Ausgeklügeltes erzählerisches Arrangement
Beide Handlungen werden im
Folgenden miteinander verwoben und entwickeln sich jeweils weiter. V.a. in der
Handlung um Escher ereignen sich viele skurrile Szenen, die oft humorvoll-grotesk
wirken. Er wirkt oft vollkommen deplatziert, agiert hilflos und teils
situationsunangemessen. Immer wenn er ein Buch in die Hand nimmt, erfahren wir
etwas aus dem Leben des Kronzeugen. Mich hat v.a. interessiert, worauf das
Ganze hinausläuft. Diese Frage hat mich in erster Linie weiterlesen lassen.
V.a. in erzähltheoretischer
Hinsicht ist der Roman von Wolf Haas interessant gestaltet. Fraglich ist z.B.,
ob die beiden Geschichten gleichberechtigt sind oder ob die Geschichte um Marko
Steiner nicht eingebettet ist. Darüber könnte man trefflich streiten. In meinen
Augen nimmt die Handlung um Escher mehr Raum ein und dominiert das Geschehen.
Noch dazu hat sie auf mich auch viel mehr Faszination und Sogwirkung entfaltet.
Deshalb würde ich nicht von gleichberechtigten Geschichten sprechen. Aber man
möge mir gern widersprechen. Auch fällt auf, dass beide Ebenen zu Beginn noch
nicht stark aufeinander Bezug nehmen, erst ab einem gewissen Punkt, der durch die
Kapitelüberschrift „On“ gekennzeichnet wird, nimmt der Grad an Verknüpfung
zwischen den Handlungsebenen zu. Auf einmal tauchen inhaltliche Elemente der
einen Geschichte in der anderen auf. Das ist schon ausgeklügelt arrangiert
worden. Und die Parallelen und Kontraste, die man findet, sind gar nicht mal so
offensichtlich und erfordern einen scharfen analytischen Blick. Ziemlich
herausfordernd, diese Suche nach Verbindungen. Der Aspekt
der erzählten Zeit und der Erzählzeit ist ebenfalls eine genauere Betrachtung wert:
Während es in der Geschichte um Marko Steiner z.B. große Zeitsprünge gibt
(mehrere Jahre), wird in der Geschichte um Escher auf so etwas verzichtet. Das,
was zu Steiner erzählt wird, verläuft von der Vergangenheit in die Gegenwart
und noch dazu nähern sich erzählte Zeit und Erzählzeit einander an, Eschers
Geschehen hingegen ist die ganze Zeit auf einer gegenwärtigen Ebene verankert
und umfasst wenige Tage. Teilweise wird zum Ende hin eher zeitdeckend erzählt,
was v.a. an der Dialoghaftigkeit liegt. Und noch etwas: Beide Handlungsstränge
laufen am Ende des Buchs aufeinander zu. Kurzum: Haas hat sich in
erzähltechnischer Hinsicht ordentlich ins Zeug gelegt und sich viele Gedanken
zum Arrangement gemacht (hat mich übrigens an die Kurzgeschichte "Die Klavierstunde" von Wohmann erinnert). Es ließen sich noch weitere Beobachtungen anführen. Kritiker mögen aber bemängeln, dass das Buch
künstlerisch überformt ist. Auch hierüber kann man trefflich diskutieren…
Die Handlung des Buchs selbst fand
ich selbst nicht sonderlich ereignisreich, aufregend und spannend. Auf mich hat
v.a. das erzählerische Arrangement Faszination ausgeübt. Wie beschrieben, lässt sich in erzähltheoretischer
Hinsicht einiges aus dem Buch herausholen. Ich wollte v.a. das von Wolf
Haas erdachte Konstrukt gedanklich durchdringen, ähnlich wie Escher sein Puzzle
löst. Zudem fand ich die Figur des Franz Escher kurios gestaltet. Auch diese
hat mich interessiert. Das, was um Marko Steiner herum passiert, hat mich (leider)
nicht stark mitgerissen. Was mich auch etwas im Lesefluss gestört hat und Konzentration
erforderte, war der Umstand, dass die beiden Geschichten einander sehr abrupt
abwechseln. Leider gab es kein Stopp- oder Übergangssignal (z.B. in Form eines Absatzes). Schade!
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