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Freitag, 14. März 2025

Westerboer, Nils - Lyneham


Ein ethisches Dilemma

 


In seinem Science-Fiction-Roman „Lyneham“ entwirft Nils Westerboer ein interessantes futuristisches Setting. Die Menschheit ist in der Lage, interstellare Reisen zu unternehmen und andere Welten zu „terraformen“ sowie zu besiedeln. Dabei wird man auch mit der Herausforderung konfrontiert, veränderte Zeitdimensionen zu bewältigen. So macht es der technologische Fortschritt möglich, dass ein Raumschiff, das später als ein anderes Schiff von der Erde gestartet ist, schon früher auf einem fremden Himmelskörper ankommt.

 



Perm

Bei Perm handelt es sich um einen Exomond. Man benötigt 12.000 Jahre um ihn von der Erde aus zu erreichen (Kälteschlaf und sog. Stasiskammern machen es möglich). Seine Umwelt ist lebensfeindlich, das Terraforming ist noch nicht abgeschlossen. Was auffällt: Die Beschreibung der fremden Astrobiologie, der andersartigen Geologie und der dort vorherrschenden Umweltverhältnisse ist äußerst kreativ und gelungen. Das hat mir alles richtig gut gefallen. Zudem findet man innen, auf dem vorderen und hinteren Buchdeckel, Skizzen zu den sog. Biomen, in denen die Kolonisten leben. So kann man sich gut in die Lebenswelt der Protagonisten einfühlen und sich einen Eindruck von den Örtlichkeiten auf dem fremden Himmelskörper machen. Auch das Glossar am Ende des Buchs hilft dabei, sich in die andersartige Lebenswelt auf dem Exomond einzufinden.



Familienbande

Erzählt wird der Roman aus der Sicht des 12-jährigen Henry, der zusammen mit seinen beiden Geschwistern Loy und Chester und seinem Vater Charles bereits nach Perm gereist ist. Die Mutter, eine Wissenschaftlerin, die das Ökosystem des Himmelskörpers genauer untersucht, wird vom Rest der Familie getrennt nachreisen. V.a. ihre Perspektive sorgt dafür, dass in dem Buch auch genügend „science“ vorkommt.

Die Anreise verläuft nicht ohne Komplikationen. Beim Anflug auf dem Mond stürzen sie mit ihrem Schiff ab und müssen sich zur nächsten Kolonie durschlagen, um zu überleben. Der Sauerstoffvorrat ist begrenzt. Das erzeugt v.a. zu Beginn jede Menge Spannung. Später rücken dann andere Dinge in den Fokus. Es wird v.a. das Leben in der Kolonie geschildert, die Spannungskurve ebbt nach meinem Gefühl deutlich ab. Auch erfährt man am Rande etwas darüber, was aus der Erde geworden ist, welches Forschungsinteresse die Mutter verfolgt und über die Gründe, warum sie nicht mit ihrem Ehemann und den Kindern mitgereist ist. Und darüber schwebt v.a. die Frage, ob, wie und wann die Familie wieder zusammenfindet.



Der ethische Konflikt

In den eingeschobenen Kapiteln zur Mutter wird deutlich, dass das Forschungsteam um sie herum mit seinem Gewissen vereinbaren muss, für das Terraforming in das Ökosystem eines fremden Trabanten einzugreifen. Die Ankunft der Menschen stört das seit Millionen von Jahren bestehende Gleichgewicht. Dies hat schwerwiegende Konsequenzen für die Flora und Fauna sowie für die Tierwelt, die sich deutlich von der irdischen unterscheiden und an andersartige Umweltbedingungen angepasst ist. Die Konsequenzen des Eingriffs der Menschen sind schwer kalkulier- und vorhersehbar. Als Leserin und Leser ist man mit einem ethischen Dilemma konfrontiert. Darf man in ein fremdes Ökosystem eingreifen, um das eigene Überleben zu sichern?



Schreibstil

Den bedeutungsoffenen Schreibstil empfand ich als sperrig und herausfordernd, das muss ich ehrlich zugeben. Der Inhalt ist oft mehrdeutig, ambivalent, vage und interpretierbar. Es entstehen viele, viele Leerstellen, die man selbst aktiv mit dem eigenen Textverständnis schließen muss. Häufig fehlen Kontextualisierungen, Erklärungen und Begründungen. Vieles wird nur angedeutet und nicht explizit ausformuliert. Zusammenhänge werden nicht immer deutlich. Ob man sich mit einem solch unklaren Schreibstil anfreunden kann, muss jede und jeder für sich selbst herausfinden. Ich konnte mich darauf einlassen, lese aber lieber Bücher mit einem verständlicheren Schreibstil.



Leseempfehlung

Das Buch ist v.a. für solche Leserinnen und Leser geeignet, die sich für ein Setting in einer weit entfernten Zukunft begeistern können und sich mit einem Schreibstil anfreunden können, der die Leserinnen und Leser die Bedeutung des Textes aktiv mitkonstruieren lässt. Der Roman fragt vor allem auch nach der Verantwortung von Wissenschaft und thematisiert die Bedeutsamkeit von Familie. Da mir aber über weite Strecken Spannung fehlte, gebe ich vier von fünf Sternen.

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