Flucht ins Ungewisse
Eines Tages kommt es zu einem militärischen Zwischenfall zwischen den USA und China. Ein amerikanischer B-52 Bomber wird abgeschossen, weil er in den chinesischen Luftraum eingedrungen sein soll. Die USA streiten dies ab. Doch die Lage verschärft sich zunehmend. Es folgen Kriegserklärungen. Und später kommt es zu nuklearen Angriffen. Zunächst bleibt der Konflikt lokal begrenzt, doch schon bald breitet sich der Krieg aus. Die Katastrophe nimmt ihren Lauf…
Von diesen Vorkommnissen erfahren wir aus Medienberichten, während Nina zusammen mit ihren Freundinnen bei schönstem Wetter ihr Familienleben genießt. Die in die Handlung eingeflochtenen Nachrichtenmeldungen sind als Ergänzung und Kontrast zu Ninas Privat- und Familienleben angelegt. Während wir miterleben, was Ninas Alltag prägt (u.a. auch Sorgen um ihren Vater), eskaliert gleichzeitig die politische Weltlage. Doch Nina betreibt eine Art Realitätsverweigerung. Sie meidet die Nachrichten und will das, was in Fernost passiert, nicht allzu nah an sich heranlassen. Doch je mehr sich der Konflikt verschärft, desto mehr betrifft er auch ihr persönliches Leben. So kommt es z.B. zu Hamsterkäufen. Nina kann vor dem, was um sie herum passiert, nicht flüchten. Sie wird zu einer Betroffenen, ob sie es will oder nicht. Der Verteidigungsfall wird ausgerufen. Und spätestens als die Bombe auf München fällt, das nur ca. 30 km entfernt ist, endet Ninas normales Leben. Die zivile Ordnung bricht zusammen. Ein Überlebenskampf beginnt…
Die Schilderungen, wie sich die Lage in Fernost allmählich verschärft und wie die direkten Auswirkungen auf das persönliche Leben von Nina zunehmen, lesen sich sehr realistisch (und beängstigend). So könnte es tatsächlich ablaufen! Die Folgen des atomaren Schlags sind gravierend und werden den Leserinnen und Lesern schonungslos nähergebracht. Und Nina begeht einen schweren Fehler. Statt sich in einen sicheren Schutzraum zu begeben und die ersten 48 Stunden abzuwarten, flüchtet sie auf dem Fahrrad in Richtung Süden. Dabei trifft sie auch auf andere Menschen, die sich angsterfüllt versammeln und auf Hilfe warten. Massenpanik wird greifbar! Und bei Nina treten schon bald erste Symptome einer Strahlenkrankheit auf, die sich allmählich verschlimmern. Es beginnt eine intensiv geschilderte Leidensgeschichte, die mich als Leser betroffen zurücklässt. Und die Ungewissheit, wie es mit Nina weitergeht, erzeugt Spannung. Darüber hinaus sorgt der Umstand, dass Nina nicht weiß, was um sie herum passiert, und dass sie über keine Informationen zur Lage in Deutschland verfügt, für zusätzliche Dramatik.
Trotzdem kann ich diesem Buch keine 4 - 5 Sterne geben. Aus mehreren Gründen. Mir fehlen weitere Perspektiven, die zusätzliche Aspekte der Katastrophe in den Fokus rücken. Ein oder zwei weitere Handlungsstränge, die mehr über die Hintergründe preisgeben, hätten dem Buch nach meinem Gefühl gutgetan. Darüber hinaus hätte ich mir noch eine größere psychologische Tiefe für die handelnden Figuren gewünscht, damit man mehr mitfiebern kann. Weiterhin hätte das Buch an der ein oder anderen Stelle gestrafft werden können. Vieles wiederholt sich und dreht sich im Kreis (v.a. zum Ende hin, aber auch während des Aufenthalts im Auffanglager). Nicht zuletzt war mir der Schreibstil an vielen Stellen zu deskriptiv und dadurch zu langatmig. Zahlreiche Beschreibungen waren für mich zu ausschweifend und rauben dem Inhalt Unmittelbarkeit, Direktheit und Dynamik. Und noch etwas: Vieles von dem, was ich gelesen habe, war in dieser Form erwartbar. Es gab wenig Überraschungen. Mich hat das Buch mit zunehmendem Handlungsverlauf immer mehr verloren, das muss ich ehrlich zugeben. Es war mir zu düster, zu viel Leid auf einmal, dazu noch die genannten Kritikpunkte. Schade! Am Schreibstil gibt es aber nichts auszusetzen. Er ist sehr bildhaft und klar.
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