Möglichkeiten der Erforschung. Insgesamt aber ein kluges Buch, das Drösser hier vorgelegt hat. Ich bin an vielen Stellen ins Nachdenken gekommen und habe auch wieder etwas dazugelernt. Was will man mehr?

Dienstag, 16. April 2024

Reiter, Max - Der Killer in dir


Spirale der Gewalt


Zu Beginn des Thrillers erwartet uns ein guter Aufhänger, um die Neugier der Leserinnen und Leser zu entfesseln. Ein Tagebuch, das der Protagonist und Ex-Polizist Alex seiner Frau hinterlässt, nachdem er (vermutlich) Suizid begangen hat. Er will ihr darin erläutern, wie es zu seinem Tod kam und bittet sie darum, zu den berichteten Geschehnissen zu schweigen, um sich nicht selbst zu gefährden. Das ist der Einstieg in das neue Werk „Der Killer in dir“ von Max Reiter, der auch bereits unter seinem richtigen Namen Andreas Götz Kriminalromane veröffentlicht hat.



Alexander Leifert hat den Dienst bei der Polizei mit Mitte 30 und den besten Karriereaussichten an den Nagel gehängt, nachdem er jemanden erschießen musste. Ihn plagen Gewissensbisse und er ändert sein Leben. Nun ist er Hausmann, wird von seinen Nachbarn als Vater des Jahres gelobt und betreibt einen Podcast zum Thema „Verbrechen“.

 

Im Café wird er von einem Fremden in ein ungewöhnliches Gespräch verwickelt. Scheinbar hält der Fremde ihn für einen korrupten Polizisten, mit dem er einen Coup aushandeln kann. Er will ihn als Profikiller engagieren und lässt sich von dieser Idee partout nicht abbringen. Alex wird schließlich so sehr bedrängt und erpresst, dass er sich dazu entschließt, die ihm aufgedrängte Rolle einzunehmen. Und als Leser stellt man sich folgende Fragen: Wie wird Alex seine Rolle nun ausfüllen? Wird er wirklich jemanden beseitigen? Oder wird er seine Doppelrolle so spielen, dass er seinen Auftraggeber dingfest macht? Wird er sich aus seiner Notsituation befreien, und wenn ja, wie?

 

Das Tempo empfand ich im ersten Drittel als durchschnittlich, es nimmt im weiteren Verlauf aber zu. Die Tagebuchform verhindert eine starke Dialoghaftigkeit. Schade! Zu Beginn trat die Handlung nach meinem Empfinden ein wenig zu sehr auf der Stelle, mir fehlten spannungserregende Impulse, die das Geschehen noch stärker vorantreiben. Der Thriller hat mich nicht direkt von Seite 1 an gefesselt, sondern es dauerte ein wenig. Als Alex sich zu einer Entscheidung durchringt, wie er mit seiner Situation umgeht, wird der Thriller besser. Die Spannung zieht nach dem ersten Drittel also deutlich an. Es entsteht eine Spirale der Gewalt und am Ende des Buchs wird eine scheinbar ausweglose Situation gestaltet, die die Spannungskurve noch einmal forciert. Das ist gelungen! Nur die charakterliche Entwicklung von Alex fand ich nicht gänzlich plausibel. Mehr psychischer Tiefgang hätte der Figur gut getan. Aber das wäre dann natürlich auf Kosten des Tempos gegangen.

 

Während der Lektüre habe ich mich auch gefragt, was ich von der Form des Tagebuchs halten soll. Man merkt schon, dass die unmittelbare Nähe zum Geschehen fehlt. Die Situationen werden ja im Rückblick und mit zeitlichem Abstand geschildert. Das innere Erleben von Alex ist dadurch nicht mehr so greifbar. Und die Wiedergabe von Dialogsequenzen passte für mich nicht immer zur Form eines Tagebuchs. Kurzum: Es ist einerseits mal etwas anderes, aber andererseits hat es mich nicht völlig überzeugt. Ich fand daher gut, dass der Autor sich am Ende des Werks für einen Perspektivwechsel entschieden hat. Das zieht noch einmal einen spannungssteigernden Effekt nach sich. Mein Fazit: Es ist ein guter, aber kein herausragender Thriller. 4 Sterne von mir!

Star Trek - Enterprise (Staffel 1)


Die Föderation am Beginn ihrer Entstehung



Bis auf die Serie „Star Trek. Enterprise“ kenne ich alles aus dem Star-Trek-Universum. Wieder einmal Zeit, auch diese Lücke langsam zu schließen. Den Beginn macht Staffel 1. Und ich muss sagen, schon das Ausgangssetting gefällt mir. Die Menschheit bricht noch unter der Vormundschaft der Vulkanier zu den Sternen auf. Mit den Klingonen kommt es zu ersten Zusammenstößen. Noch weiß man nicht viel über diese Spezies, die ein fester Bestandteil des Franchise ist. Die Warp-, Beam- und Waffen-Technologie steckt noch in den „Kinderschuhen“ und ist fehleranfällig sowie unterentwickelt. Die Systeme werden aber forlaufend verbessert. Die Enterprise ist technisch längst noch nicht so gut ausgestattet wie die Schiffe, die man aus späteren Serien kennt. Sie kann noch nicht ohne Probleme gegen übermächtige Raumschiffe anderer Spezies bestehen und ist oft unterlegen. Die Sternenflotte ist noch keine starke Organisation (ein schöner Kontrast zu „TNG“). Die Enterprise wirkt noch sehr rustikal und unmodern. Kein Vergleich zu Picards Flaggschiff.

 

Zu Beginn der Serie gibt es auch noch keinen Universalübersetzer. Und auch die oberste Direktive als Handlungsmaxime existiert noch nicht. Die Entdeckung anderer Spezies steht noch am Anfang. Viele Folgen thematisieren Erstkontakt-Situationen. Man lernt zahlreiche neue außerirdische Zivilisationen kennen, teilweise auch solche, die man aus anderen Serien noch nicht kennt und die den Menschen technisch voraus sind (v.a. die Suliban). Es zeigt sich, dass die Crew häufig impulsiver agiert als Crews aus späteren Serien. Die Einmischung in Fremdes  führt immer wieder zu Herausforderungen. Wieder ein schöner Kontrast zu TNG! Es gibt aber auch Begegnungen mit bekannten Spezies, z.B. mit den Klingonen, Vulkaniern oder mit den Ferengi (= Folge 19). Auch das überzeugt! V.a. die Vulkanier habe ich wieder etwas besser kennengelernt und verstanden.

 

Hinzu kommt ein interessanter Captain, der auch sehr stark im Handlungsmittelpunkt steht. Archer ist hitzköpfig und direkt. Sich den Vulkaniern unterzuordnen, gefällt ihm überhaupt nicht. Und auch der erste Offizier T`Pol ist interessant konzipiert. Für mich sogar die Figur mit der größten Zugkraft. Die Vulkanierin verhält sich v.a. zu Beginn der Staffel äußerst herablassend gegenüber den Menschen auf dem Schiff. Es ergibt sich ein oft amüsantes Wechselspiel zwischen ihr, dem Captain und den anderen Mannschaftsmitgliedern. Menschliche, ungestüme Neugier trifft auf vulkanisch-abwägende, disziplinierte Logik. Herrlich! Die einzelnen Mitglieder der Besatzung erhielten nach meinem Gefühl nicht so viel Aufmerksamkeit wie Archer und T`Pol (oder es fällt mir insbesondere als Kontrast zur Serie „strange new worlds“ auf). Allerdings werden einigen Mitgliedern (z.B. dem Arzt) auch eigene Folgen zugestanden. In Relation zur Gesamtanzahl der Folgen (= 26) fallen diese Episoden aber kaum ins Gewicht. Schade!

 

Die einzelnen Folgen sind in sich abgeschlossen und werden auch nicht stark miteinander vernetzt. Allerdings gibt es eine „Storyline“, die in unregelmäßigen Abständen immer einmal wieder vertieft wird: Die des sogenannten Temporalen Kalten Kriegs. Und die Qualität der Episoden kann sich sehen lassen. Bis auf wenige Ausnahmen, die etwas langatmig daherkamen (z.B. Folge 7 und 8), waren sie durchgängig interessant und faszinierend. Meine Lieblingsfolge war Folge 23 („Gefallene Heldin“).

Montag, 15. April 2024

Glattauer, Daniel - Darum


Satirisch, kurios und skurril


Der Einstieg in „Darum“ von Daniel Glattauer ist kurios: Der Journalist und Gerichtsreporter Jan Rufus Haigerer schießt einen Menschen nieder und erwartet seine Festnahme. Doch zunächst passiert erst einmal gar nichts. Man traut ihm die Tat nicht zu. Der erste Polizist vor Ort, den Jan sogar persönlich kennt, merkt ihm seine Unruhe und Nervosität nicht an. Jan geht daraufhin selbst zur Polizei und legt ein Geständnis ab. Und die Beamten glauben ihm wieder nicht. Sie halten seine Aussage für eine journalistische Finte. Letztlich akzeptieren sie dann aber widerwillig, dass Jan mit seiner Behauptung Recht hat.



Der Roman driftet stellenweise immer wieder ins absurd-satirische ab und ist durchaus humorvoll. Das Muster eines Kriminalromans wird auf den Kopf gestellt und karikiert. Offen bleibt bis zum finalen Höhepunkt das Motiv für die Tat. Warum hat sich Jan dazu entschieden, einen Mord geplant und vorsätzlich zu begehen, und zwar bei klarem Verstand und ohne Reue? Diese Frage bleibt bis zum Ende offen und ist das handlungstreibende Element.

 

Jan verhält sich nicht situationskonform. Er genießt seinen Aufenthalt in der Zelle, verfolgt gebannt den medialen Rummel um seine Person. Hilfsangebote lehnt er ab. Alle Erklärungsversuche, die die Schwere seiner Tat zu relativieren versuchen, lässt er nicht zu. Grotesk! Was geht nur in ihm vor? Ist sein psychischer Zustand evtl. Ursache für sein Verhalten? Es bleibt rätselhaft. Und bei aller Satire, die den Roman auszeichnet, blitzt passagenweise durchaus auch immer wieder Ernsthaftigkeit durch.

 

Beiläufig gibt es immer auch einmal wieder Seitenhiebe auf den journalistischen Betrieb und auf das Verlagswesen. Amüsant sind z.B. die eingeflochtenen Rückblicke auf seine Tätigkeit als Lektor (vgl. z.B. S. 113-114: „Aber ein Roman, der nie gelebt und empfunden worden war, konnte niemals ein guter sein“). Viel Raum nehmen die Gespräche mit der Untersuchungsrichterin ein. Es zeigt sich: Jan hat kein Interesse daran, freizukommen. Sogar Staranwälten, die ihn verteidigen wollen, erteilt er eine Absage.

 

In der zweiten Hälfte des Buchs wird die Gerichtsverhandlung dargestellt. Wir erhalten Einblick in die Befragungen des Täters vor Gericht. Auch hier findet sich sehr viel Satirisches. Und Jan bleibt seiner Selbstdestruktion treu, das Motiv für den Mord behält er weiterhin für sich. Er will verurteilt und bestraft werden. Es geht ihm auf keinem Fall darum, freizukommen. Und was wieder kurios ist, ist der Umstand, dass das Fehlen eines Motivs dazu führt, dass man dem Täter trotz der Schwere seiner Tat maximales Verständnis entgegenzubringen versucht.


Aber ich muss gestehen, dass dieses Werk von Glattauer bisher dasjenige war, dem ich am wenigsten abgewinnen konnte. Es ist mir stellenweise einfach zu skurril. Die Abgrenzung zwischen dem, was ernst oder satirisch gemeint ist, fiel mir nicht immer leicht. Und ich habe mich gefragt, was der Autor für eine Botschaft mit diesem Buch verknüpfen wollte. Was möchte er zum Ausdruck bringen? Geht es ihm darum, dass einem Täter zu viel Milde und Verständnis entgegengebracht wird, wenn das Motiv für die Tat fehlt? Sagt vor allem das Motiv etwas über die Schwere der Schuld aus? Für mich bleibt die Intention zu unklar. Aber vielleicht ist das auch absichtlich so arrangiert worden. Es führt bei mir aber dazu, dass der Funke beim Lesen nicht so recht überspringen wollte.

Freitag, 12. April 2024

Schirach, Ferdinand von - Sie sagt. Er sagt.


Aussage gegen Aussage


Bleiben wir beim Geschlechterkampf. In meiner vorherigen Rezension ging es um das neue Buch von McFadden, in dem dieses Gegeneinander der Geschlechter deutlich wird. Und auch in von Schirachs neuem Werk, das ebenfalls verfilmt worden ist, prallen Geschlechtsgenossen aufeinander, wenn auch mit deutlich mehr Tiefgang sowie Substanz und in Form eines Einakters. Der Autor sucht sich ein äußerst schwieriges Thema aus. Eines, das zudem höchst aktuell und brisant ist. Man denke an die Geschehnisse um Rammstein, an den Kachelmann-Prozess oder das Strafverfahren gegen Andreas Türck sowie an die „me-too-Bewegung“. Und es tritt wieder der typische „Schirach-Stil“ deutlich hervor. Die Pointiertheit und die Klarheit des Ausdrucks, die ich sehr mag und schätze.

Inhaltlich geht es um den Tatvorwurf einer Vergewaltigung. Während der Geschlechtsakt zunächst einvernehmlich vollzogen wird, überlegt es sich das (vermeintliche) Opfer anders und wünscht, dass der Verkehr abgebrochen wird. Doch der (vermeintliche) Täter lässt nicht von der Geschädigten ab und entlässt sie erst nach seinem Höhepunkt aus seiner Gewalt. Ein Vorfall, der unter die Haut geht. Im Prozess steht Aussage gegen Aussage. Denn der (vermeintliche) Täter stellt den Tatvorwurf als Racheakt an ihm dar. Glaubt man hingegen den Anschuldigungen des Opfers, so kann man sich vorstellen, was es für Qualen im Prozessverlauf durchlaufen muss, weil seine Glaubwürdigkeit in Zweifel gezogen wird.

 

Im Verlauf des Prozesses schildert die Geschädigte den Tathergang und die (psychischen, beruflichen sowie familiären) Folgewirkungen. Deutlich werden dabei auch Selbstvorwürfe. Sie gibt sich als Opfer sogar noch selbst die Schuld an dem Vorfall. Unfassbar! Die Beweisführung stellt sich als schwierig heraus. Die Richterin kann sich nur auf die Aussage des Opfers stützen. Andere, überzeugende Beweismittel gibt es nicht. Eine äußerst schwierige Entscheidung, die die Richterin zu treffen hat. Das ahnt man schon im Voraus. Denn die Verteidigungsstrategie zielt darauf ab, die Glaubwürdigkeit des Opfers zu „torpedieren“ und Zweifel zu säen. Auch die Polizistin, die das Opfer vernommen hat, und verschiedene Gutachter kommen zu Wort. Das alles verdeutlicht, wie schwierig es ist, eine Tat angemessen zu beurteilen.

 

Die Lektüre fordert beim Lesen emotional heraus. Ich habe die Handlung mit großer Anspannung gelesen. Das Maß an Spannung ist hoch. Neugierig verfolgt man das Geschehen, ist gespannt auf die Auflösung und hofft auf ein gerechtes Urteil. Das ganze Setting wirkt zudem unheimlich realistisch und authentisch. So könnte ich mir vorstellen, spielt sich auch eine Verhandlung in der Realität ab. Und für mich stellt sich heraus, dass letztlich nur die Beteiligten selbst wissen, was sich tatsächlich ereignet hat. Die Rechtssprechung wirkt auf mich überfordert. Wie will man Gerechtigkeit herstellen, wenn ggf. ein anderer zu Unrecht bestraft wird? Entweder wird das Opfer dadurch bestraft, dass der Täter auf freiem Fuß bleibt. Oder der Täter wird bestraft, obwohl er unschuldig ist. Eine verfahrene Situation. Jede Leserin und jeder Leser möge die Verhandlung selbst verfolgen und ein Urteil fällen. Ich verrate nur so viel: Ich bin froh, dass ich nicht der vorsitzende Richter in einem solchen Verfahren bin. Klar ist nur, dass einer der Beteiligten mit seiner Schuld wird leben müssen (entweder das Opfer, das eine falsche Beschuldigung erhebt, oder der Täter, der eine Vergewaltigung begangen hat). Eines kann ich versprechen: Wie man es von Schirach kennt, hallt das Gelesene wieder lange nach…