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Montag, 12. August 2024

Bronsky, Alina - Pi mal Daumen


Amüsant und ernsthaft




Von Alina Bronsky habe ich mit Ausnahme eines Buchs all ihre Werke gelesen und rezensiert (vgl. dazu meine früheren Rezensionen). Wie schlägt sich nun „Pi mal Daumen“ im Vergleich? Kann das Buch z.B. mit „Barbara stirbt nicht“ und „Baba Dunjas letzte Liebe“ mithalten? Das will ich weiter unten gern beantworten.

Oscar und Moni bilden ein herrlich schräges, ungleiches Paar. Sie lernen sich in einer Mathematik-Vorlesung kennen und finden sich zunächst gezwungenermaßen als Zweier-Lerngruppe zusammen. Der hochbegabte Oscar wirkt sehr von sich überzeugt und eingenommen, arbeitet am liebsten allein. Und Moni hat das Studium im fortgeschrittenen Alter von 53 Jahren aufgenommen, steht mit beiden Beinen im Leben und hat Kinder und Enkelkinder zu versorgen. Gleichzeitig kümmert sie sich um Oscar wie um ihren eigenen Sohn, während Oscar es an sozialen Kompetenzen vermissen lässt (der Charakter hat mich ein wenig an Sheldon Cooper aus „The big bang theory“ erinnert).

 

Oscar ist v.a. daran interessiert, sein Studium erfolgreich zu meistern, hat aber keine Selbstzweifel, dass er die ihm gestellten Leistungshürden überwinden wird. Er hat einen klaren Plan vor Augen und ist es gewohnt, erfolgreich zu sein. Doch schnell stellt er fest, dass das in der Schule vermittelte Wissen nicht ausreicht, um dem Stoff problemlos folgen zu können. Letztlich ein schöner Seitenhieb auf die stark selektiven Universitäts-Strukturen, die auf fordern statt fördern setzen. Auch die soziale Ungleichheit im (universitären) Bildungssystem wird am Beispiel von Monis Lebensbedingungen angeprangert.

 

Erstaunlicherweise übt Moni auf Oscar eine große Faszination aus und er hilft ihr, wo er kann und unterstützt sie beim Lernen. Kurzum: Er hat einen guten Kern. Es ist ihm positiv anzurechnen, dass es ihm immerhin auffällt, dass Moni es nicht leicht im Studium hat. Anders als Oscar ist Moni aber viel weniger bereit, die widrigen Umstände des Studiums zu akzeptieren. Sie hinterfragt deutlich mehr, was z.B. die Defizite in der Lehre betrifft. An Lebenserfahrung hat sie ihm einiges voraus. Was in meinen Augen ebenfalls gut zum Ausdruck kommt, ist der professorale Habitus, der den Gelehrten anhaftet und an vielen Stellen auf die Schippe genommen wird. Und noch etwas hat mir gut gefallen: Beide Figuren durchlaufen eine interessante Entwicklung. Oscar wird etwas sozialverträglicher und Moni entwickelt sich immer mehr zu einer stattlichen Mathematikerin. Sie nähern sich in gewisser Weise einander an. Doch wird Moni es schaffen, einen Abschluss zu erhalten und erfolgreich zu sein?


Die Figuren sind herrlich skurril angelegt und mit launigen Attributen ausgestattet. Bronskys typisch schwarzer Humor blitzt wieder auf, den man aus vielen ihren vergangenen Büchern nur allzu gut kennt und den ich grundsätzlich mag (sofern die Autorin nicht wie bei „Der Zopf meiner Großmutter“ über das Ziel hinausschießt und die Grenze des guten Geschmacks zu sehr verletzt). Im weiteren Handlungsverlauf wird der Erzählton nach meinem Empfinden immer ernster und die Heiterkeit tritt stärker zurück. So wird der Kritik am Bildungssystem in meinen Augen auch passend mehr Gewicht verliehen. Prima! Erzählerisch knüpft Bronsky vom Stil wieder stärker an solche Werke wie „Barbara stirbt nicht“ und „Baba Dunjas letzte Liebe“ an. Die Autorin ist ja in der Lage zwischen verschiedenen Stilarten zu „switchen“ (das hat sie mit ihren Büchern „Schallplattensommer“, „Scherbenpark“ oder  „Das Geschenk“ bewiesen). Von mir gibt es 5 Sterne! Ein rundum gelungenes Werk!

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