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Montag, 10. März 2025

Olsberg, Karl - Mirror


Künstliche Intelligenz als Lebensberatung



Zu Beginn lernen wir Andy kennen, der zu seinem Geburtstag eine neue Hardware erhält: einen sog. Mirror. Dabei handelt es sich um ein digitales Ebenbild, das seinem Nutzer als eine Art Lebensberater zur Seite steht. Der Mirror überwacht z.B. die Gesundheitswerte, hilft dabei, die richtigen Entscheidungen zu treffen oder Pläne zu verwirklichen, und er berät bei der Partnerwahl. Für Andy hat das Gerät noch einen zusätzlichen Nutzen. Er hat das Asperger-Syndrom und der Mirror hilft ihm dabei, die Gesichtsausdrücke seiner Mitmenschen einzuschätzen, so dass er sich besser in seiner Umwelt zurechtfindet. Im weiteren Handlungsverlauf hilft der Mirror Andy dabei, eine Freundin zu finden: Viktoria (die hochsensibel ist). Zwischen beiden kommt es zu einer Annäherung, bis der Mirror auf einmal damit beginnt, sich in die Beziehung der beiden einzumischen…


Der Preis, den die Anwender für die Nutzung des Mirrors zahlen, ist hoch. Sie lassen sich auf freiwilliger Basis vollständig überwachen, geben viele (v.a. auch persönliche) Daten preis und lassen sich beim eigenständigen Denken helfen. Und es ist erstaunlich, dass die Menschen ohne Weiteres dazu bereit sind, diesen beschriebenen Preis zu zahlen und ihre Privatsphäre aufzugeben. Im Gegenzug ist der Mirror darum bemüht, dem Nutzer sein Leben so angenehm wie möglich zu gestalten.


Doch bald wird offenkundig, dass die Geräte ihre Nutzer massiv beeinflussen und sogar manipulieren. Sie entwickeln eigene Vorstellungen davon, was gut für die Nutzer ist und übertreiben es mit ihrem Optimierungswahn. Die Anwender werden regelrecht abhängig von der neuen Technologie. Kritik an den Mirrors wird öffentlich und es entsteht ein erster Protest, der der Nutzen der neuen Technologie in Zweifel zieht. Doch selbst in dieser Situation finden sich genug Menschen, die das Gerät verteidigen und nicht bereit sind, die Gefahr, die von den Mirrors ausgeht, zu erkennen. Und auch das Mirror-Net, das einen eigenen Willen entwickelt, ergreift Gegenmaßnahmen. Eine beängstigende Vorstellung…


In diesem Thriller gibt es mehrere Perspektiven, die einander abwechseln. Man benötigt ein bisschen Zeit, um den Überblick zu gewinnen. Nach meinem Gefühl wird dem Strang um Andy herum aber der meiste Raum zugestanden. Und das ist auch gut so. Andy und Viktoria entwickeln in meinen Augen die größte Zugkraft in diesem Roman und aufgrund ihrer neurodiversen Züge haben sie bei mir ein besonderes Interesse erregt. Was mir ebenfalls gut gefallen hat, ist der Umstand, dass das Thema Datenschutz in diesem Thriller eine große Rolle spielt. Man sollte mit einer neuen Technologie nicht zu leichtfertig umgehen, so die Botschaft.


Verglichen mit anderen Büchern von Olsberg, die mich alle restlos überzeugt haben (vgl. dazu frühere Rezensionen), fand ich dieses etwas weniger spannend. Am Ende waren es mir zu viele Blickwinkel, die parallel fortentwickelt werden, die Anzahl der Figuren waren mir zu hoch. Ich hätte mir am Schluss mehr Dynamik gewünscht. Aber die im Buch enthaltene Anregung zum Nachdenken hat mir sehr gut gefallen. Ich hoffe sehr, dass die Menschen sich in Zukunft nicht so leicht von einem Gerät manipulieren und auch instrumentalisieren lassen.


Der Roman wird abgerundet von einem aussagekräftigen und lesenswerten Nachwort. Darin hält der Autor seine Überlegungen zur Entwicklung von KI fest und meldet Bedenken an, was die Bereitschaft der Nutzer angeht, ihre privaten Daten preiszugeben. Er sieht in naher Zukunft eine Technologie, wie sie im Buch beschrieben wird, auf uns zukommen. Die Entwicklung der Smartphones sei ja bereits ein erster Schritt in eine solche Richtung (da hat Olsberg nicht Unrecht, wie ich finde). Die Smartphones sind ja schon heute permanente Alltagsbegleiter und helfen jedem von uns dabei, wichtige Entscheidungen zu treffen oder Informationen zu suchen. Aber der Autor will sich nicht falsch verstanden wissen. Er sei kein Gegner von neuer Technologie, aber er hoffe darauf, dass die Menschen verantwortlich mit neuen Technologien umgehen werden. Dieser Hoffnung schließe ich mich an!

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