„Es werde Licht“
Der Aufenthalt auf der Raumstation
erfüllt die Astronauten mit Glückseligkeit, doch gleichzeitig sind sie nicht
für diese lebensfeindliche Umwelt gemacht. Täglich müssen sie viel Sport
treiben, um dem Muskelschwund zu begegnen, der durch die Schwerelosigkeit
verursacht wird. Und auch die Wahrnehmung von Raum verändert sich dort oben.
Die Welt erscheint als Ganzes, sie wird holistisch wahrgenommen. Länder rasen
vorbei. Und von den Spuren des Lebens auf der Erde sieht man nur etwas im Dunkeln
der Nacht, wenn sich die Menschen durch Beleuchtung verraten. Im Hinterkopf auch
stets die Frage, ob wir allein im Universum sind und was der eigentliche Zweck
der Raumfahrt ist.
Der Tagesablauf auf der
Raumstation wird beschrieben. Er ist eng getaktet, unterbrochen nur von Kontaktaufnahmen
zu Angehörigen auf der Erde und den Mahlzeiten, und die Astronauten sind ständig
eingebunden in Aufgaben. Wissenschaftliche Untersuchungen und meteorologische
Beobachtungen müssen durchgeführt werden. U.a. wird die Erde spektrografisch
vermessen. Und herausfordernd ist auch das Fehlen von Privatsphäre. Ständiges
Zusammensein mit anderen, wenig Rückzugsmöglichkeiten, beschränkt auf einen kleinen
Raum. Ein Leben mit vielen Entbehrungen. Sehnsucht nach den Liebsten auf der
Erde und unter ständiger Kontrolle und Beobachtung. Der psychologische Druck
ist hoch.
Was mir an diesem Buch
außerordentlich gut gefallen hat, ist, dass man sich an das Leben auf der
Raumstation einfühlen kann. Und die Autorin schafft es hervorragend, die
verschiedenartigen Lichteffekte, die von der Erdoberfläche ausgehen, und das
kosmische Farbenspiel in Worte zu fassen und zu beschreiben. Es ist beachtlich,
wie kreativ und gelungen die Formulierungen sind, um das visuelle Erleben
einzufangen. Interessant ist auch, dass die fiktive Handlung des Buchs wenige
Jahre in der Zukunft verortet ist. Es ist die Rede von der ersten Astronautin
auf dem Weg zum Mond (ein Vorgriff auf die kommende Artemis-Mission).
Der Erzählton dieses Buchs ist
ruhig, auf Handlungsebene passiert nicht viel. Im Zentrum stehen v.a. die
Schilderungen des Lebens an Bord der Station sowie die Beschreibung der
Wahrnehmung der Astronauten. Faszination übt z.B. auch das Schauspiel des Wetters
auf der Erde aus. Es wird wenig geredet. Trotzdem gibt es zwischendurch immer wieder
einige Highlights, so z.B. die Darstellung des Erlebens eines
Außenbordeinsatzes oder ein kurzer Abriss der kosmischen Evolution: „Im
kosmischen Kalender des Universums und des Lebens, demzufolge der Urknall am 1.
Januar vor fast vierzehn Milliarden Jahren stattfand (…) wurden die ersten Galaxien
gegen Ende Januar geboren (…) am 14. September vor vier Milliarden Jahren (das
meinen zumindest einige) bildete sich dann eine Art Leben auf der Erde (…) Der
erste Weihnachtstag (…) da betraten die Dinosaurier für ihre fünf Tage Ruhm die
Bühne. (…) Sechs Sekunden vor Mitternacht kam Buddha (…) In der letzten Sekunde
des kosmischen Jahres folgen die Industrialisierung, Faschismus, der Verbrennungsmotor
(…)“ (S. 182-185).
Das Buch ist für solche
Leserinnen und Leser geeignet, die sich in das innere Erleben von Astronauten
auf einer Raumstation hineinversetzen wollen und sich dabei auf poetische
Sprache einlassen können. Es gibt keine spannungserregenden Impulse oder einen
roten Faden. Die Beschreibungen zeichnen sich durch Handlungsarmut aus. Daran
sollte man sich nicht stören. Mir persönlich hat das Buch sehr gut gefallen,
weil man sich, wie schon oben erwähnt, gut in das Leben an Bord der Station einfühlen
konnte.
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