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Mittwoch, 5. März 2025

Harvey, Samantha - Umlaufbahnen


„Es werde Licht“



Wir befinden uns in der faszinierenden Gedankenwelt von Astronauten, die von oben auf die Erde blicken und eine völlig veränderte Zeitwahrnehmung erfahren, weil sie einen anderen kosmischen Rhythmus erleben. An einem Arbeitstag im All geht die Sonne 16-mal auf und unter. Gleichzeitig wird deutlich, wie verletzlich und zerbrechlich die Erde ist. Inmitten des unendlichen Nichts eine Kugel voll von Leben, winzig und schutzlos den Kräften des Alls ausgeliefert.


Der Aufenthalt auf der Raumstation erfüllt die Astronauten mit Glückseligkeit, doch gleichzeitig sind sie nicht für diese lebensfeindliche Umwelt gemacht. Täglich müssen sie viel Sport treiben, um dem Muskelschwund zu begegnen, der durch die Schwerelosigkeit verursacht wird. Und auch die Wahrnehmung von Raum verändert sich dort oben. Die Welt erscheint als Ganzes, sie wird holistisch wahrgenommen. Länder rasen vorbei. Und von den Spuren des Lebens auf der Erde sieht man nur etwas im Dunkeln der Nacht, wenn sich die Menschen durch Beleuchtung verraten. Im Hinterkopf auch stets die Frage, ob wir allein im Universum sind und was der eigentliche Zweck der Raumfahrt ist.  


Der Tagesablauf auf der Raumstation wird beschrieben. Er ist eng getaktet, unterbrochen nur von Kontaktaufnahmen zu Angehörigen auf der Erde und den Mahlzeiten, und die Astronauten sind ständig eingebunden in Aufgaben. Wissenschaftliche Untersuchungen und meteorologische Beobachtungen müssen durchgeführt werden. U.a. wird die Erde spektrografisch vermessen. Und herausfordernd ist auch das Fehlen von Privatsphäre. Ständiges Zusammensein mit anderen, wenig Rückzugsmöglichkeiten, beschränkt auf einen kleinen Raum. Ein Leben mit vielen Entbehrungen. Sehnsucht nach den Liebsten auf der Erde und unter ständiger Kontrolle und Beobachtung. Der psychologische Druck ist hoch.


Was mir an diesem Buch außerordentlich gut gefallen hat, ist, dass man sich an das Leben auf der Raumstation einfühlen kann. Und die Autorin schafft es hervorragend, die verschiedenartigen Lichteffekte, die von der Erdoberfläche ausgehen, und das kosmische Farbenspiel in Worte zu fassen und zu beschreiben. Es ist beachtlich, wie kreativ und gelungen die Formulierungen sind, um das visuelle Erleben einzufangen. Interessant ist auch, dass die fiktive Handlung des Buchs wenige Jahre in der Zukunft verortet ist. Es ist die Rede von der ersten Astronautin auf dem Weg zum Mond (ein Vorgriff auf die kommende Artemis-Mission).


Der Erzählton dieses Buchs ist ruhig, auf Handlungsebene passiert nicht viel. Im Zentrum stehen v.a. die Schilderungen des Lebens an Bord der Station sowie die Beschreibung der Wahrnehmung der Astronauten. Faszination übt z.B. auch das Schauspiel des Wetters auf der Erde aus. Es wird wenig geredet. Trotzdem gibt es zwischendurch immer wieder einige Highlights, so z.B. die Darstellung des Erlebens eines Außenbordeinsatzes oder ein kurzer Abriss der kosmischen Evolution: „Im kosmischen Kalender des Universums und des Lebens, demzufolge der Urknall am 1. Januar vor fast vierzehn Milliarden Jahren stattfand (…) wurden die ersten Galaxien gegen Ende Januar geboren (…) am 14. September vor vier Milliarden Jahren (das meinen zumindest einige) bildete sich dann eine Art Leben auf der Erde (…) Der erste Weihnachtstag (…) da betraten die Dinosaurier für ihre fünf Tage Ruhm die Bühne. (…) Sechs Sekunden vor Mitternacht kam Buddha (…) In der letzten Sekunde des kosmischen Jahres folgen die Industrialisierung, Faschismus, der Verbrennungsmotor (…)“ (S. 182-185).


Das Buch ist für solche Leserinnen und Leser geeignet, die sich in das innere Erleben von Astronauten auf einer Raumstation hineinversetzen wollen und sich dabei auf poetische Sprache einlassen können. Es gibt keine spannungserregenden Impulse oder einen roten Faden. Die Beschreibungen zeichnen sich durch Handlungsarmut aus. Daran sollte man sich nicht stören. Mir persönlich hat das Buch sehr gut gefallen, weil man sich, wie schon oben erwähnt, gut in das Leben an Bord der Station einfühlen konnte.

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