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Donnerstag, 30. Januar 2025

Olsberg, Karl - Boy in a dead end


Ewiges Leben in einer Computersimulation?



Zu Beginn sind wir dabei, wie sich der 13-jährige Manuel zusammen mit anderen Mitspielern bei einem Computerspiel ins Kampfgetümmel stürzt. Als er die virtuelle Realität verlässt, ist er wieder in seinem Zimmer und auf Hilfe eines Pflegeroboters in Form eines digitalen Stuhls angewiesen. Seine Mobilität ist aufgrund einer Erkrankung (ALS) stark eingeschränkt. Sie ist unheilbar und betrifft sein Nervensystem. Manuel weiß, dass er bald dem Tod entgegenblicken wird. Er hat nicht mehr viel Zeit. Die virtuelle Spielewelt ist also eine Möglichkeit für ihn, um aus seiner Wirklichkeit auszubrechen und die Sorgen zu vergessen, die ihn umtreiben.

 

In einer weiteren Perspektive lernen wir Julia, die Schwester von Manuel, kennen. Ungeachtet von Manuels Krankheit necken sich beide und gehen weitestgehend normal miteinander um. Sie nimmt keine übertriebene Rücksicht auf ihn, und genau das gefällt Manuel. Gleichzeitig wird aber spürbar, dass sie sich große Sorgen um ihren Bruder macht (was sie ihm gegenüber aber nicht zeigt). Auch zeichnet sie sich durch einen besonderen Beschützerinstinkt aus. Des Weiteren werden punktuell auch die Eltern immer mal wieder erwähnt und es wird deutlich, dass diese große Ängste ausstehen und einen beschwerlichen Alltag zu bewältigen haben.

 

Inmitten dieser Situation keimt plötzlich ein Funke neuer Hoffnung auf. Eine neuartige Technologie könnte es Manuel ermöglichen, seinen Geist in eine Maschine zu transferieren. Die Prozedur birgt aber auch ein Risiko: Das Gehirn würde beim Scanvorgang zerstört. Wird sich Manuel dennoch dazu entscheiden? Und welche Konsequenzen hätte das? Wird das Verfahren glücken? Und wie mag es Manuel im Anschluss daran gehen? In diesem Zusammenhang werden auch höchst philosophische Fragen nach dem Menschsein thematisiert. Was macht einen Menschen aus? Ist es gar ein Akt der Befreiung und des Fortschritts, sich von seinem menschlichen Körper zu befreien? Wie wird es sich auf den Menschen auswirken, in einer simulierten Realität zu existeren? Weitere Fragen, die sich stellen: Ist man nach dem Scan wirklich derselbe wie vorher? Wie frei ist man noch in einer Simulation?

 

Im Gespräch mit den Eltern werden Pro- und Kontra-Argumente ausgetauscht, die für oder gegen eine Teilnahme an dem Verfahren sprechen. Dabei finden z.B. auch religiöse Argumente Erwähnung, aber auch die Neurologie und Philosophie kommen zu Wort. Wer überlegt, dieses Buch im Unterricht einzusetzen, könnte also wunderbar das Argumentieren trainieren. Auch das Thema virtuelle Realität und Computerspiele kommt an einigen Stellen vor und bietet inhaltliche Anknüpfungspunkte. So wirkt die VR täuschend echt und man kann sie nicht mehr von der Wirklichkeit unterscheiden (ein möglicher Blick in die nahe Zukunft?). Sogar die rechtliche Seite des Scanverfahrens wird an einer Stelle kurz gestreift: Welche Rechte hätte die digitale Version von Manuel? Hätte sie die gleichen Rechte wie ein Mensch? Und nicht zuletzt wird religiöser Fanatismus verdeutlicht. Kurzum: Das Werk gibt inhaltlich sehr, sehr viel her!

 

Das Buch weist auch schöne Wendungen auf, die das Geschehen in eine andere Richtung lenken. Für Abwechslung beim Lesen ist also gesorgt, es dürfte nicht langweilig werden. Und noch etwas: Ich persönlich finde interessant, dass eigentlich nur Menschen mit einem intakten Gehirn an einem solchen Scanvorgang teilnehmen könnten (im Buch wird dieses Problem aber nicht thematisiert). Was ist mit denjenigen, deren Gehirn aufgrund einer Erkrankung ein degeneriertes Organ aufweisen (z.B. durch Alzheimer oder Demenz)? Für sie wäre der Transfer ihres Geistes in eine Maschine wohl keine gute Idee…


Der dritte Teil kann unabhängig von den anderen beiden Bänden gelesen werden und ist in sich abgeschlossen (wie auch Band 1 und 2), man benötigt keinerlei Vorkenntnisse. Inhaltlich wird aber dennoch elegant ein Bogen zu den vorherigen Büchern geschlagen (die man dann nur versteht, wenn man diese kennt). Insgesamt handelt es sich in meinen Augen um eine tolle Jugendbuch-Reihe, bei der alle drei Teile eine gleichbleibend hohe inhaltliche Qualität aufweisen und die zahlreiche Anknüpfungspunkte für Diskussionen und eigene Positionierungen bietet. Das finde ich sehr gelungen. Ein Einsatz im Unterricht wäre ohne Weiteres möglich. Von mir gibt es 5 Sterne!

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