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Dienstag, 3. Juni 2025

Taler, Mark - Omniworld


Erschreckende Zukunftsvision



Zu Beginn des Buchs lernen wir den milliardenschweren Tech-Unternehmer Ethan Hubble kennen, der mit seinen furiosen Auftritten vor der Weltöffentlichkeit in der Lage ist, Börsenkurse zu beeinflussen. Er ist der Erschaffer von Omniworld, einer Technologie zum Erzeugen einer virtuellen Realität, in der Menschen eintauchen, interagieren und ihre eigenen Welten erschaffen können.


In diesem sog. Metaverse kann jede und jeder das sein, was sie oder er gern sein möchte. Man kann einen digitalen Avatar des eigenen Selbst kreieren und nur die eigene Fantasie bildet die Grenze des Machbaren. Omniworld ist der Gegenentwurf zur „echten“ (Objekt) Welt. Es gibt keine Beschränkungen. Und dabei wirkt die virtuelle Realität so lebensecht und fotorealistisch, dass man sie nicht von der wahren Welt unterscheiden kann.


In weiteren Perspektiven lernen wir noch andere Figuren außer Ethan Hubble kennen. So z.B. seine Frau Marie, die ihn von Anfang an unterstützt hat, noch bevor er seine erste Million verdient hat. Durch ihre Augen erhalten wir einen Einblick in die Arbeitsumgebung und die Projekte rund um die Firma Omni, die im Silicon Valley angesiedelt ist. Das Ziel ihres Mannes ist es beispielsweise, Mitarbeiter von Omni immer stärker in die virtuelle Realität einzubinden und so das Arbeitsumfeld immer stärker in die simulierte Welt zu verlagern. In naher Zukunft soll die totale Immersion erreicht werden. Jeder Mensch soll Zugang zur Simulation erhalten und sich möglichst lange (oder gar dauerhaft?) darin aufhalten. Ethan Hubble möchte die Objektwelt durch die Simulation ablösen.


In einer weiteren Perspektive erleben wir die Sicht des Vaters und Witwers Steffen. Dieser hat mit den negativen Auswirkungen von Omniworld auf seinen 16-jährigen Sohn zu kämpfen. Er muss miterleben, dass sich sein Sohn oft in der Simulation aufhält und sich immer mehr aus der Realität entfernt. Er versucht ihn davon zu überzeugen, mehr „echte“ Aktivitäten in der Objektwelt zu erleben. Doch sein Bemühen ist vergebens. Zu attraktiv ist die Simulation. Sein Sohn driftet immer mehr in die Selbstisolation ab und entwickelt Abhängigkeitssymptome. Die negativen Auswirkungen werden anschaulich beschrieben. Der Vater versucht sich Hilfe zu organisieren und erkennt dabei, dass sein Sohn nicht das einzige Opfer von Omniworld ist. Gleichzeitig muss er erkennen, wie wirkmächtig Omni agiert, um negative Schlagzeilen und kritische Berichterstattung zu unterbinden.


Die entworfene Zukunftsvision ist sehr kreativ und ideenreich gestaltet worden. Als Pro-Argument für die virtuelle Realität wird z.B. immer wieder der Aspekt der Nachhaltigkeit erwähnt. Dadurch, dass sich Menschen in der Simulation treffen und dort interagieren können, entfallen Reisen mit Transportmitteln wie Auto und Flugzeug. Die digitale Welt ist ein riesiger Wachstumsmarkt, an dem immer mehr Menschen teilhaben möchten. Das wird nur allzu deutlich. Und Omniworld expandiert immer mehr. Es umfasst immer mehr Lebensbereiche. Und Ethan Hubble entwickelt immer wieder neue Ideen, um noch mehr Nutzerinnen und Nutzer für die Simulation zu begeistern (so kann sich bald jede und jeder z.B. ihren bzw. seinen eigenen Traumpartner oder virtuelle Babys kreieren). Dabei ist Hubble auch wichtig, dass seine Firma ein positives Image aufweist.


Um eine längerfristige Entwicklungsperspektive zu schildern, werden immer wieder Zeitsprünge von fünf Jahren platziert. Sehr geschickt! So befinden wir uns zu Beginn im Jahr 2033, später dann in den Jahren 2035, 2040, 2045 und 2050. Den Abschluss bildet das Jahr 2052. Auf diese Weise können die verschiedenen Weiterentwicklungen von Omniworld in den Blick gerückt werden. Die Simulation wird immer allumfassender und ergreift mit der Zeit mehr und mehr Bereiche des Lebens. Das Erleben der Nutzerinnen und Nutzer wird stetig verbessert. Mensch und Technik verschmelzen stärker und stärker. Der Aufenthalt in der Simulation wird kontinuierlich verlockender. Dabei wird auch immer wieder deutlich, wie sehr Ethan Hubble von seiner Technologie überzeugt ist und wie wenig kritisch er ihr begegnet. Anders als seine Frau ist Ethan absolut technikversessen. Anders als sie stellt er nichts in Frage und treibt seine Ideen zum Ausbau der Simulation immer weiter voran. Dabei überschreitet er auch moralische Grenzen…


Das Buch fordert an vielen Stellen zum Mitdenken heraus und verlangt eine Positionierung zu zahlreichen Themen, die im Buch vorkommen. Man kann das Buch auch gut als Kritik an der heutigen Zeit und an der Macht von Tech-Unternehmern lesen (man denke nur an Zuckerberg, Bezos oder Musk). Das hat mir richtig, richtig gut gefallen. Immer wieder wird man während der Lektüre mit der Frage konfrontiert, wie man selbst mit der Simulation umgehen und sich darin verhalten würde. Der Inhalt des Buchs bietet hier verschiedene Identifikationsmöglichkeiten an. Ich habe die Entwicklung von Omniworld mit Interesse begleitet und mich während der Lektüre stets gefragt, wo das Ganze noch hinführt. Es ist jedenfalls erschreckend zu lesen, wie wenig verantwortungsvoll die Menschen mit der neuen Technologie umgehen. Fazit: Insgesamt ein rundum gelungenes Werk mit einem beeindruckenden Ende.

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