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Donnerstag, 20. Februar 2025

Haas, Wolf - Wackelkontakt


Ausgeklügeltes erzählerisches Arrangement



Während Franz Escher auf den Elektriker wartet, lernen wir ihn als Leser besser kennen. Er ist ein ausgefallener Mensch, mit kuriosen Gedankengängen. U.a. erfahren wir, dass er gern puzzelt. Er erinnert sich an eine Begebenheit auf seinem 19. Geburtstag, als er lieber ein Puzzle löste als eine Frau abzuschleppen. Um die Zeit des Wartens zu überbrücken, liest Escher ein Mafia-Roman. Darin geht es um einen Kronzeugen, der 27 Mafiabosse verriet und in ein Zeugenschutzprogramm aufgenommen wird. Sein neuer Name lautet Marko Steiner und er liest ebenfalls ein Buch, um sich die Zeit zu vertreiben. Es handelt von Franz Escher, der auf den Elektriker wartet…


Beide Handlungen werden im Folgenden miteinander verwoben und entwickeln sich jeweils weiter. V.a. in der Handlung um Escher ereignen sich viele skurrile Szenen, die oft humorvoll-grotesk wirken. Er wirkt oft vollkommen deplatziert, agiert hilflos und teils situationsunangemessen. Immer wenn er ein Buch in die Hand nimmt, erfahren wir etwas aus dem Leben des Kronzeugen. Mich hat v.a. interessiert, worauf das Ganze hinausläuft. Diese Frage hat mich in erster Linie weiterlesen lassen.


V.a. in erzähltheoretischer Hinsicht ist der Roman von Wolf Haas interessant gestaltet. Fraglich ist z.B., ob die beiden Geschichten gleichberechtigt sind oder ob die Geschichte um Marko Steiner nicht eingebettet ist. Darüber könnte man trefflich streiten. In meinen Augen nimmt die Handlung um Escher mehr Raum ein und dominiert das Geschehen. Noch dazu hat sie auf mich auch viel mehr Faszination und Sogwirkung entfaltet. Deshalb würde ich nicht von gleichberechtigten Geschichten sprechen. Aber man möge mir gern widersprechen. Auch fällt auf, dass beide Ebenen zu Beginn noch nicht stark aufeinander Bezug nehmen, erst ab einem gewissen Punkt, der durch die Kapitelüberschrift „On“ gekennzeichnet wird, nimmt der Grad an Verknüpfung zwischen den Handlungsebenen zu. Auf einmal tauchen inhaltliche Elemente der einen Geschichte in der anderen auf. Das ist schon ausgeklügelt arrangiert worden. Und die Parallelen und Kontraste, die man findet, sind gar nicht mal so offensichtlich und erfordern einen scharfen analytischen Blick. Ziemlich herausfordernd, diese Suche nach Verbindungen. Der Aspekt der erzählten Zeit und der Erzählzeit ist ebenfalls eine genauere Betrachtung wert: Während es in der Geschichte um Marko Steiner z.B. große Zeitsprünge gibt (mehrere Jahre), wird in der Geschichte um Escher auf so etwas verzichtet. Das, was zu Steiner erzählt wird, verläuft von der Vergangenheit in die Gegenwart und noch dazu nähern sich erzählte Zeit und Erzählzeit einander an, Eschers Geschehen hingegen ist die ganze Zeit auf einer gegenwärtigen Ebene verankert und umfasst wenige Tage. Teilweise wird zum Ende hin eher zeitdeckend erzählt, was v.a. an der Dialoghaftigkeit liegt. Und noch etwas: Beide Handlungsstränge laufen am Ende des Buchs aufeinander zu. Kurzum: Haas hat sich in erzähltechnischer Hinsicht ordentlich ins Zeug gelegt und sich viele Gedanken zum Arrangement gemacht (hat mich übrigens an die Kurzgeschichte "Die Klavierstunde" von Wohmann erinnert). Es ließen sich noch weitere Beobachtungen anführen. Kritiker mögen aber bemängeln, dass das Buch künstlerisch überformt ist. Auch hierüber kann man trefflich diskutieren…


Die Handlung des Buchs selbst fand ich selbst nicht sonderlich ereignisreich, aufregend und spannend. Auf mich hat v.a. das erzählerische Arrangement Faszination ausgeübt. Wie beschrieben, lässt sich in erzähltheoretischer Hinsicht einiges aus dem Buch herausholen. Ich wollte v.a. das von Wolf Haas erdachte Konstrukt gedanklich durchdringen, ähnlich wie Escher sein Puzzle löst. Zudem fand ich die Figur des Franz Escher kurios gestaltet. Auch diese hat mich interessiert. Das, was um Marko Steiner herum passiert, hat mich (leider) nicht stark mitgerissen. Was mich auch etwas im Lesefluss gestört hat und Konzentration erforderte, war der Umstand, dass die beiden Geschichten einander sehr abrupt abwechseln. Leider gab es kein Stopp- oder Übergangssignal (z.B. in Form eines Absatzes). Schade!

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