Feinsinnig und humorvoll
Ein
Ich-Erzähler (Name: Eduard Brünhofer) sitzt im Zug einer Frau (Name: Catrin) schräg
gegenüber und versucht krampfhaft einem Gespräch aus dem Weg zu gehen. Doch
nach kurzer Zeit kommt es zu einem Dialog zwischen den beiden, weil die
Mitreisende den Erzähler mit ihrem ehemaligen Englischlehrer verwechselt. Die
Situation wird von Eduard als höchst unangenehm empfunden. Er möchte
Geschäftigkeit vortäuschen, um dem Small-Talk aus dem Weg zu gehen (wer kennt
das nicht?). Zeitweise überlegt er sogar ernsthaft, den Zug zu verlassen und
einen anderen Zug nach München zu nehmen. Gleichzeitig ist er ein wenig
gekränkt, dass die Frau, die er für eine potentielle Leserin seiner Bücher
hält, ihn nicht als populären Schriftsteller erkennt. Mit ein wenig
Hilfestellung gelingt es ihm aber, seine Gesprächspartnerin auf die richtige
Fährte zu führen. Was für ein missglückter Start in die Konversation (zumindest
aus Eduards Sicht)!
Eduard
ist spitzfindig in seiner Wortwahl und schlagfertig (v.a. gedanklich), er wägt genau
ab, wie er etwas formuliert (wohl ein echter Schriftsteller :-) Zudem fällt
auf, dass er ein guter Beobachter und Zuhörer ist. Gleichzeitig richtet er fortlaufend
auch immer wieder kritische Nachfragen an seine Gesprächspartnerin. Es ist ihm
wichtig, dass sie sich präzise ausdrückt. Durch Eduards Gedankenwelt erfahren
wir, welche Fragen zu seinem Beruf ihn besonders nerven. Doch die Mitreisende richtet
unbekümmert allerlei nervige Erkundigungen zu seinem Schaffen als Autor und zum
Literaturbetrieb an Eduard. Und Eduards Antworten fallen dabei herrlich
strukturiert und kenntnisreich aus.
Catrin
bleibt hartnäckig und stellt zahlreiche Nachforschungen an. Dabei fällt auf,
dass die Fragen, die sie an ihn richtet, sehr scharfsinnig sind. Sie ist
aufrichtig an ihm und an dem, was er zu erzählen hat, interessiert. Und mit der
Zeit wird das Gespräch immer persönlicher und offenherziger, beide nähern sich
an. Eduard wird richtig redselig. Und in den Gesprächspausen hängt er seinen
Gedanken nach, in die nur wir als Leser eintauchen. Catrin hingegen wird immer
mutiger (und indiskreter), was ihre Fragen betrifft. Irgendwann fragt sie ihn
unverhohlen nach seiner Beziehung zu seiner Ehefrau aus. Kurzum: Eine interessante
Entwicklung, die die beiden durchlaufen. Und die Handlung wird durch die Frage
vorangetrieben, wohin das Ganze führen wird. Ich war neugierig zu erfahren, was
aus den beiden wird. Oder herrscht die Offenheit zwischen beiden nur vor, weil
sie wissen, dass sie sich vermutlich nie wieder sehen?
Das
Buch ist insgesamt wieder sehr feinsinnig gestaltet (wie man es von Glattauer
kennt), mit einem ausprägt-analytischen Blick für das Kommunikative (wie schon
erwähnt). Der Dialog zwischen Catrin und Eduard ist kunst- und humorvoll sowie
pointiert arrangiert worden, er wirkt äußerst lebendig und unmittelbar. Die Schilderung
von Nonverbalem rundet das Ganze weiter ab. Der Charakter und die Stimmung
sowie die Beziehung beider Figuren kommt gut zum Ausdruck. Durch die
Indiskretion von Catrin fragt man sich als Leser irgendwann, was ihre Absicht
ist und was sie im Schilde führt. Irgendwann war ich sogar etwas empört über
das Verhalten von Catrin und habe ihr kommunikatives Verhalten als anstrengend
empfunden. Ich habe mich irgendwann gefragt, ob sie gar Spaß daran hat, Eduard
in Verlegenheit zu bringen. Mit anderen Worten: Man ist emotional involviert,
wenn man den Inhalt liest. Klasse! Ein Satz noch zum Ende (ohne zu sehr zu
spoilern): Es ist überraschend. Ich habe es nicht kommen sehen. Und ich fand
sehr schade, wie das Buch endet. Trotzdem gibt es von mir volle 5 Sterne!
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