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Donnerstag, 27. April 2023

Schneider, Stephanie - Grimm und Möhrchen machen Pause von zu Hause


5 von 5 Sternen



Grießbreiwarme und zeselaugensüße Geschichte


Schon die ersten beiden Bände „Grimm und Möhrchen“ von Stephanie Schneider haben uns richtig gut gefallen und meinen Kindern schöne Stunden beschert. Da war klar, dass wir auch Band 3 lesen wollen, der nun frisch im DTV-Verlag erschienen ist (Stand: April 2023). Inzwischen ist Band 1 sogar mit dem Deutschen Kinderbuchpreis ausgezeichnet worden (herzlichen Glückwunsch!). Kurzum: Eine Reihe, die sich lohnt und die ich allen Eltern wärmstens empfehlen kann.

 

In meinen Augen hat kaum ein anderes Kinderbuch einen so warmherzigen Erzählton wie „Grimm und Mörchen“. Es breitet sich sofort eine wohlig-warme Stimmung aus, wenn man dieses Buch liest. Das ist einfach großartig und eine absolute Stärke dieses Werks. Die Beziehung zwischen dem Buchhändler und seinem Zesel ist sehr harmonisch gestaltet worden. Beide können als positives Beispiel für einen freundlichen Umgang miteinander dienen. Und beiläufig werden auch Strategien im Umgang mit negativen Gedanken und mit Traurigkeit thematisiert. Auch die Liebe zu Büchern kommt gut zum Ausdruck.

 

Und Band 3 wartet mit einem schönen Bonus auf: nämlich mit einem Urlaubslied, das man sich per QR-Code anhören kann. Den Text dazu findet man im Buchdeckel, so dass man es auch mitsingen kann. Eine tolle Idee! Und das Lied sorgt für Abwechslung, es taucht immer einmal wieder im Text auf und wird in die Handlung integriert. Klasse (und in Zukunft gern mehr davon)!

 

Der Alltag und die Fahrt im Reisebus werden so beschrieben, dass sich wohl jedes Kind auch darin wiederfinden kann (z.B. gemeinsames Versteckspielen, Verzehr von Proviant, Toilettenpausen, das Schreiben von Postkarten etc.). Auch das ist lobenswert. Und was ich ebenfalls noch loben möchte: die Sprachgestaltung. Diese ist in meinen Augen äußerst kreativ. Die Autorin hat sich schöne Wortschöpfungen und einfallsreiche Sprachbilder überlegt (z.B. ausgefallene, bildhafte Adjektive wie „kühlschrankkalt“, „blaubeerblau“, „pflaumenblau“, „kaugummigrün“, „einkaufstaschenschweres Seufzen“, „ein Sternenteppich mit frisch verschütteten Lichtern“ etc.), auch gibt es hin und wieder mal eine ausgefallene Wortspielerei (z.B. im Zusammenhang mit dem Verb „müssen“) sowie Reime. Besonders schön fand ich dieses Mal (letztes Mal war es das schwarz-weiße „Zesel-Lesebändchen“): die Verquickung von Realität und Fiktion an einer ganz bestimmten Stelle im Buch (ich will nicht zu viel verraten).

 

Fazit

Band 3 ist in unseren Augen genauso gut wie Band 1 + 2, nur eben ganz, ganz anders (Achtung, Anspielung). Das Buch besticht durch einen warmherzigen Erzählton, ein harmonisch gestaltetes Beziehungsverhältnis zwischen Grimm und Möhrchen, ein Lied als Bonus und dadurch, dass die Sprachgestaltung originell ist. Auch die Illustrationen von Stefanie Scharnberg sind zauberhaft und textunterstützend gestaltet. Ich habe nichts an dem Buch auszusetzen (meine Kinder auch nicht). Es gibt 5 Sterne!

Dienstag, 25. April 2023

Elsberg, Marc - Celsius



2 von 5 Sternen



Fragwürdige Schwerpunktsetzung, überfrachtet und verworren


Eigentlich reichen zwei Wörter aus, um das neue Werk „Celsius“ von Marc Elsberg zu beschreiben: Überfrachtet und verworren. Und wenn ich andere Rezensionen so lese, die nicht hellauf begeistert waren, so ist dieser Aspekt immer wieder bemängelt worden. Und jetzt stellen Sie sich vor, dass Sie das Ganze als Hörbuch hören, so wie ich es getan habe. Ich konnte dem Inhalt kaum folgen, zu viele Figuren, zu viele Handlungsschauplätze, zu rasche Szenenwechsel, ein schwer zu erkennender roter Faden. Und dann auch noch eine unklare Abgrenzung zwischen Erzählung und erzählter Erzählung. Denn an einer Stelle wird eine Binnenerzählung integriert, von der man aber erst später erfährt, dass es sich um eine andere Erzählebene handelt. Absolut verwirrend! Vor allem als Hörbuch!

 

Zu Beginn hatte ich dieses Gefühl von Überfrachtung jedoch noch nicht. Der Start in die Handlung ist in Ordnung. Man ist sofort mittendrin in der Handlung und stellt sich zu Beginn einige interessante Fragen: Handelt es sich bei den unbekannten Flugobjekten um Drohnen, die Taiwan angreifen? Wird die USA eskalieren? Kommt es zu einem Zusammenstoß zwischen China und den USA? Was hat China vor? Was hat es mit den UFOs auf sich? Und zu Beginn behält man noch gut den Überblick über die Handlung und über die Figuren. Aber mit zunehmendem Handlungsverlauf wird es dann zunehmend undurchsichtiger. Schade, schade!

 

Was ich wiederum ganz interessant fand, waren die Fakten zum Weltklima und zum CO2- Ausstoß. Der Roman macht einen gut recherchierten Eindruck und die Bedeutung des Klimawandels ist ja ein hochaktuelles Thema. Das ist ebenfalls lobenswert! Ebenfalls ist der Einbezug der Technologie des Geoengineerings spannend und bietet Potential zur Eigenrecherche und zum Dazulernen. Besonders lesenswert fand ich die Pressekonferenzen und die Vorträge von Forschern. Ebenso reizvoll fand ich die Ausführungen darüber, welche Folgen die von China ergriffenen Klimaschutz-Maßnahmen nach sich ziehen (leider wiederholt sich Vieles aber auch) und welche Reaktionen die Weltgemeinschaft zeigt, wenn China die Führungsrolle beansprucht. Wie werden sich andere Länder positionieren? Das sind ganz klar die Stärken des Buchs.

 

Leider kann der Roman sein Spannungsniveau aber nicht halten und er verliert mit zunehmendem Handlungsverlauf an Qualität, was an der schon erwähnten Überfrachtung liegt (s.o.) und an vielen unnötigen Wiederholungen (auch Fakten rund um den Klimawandel kommen immer wieder vor). Auch gibt es in meinen Augen einige logische Ungereimtheiten (z.B. warum China den Rest der Welt nicht in seine Pläne eingeweiht hat? etc.) und unrealistische Passagen (v.a. was die Maßnahmen zum Schutz des Klimas betrifft). Damit muss man ebenfalls leben können. Und man sollte sich auf jeden Fall sehr für die politische Seite interessieren: Innen-, Wirtschafts- und Außenpolitik, all das kommt vor, und das nicht zu knapp. Mir war die makropolitische Ebene zu dominant (und die politischen Weltenlenker agieren auf dieser Ebene doch sehr klischeehaft), menschliche Schicksale hätten mich mehr interessiert. Die Auswirkungen der von den Chinesen ergriffenen Maßnahmen rücken viel zu knapp und viel zu spät in den Fokus. Und der Handlungsstrang um die Prototypen hat mich nicht mitgerissen (denn er spielte mir zu sehr in der Vergangenheit, doch ist nicht vielmehr die Zukunft von Interesse, wenn man ein solches Thema wählt?).

 

Was mir beim Hören ebenfalls noch negativ aufgefallen ist (andere finden vielleicht aber auch das gerade gelungen, wer weiß): Der Autor hat einen Hang dazu, Szenen und Handlungsabläufe teilweise sehr ausführlich und detailliert zu beschreiben. Mir war es oft einfach zu viel, die Darstellung war oft zu ausschweifend. Das mag aber auch daran liegen, dass ich der Handlung akustisch gefolgt bin. Das brachte noch einmal besondere Hürden mit sich. Mir fehlte beim Zuhören einfach ein zentraler Haupthandlungsstrang, zu dem man immer wieder zurückkehrt und der sich wie ein roter Faden durch das Hörbuch zieht. Und das empfand ich als massiven Mangel des Buchs. Deswegen kann ich auch zu keiner positiven Bewertung gelangen.

 

Fazit

Das ist mein erster Roman von Marc Elsberg und leider bin ich nach dem Hören enttäuscht. Man kann der Handlung als Hörer nur schwer folgen. Mag der Beginn des Buchs noch gelungen sein und gibt es auch einige positive Ansätze, die durchaus Potential erkennen lassen, so hat mich das Hörbuch mit zunehmendem Handlungsverlauf immer mehr verloren. Irgendwann habe ich mich nur noch durch das Buch gequält, um es abzuschließen. Es ist einfach zu verworren, in meinen Augen ist die inhaltliche Schwerpunktsetzung misslungen und es fehlt ein klarer Haupthandlungsstrang. Ich kann es auf keinen Fall empfehlen und gebe 2 Sterne, weil der Einstieg ins Buch immerhin noch in Ordnung war.

Sonntag, 23. April 2023

Hannig, Theresa - Die Optimierer


5 von 5 Sternen


„Jeder an seinem Platz!“


In der schönen neuen Welt, die Theresa Hannig in ihrem Roman „Die Optimierer“ entwirft, hat jeder Büger das Recht darauf eine Lebensberatung zu erhalten, aus der dann ein passendes Jobangebot hervorgehen soll. Das Risiko dieser Beratung: Zeigt man zu wenig Eigeninitiative und Engagement wird man der sogenannten Kontemplation zugeführt und lebt dann von einer Art bedingungslosem Grundeinkommen. Die Autorin hat viele kreative Ideen, sie entwirft eine interessante futuristische Welt (ein wenig hat mich das Buch an den Film „Demolition Man“ erinnert, auch wenn keine Muschel vorkommt). Und die Schreibweise ist packend.

 

Die Hauptfigur des Romans ist Samson Freitag. Er ist ein Verfechter des Systems und hat nichts gegen totale Überwachung und Kontrolle. Vor seinen eigenen, systemkritischen Eltern verteidigt er die Vorteile der sogenannten Optimalwohlgesellschaft. Auf mich hat er zu Beginn des Buchs einen naiven Eindruck hinterlassen, er hat sich an die Gegebenheiten angepasst und hinterfragt nichts. Freitag ist ein braver Beamter eines fragwürdigen Staats, der angepasst die gesellschaftlichen Regeln befolgt. Und noch mehr: Er hat gar den Ehrgeiz, der optimalste und beste Bürger von allen zu sein. Um Sozialpunkte zu sammeln, schreibt er jede Menge Korrekturvermerke, also Verbesserungsvorschläge für das System.

 

Und die Regeln, nach denen man zu leben hat, sind äußerst rigide. Fleischkonsum wird z.B. mit Abzug von Sozialpunkten sanktioniert. Es werden Bewegungsprofile aufgezeichnet, Gespräche werden mit Hilfe von Linsen gespeichert, das Konsumverhalten wird festgehalten, Krankheiten und Straftaten werden digital und für jeden anderen Bürger einsehbar fixiert. Und weil die Eltern von Samson gegen eine Regel verstoßen, die ihr Sohn nicht zur Anzeige bringt, wird er schließlich sanktioniert und gerät immer tiefer in eine Abwärtsspirale, weil er Sozialpunkte verliert.

 

Und als ob das noch nicht genug wäre, wird Samson nachträglich auch noch eine Falschberatung einer Klientin vorgeworfen, bei der er es an Empathie hat vermissen lassen. Ihm wird ein schweres Verbrechen zur Last gelegt und er wird zwangstherapiert. Plötzlich ist er nur noch ein Bürger zweiter Klasse, der von anderen gemieden wird. Zwischenzeitlich macht es dabei sogar den Eindruck, dass Samson sich in einen Verfolgungswahn hineinsteigert. Ihm droht gar das sogenannte Internat, eine Umerziehungseinrichtung. Soll er etwa aus dem Weg geräumt werden, weil er zu einem populären Politiker einen Korrekturvermerk verfasst hat? Das alles liest sich sehr spannend und ist toll von Hannig gestaltet worden!

 

Und durch seine Erlebnisse beginnt Samson das System auf einmal mit anderen Augen zu sehen und Dinge zu hinterfragen. Eine interessante Entwicklung, die der Protagonist hier durchläuft. Er wacht auf und sieht, was schief läuft. Ein interessanter Kontrast, der sich hier ergibt. Von der Gesellschaft als krank abgestempelt, erkennt Samson seinerseits die Krankheitssymptome der ihn umgebenden Gesellschaft. Toll! Und das alles liest sich packend, ich wollte permanent wissen, was aus Samson wird und wie es mit ihm weitergeht. Wird er sich auch seiner Lage befreien? Ich konnte das Buch kaum noch aus der Hand legen. Und auch das Ende ist stark, auch wenn man schon recht früh ahnt, in welche Richtung sich das Ganze entwickelt.

 

Fazit

Dieses Buch hat mich positiv überrascht. Ich bin ohne große Erwartungen an dieses Buch herangegangen und mit zunehmendem Handlungsverlauft hat mich der Roman immer mehr begeistert. Die futuristische Welt, die sich die Autorin überlegt hat, ist interessant. Ein gelungener Entwurf einer möglichen Dystopie. Und eine Sogwirkung entfaltet Samsons Schicksal. Sein tiefer Sturz von einem braven Beamten zu einem Außenseiter der Gesellschaft. Wirklich packend. Ich habe nichts an dem Buch auszusetzen und gebe deshalb 5 Sterne.

Donnerstag, 20. April 2023

Brahms, Annette und Heidi Förster - Der Wunschling


5 von 5 Sternen



Tolles Erstlesebuch für Kinder ab Klasse 2


Die Idee von Wesen, die Wünsche erfüllen können, findet man häufiger in Büchern. Das Motiv des Wünscheerfüllens ist auch auch aus Märchen bekannt. Lohnt sich da noch die Lektüre von „Der Wunschling“ von Annette Brahms, schön und passend illustriert von Heidi Förster? In meinen Augen, ja! Denn die magische Kreatur des Wunschlings ist interessant gestaltet worden. Sie ist freundlich und lustig, aber auch direkt und kann auch einmal frech werden. Kurzum: Der Wunschling hat auf alle Fälle Potential, die kindliche Fantasie anzuregen.

 

Was uns auch gut gefallen hat: Das Erstlesebuch weist eine interessante Geschichte auf, die zum Weiterlesen motiviert. Sie weckt die kindliche Neugier. Es ist einmal nicht die 1000. Detektiv- oder Pferde- oder Baumhausgeschichte, wie man sie sonst auch auf dem Markt findet. Und die Reihe wird sogar noch fortgesetzt. Das ist großartig! Das hebt dieses Buch schon einmal von vielen anderen Erstlesebüchern ab, die mir bisher untergekommen sind.

 

Und der Wunschling wurde als magisches Wesen so konzipiert, dass er ein eigentümliches Wesen mit vielen Eigenheiten ist. Es ist also keine einfache Kopie eines Dschinns, eines Rumpelstilzchens oder eines Einschweins etc. Zumindest war das mein Eindruck. So ist z.B. interessant, dass Wunschlinge die Wünsche riechen können und sie Wünsche als eine Art „Nahrung“ benötigen. Besonders seltene Wünsche sind besonders anziehend für Wunschlinge. Ebenfalls lobenswert: Das Buch bietet jede Menge kindgerechten Humor, und zwar dadurch, dass dem Wunschling bei der Wunscherfüllung Missgeschicke passieren. Das ist prima!

 

Als Gesprächsanlass bietet es sich an, über eigene Wünsche und die Erfüllung von Wünschen zu sprechen. Auch bietet das Buch einige andere Ansatzpunkte, um sich auszutauschen (z.B. über das Verhalten des Angebers Amo, über die traurige, große Schwester etc.). Auch daran merkt man, dass das Buch einfach durchdacht gestaltet worden ist. Das zeigt sich auch an den vier nachbereitenden Leserätseln im Anschluss an die Lektüre. So gibt es eine Übung auf Satzebene, bei der Sätze vervollständigt werden müssen (prima!), es gibt eine freie Aufgabe, bei der sich die Kinder noch einmal kreativ mit dem Gelesenen auseinandersetzen können, es gibt ein Gitterrätsel (Wortebene), bei der Wörter gesucht werden müssen, die auch zum Inhalt der Geschichte passen. Und es gibt eine Übung mit Ja-/Nein-Aufgaben (Textebene), die mir sehr gut gefallen hat. Vergleicht man diese Übungen mit der Konkurrenzreihe „Leserabe“ aus dem Ravensburger-Verlag, so schneidet das Buch aus dem Fischer Sauerländer Verlag in meinen Augen klar besser ab.

 

Eine klitzekleine Randbemerkung erlaube ich mir aber doch: Ist die Vokaldehnung wirklich nötig (z.B. höööre oder versteeehe, S. 17)? Kann man die Betonung der Wörter nicht den Vorlesenden selbst überlassen? Muss man sie vorgeben? Auch ist der Nachahmungseffekt bei Erstlernern in meinen Augen nicht zu unterschätzen. Wenn sie sich angewöhnen, Wörter auf diese Weise zu dehnen, so ist die Deutschlehrkraft schnell verzweifelt. Denn streng genommen ist diese Schreibweise nicht korrekt.

 

Fazit

Ein Erstlesebuch mit einer tollen Geschichte. Es ist vom Schwierigkeitsgrad und vom Schriftbild am besten für Kinder ab Klasse 2 geeignet. Hier stimmt einfach alles. Das magische Wesen ist kreativ gestaltet worden, die Geschichte bietet humorvolle Passagen. Man kann sich auch an der einen oder anderen Stelle über den Inhalt austauschen, dafür gibt es genügend Ansatzpunkte. Und auch die Leserätsel im Anschluss an die Lektüre sind durchdacht und vom Niveau angemessen. Das Buch gefällt mir viel besser als Konkurrenzprodukte aus der Leserabe-Reihe auf dem Markt. 5 Sterne!

Mittwoch, 19. April 2023

Baier, Hiltrud - Emma und die fürchterlichen Fünf


5 von 5 Sternen



Hugo und Emma als positive Beispiele für Selbstwirksamkeit


Eines gleich vorweg: Das Kinderbuch „Emma und die fürchterlichen Fünf“ von Hiltrud Baier hat uns als Vorleselektüre richtig gut gefallen. Meine beiden jungen Zuhörerinnen waren stets bei der Sache und neugierig darauf, zu erfahren, wie es weitergeht. Der Klappentext beschreibt den Inhalt bereits sehr treffend, so dass ich an dieser Stelle nicht weiter darauf eingehen werde. Die Rettungsaktion der fünf Tiere erzeugt Spannung und fördert gleichzeitig auch die Empathie für (altersschwache) Tiere.

 

In meinen Augen hat das Buch zwei große Stärken: Es spricht die Kinder aufgrund seiner Thematik an und die Kapitel sind richtig spannend gestaltet worden. Am Ende jedes Kapitels gibt es schon richtige „Cliffhanger“, so dass man gar nicht aufhören kann zu lesen. Beim Vorlesen bekam ich oft den Satz „bitte noch ein Kapitel!“ zu hören. Es gibt immer wieder Herausforderungen, die bewältigt werden müssen, um die Tiere zu retten. Das ist toll gemacht!

 

Und gerne will ich auch begründen, warum die Thematik in meinen Augen einen sehr großen Reiz auf meine jungen Zuhörerinnen ausübte. Die Kinder handeln selbstwirksam und ohne Rückversicherung durch die Erwachsenenwelt. Emma und ihr Bruder Hugo überlegen sich einen Plan, ohne die Eltern einzuweihen oder um Hilfe zu bitten. Sie wirken dadurch sehr selbstständig.

 

Ein kritischer Leser bzw. eine kritische Leserin könnte womöglich bemängeln, dass die Kinder vor ihren Eltern Geheimnisse haben und sie nicht um Hilfe bitten. Ja, sie belügen ihre Eltern sogar, weil sie Angst davor haben, dass diese kein Verständnis für die Rettungsaktion aufbringen. Doch ist das nun problematisch? In meinen Augen nicht. Denn erst dadurch entsteht auch eine hohe Motivation, der Geschichte zu lauschen. Die Kinder agieren autark und schmieden heimlich einen Rettungsplan. Und die Spannung entsteht letztlich auch dadurch, ob die Kinder erfolgreich sein werden und ob sie das Problem allein lösen können, ohne dass die Erwachsenen etwas davon mitbekommen. Da kann sich doch wohl jedes Kind wunderbar hineinversetzen! Gerade das macht dieses Buch aus.

 

Fazit

Das Kinderbuch ist ein wunderbares Vorlesebuch. Es ist spannend, es fördert Empathie, und es lässt die Kinder am Beispiel von Emma, Hugo und Achmed beim Zuhören positive Selbstwirksamkeit erleben. Sie lösen ein Problem, ohne die Erwachsenen einzuweihen und um Rat zu fragen. Von uns gibt es 5 Sterne!

 

Dienstag, 18. April 2023

Maiwald, Stefan - Meine Bar in Italien. Warum uns der Süden glücklich macht



3 von 5 Sternen



Ratgeber für eine glückliche Lebensführung


Was ist Glück? Und wie führt man ein glückliches Leben? Der Autor Stefan Maiwald scheint die Antwort auf diese Fragen für sich beantwortet zu haben und lässt seine Leser in dem Buch „Meine Bar in Italien. Warum uns der Süden glücklich macht“ daran teilhaben. Bei der Lektüre wird deutlich, dass es nicht viel benötigt, um ein erfülltes Dasein führen zu können. Wichtig scheint in den Augen des Autors vor allem eines zu sein: Freiheit und Selbstbestimmtheit sowie Genuss. Nebenbei lässt er auch noch etwas landeskundliches Wissen in sein Buch einfließen.

 

Es ist auffällig, dass der Autor in seinem Erlebnisbericht aber auch sehr stark romantisiert. Auch lässt er einige Aspekte außer Acht, die ich wiederum wichtig finde: Was ist beispielsweise mit Familie und mit Familienzeit? Maiwald beobachtet den Arbeitsalltag italienischer Menschen und zieht für sich persönlich Schlussfolgerungen daraus, wie er sein eigenes Leben führen möchte. Und das ist auch in Ordnung! So hält er es z.B. für sinnvoll jeden Tag zu arbeiten (auch am Wochenende), aber dafür keine acht oder neun Stunden am Stück. Auch rät er davon ab, einem Traumjob hinterherzulaufen. Man solle sich mit weniger zufrieden geben. Arbeit mache keinen Spaß und die Italiener wüssten das, so der Autor. Arbeit sei da, um Geld zu verdienen, man müsse sie nicht lieben. Am zufriedensten sei man dann, wenn man mit den eigenen Händen etwas erschaffe.

 

Meiner Meinung nach, sollte jede(r) bei der Lektüre selbst entscheiden, ob sie (er) sich von Maiwalds Vorschlägen inspirieren lässt oder eben nicht. Ich persönlich kann längst nicht allen Aussagen und Ratschlägen etwas abgewinnen. Positiv ist aber, dass Maiwald seinen Mitmenschen gegenüber große Wertschätzung zeigt und versucht etwas von ihnen zu lernen. Ich habe den Eindruck gewonnen, dass der Autor vor allem eine Art „Selbsttherapie“ betreibt. Allerdings bin ich auch der Ansicht, dass seine lebensklugen Ansichten nicht zu jeder Lebenswirklichkeit passen. Maiwald gibt den Leser:innen ungefragt viele Lebensweisheiten mit auf den Weg. Stellenweise war es mir etwas zu aufdringlich. Ich möchte gern selbst entscheiden, wie ich mein Leben führe. Vielleicht wird es anderen Leser:innen ähnlich gehen wie mir, vielleicht auch nicht. Das sollte jede(r) selbst für sich herausfinden. Und was mir auch nicht so zugesagt hat: Maiwald reproduziert einige Stereotype über Italiener und über die italienische Lebensart. Ich hätte ihm zu weniger Pauschalisierungen geraten.

 

Fazit

Leser, die auf der Suche nach Ratgeberliteratur sind und gerne lesen möchten, was Stefan Maiwald zum Thema „glückliche Lebensführung“ empfiehlt, denen sei das Buch empfohlen. Wer allerdings selbst schon weiß, wie er sein Leben gestaltet, der braucht dieses schmale Büchlein nicht unbedingt. Mir war es stellenweise zu missionarisch, was der Autor vorschlägt. Ich gebe 3 Sterne.

Montag, 17. April 2023

Weßling, Bernhard - Der Ruf der Kraniche


5 von 5 Sternen




Kenntnisreich, faszinierend und spannend


Über viele Jahre hinweg beobachtete der Autor Bernhard Weßling, zugleich promovierter Chemiker und erfolgreicher Unternehmer, in seiner Freizeit Kraniche und stellte sich dabei immer wieder die Frage, wie die Vögel mit ihnen unbekannten Situationen umgehen und wie sie sich verhalten, wenn andere Tiere oder auch Menschen ihr Brutgeschäft oder die Nahrungsaufnahme stören. Weßling hat sich in die Verhaltensforschung eingearbeitet und geht dabei auch der überaus interessanten Frage nach, wie Denken eigentlich funktioniert. All seine Beobachtungen und Schlussfolgerungen legt er in seinem sehr lesenswerten Buch „Der Ruf der Kraniche. Expeditionen in eine geheimnisvolle Welt“ zugrunde, das seit März 2023 als Taschenbuchausgabe vorliegt. Und schon auf den ersten Seiten wird deutlich, mit welchem Respekt der Autor die Natur betrachtet. Auch merkt man dem Autor seine Begeisterungsfähigkeit und Leidenschaft während der Lektüre an. Seine Liebe zu den Tieren ist offenkundig. Das macht wirklich Spaß! Der Schreibstil ist sehr lebendig.

 

Kapitel 1 – Wie alles anfing

Weßling schildert hier auf anschauliche Art und Weise, welcher Bedrohung brütende Kranichpaare ausgesetzt sind und beschreibt seine Tätigkeit als Kranichwächter. Eine der möglichen Bedrohungen ist z.B. der Eierdiebstahl.

 

Kapitel 2 – Kranichwissen kompakt: die Mythen und die Fakten

Hier führt der Autor einige Fakten zur Evolutionsgeschichte der Kraniche an und erläutert auch an einigen Beispielen ihre kulturgeschichtliche Bedeutung. Ebenfalls folgen einige Bemerkungen zum Bestand der Vögel. Zudem erfährt man einige Hintergrundinformationen zu den Tieren (Nahrung, Größe, Gewicht, Konflikte mit der Landwirtschaft, Ernährung, Flugleistung, Lebenserwartung). Nicht zuletzt wird auf bestehende Forschungslücken hingewiesen. In diesem Zusammenhang merkt Weßling an, dass es kaum Arbeiten zum Verhalten der Vögel gibt.

 

Kapitel 3 – Problemlösungen, Ballett-Balz und Fuchsalarm: Wie kommunizieren Kraniche miteinander?

Anhand eines beobachteten Kranichpaares verdeutlicht der Autor, dass er bei den Vögeln Intelligenz und Erfindungsgabe festgestellt hat. Er erkennt darin eine Anpassungsleistung. Am Beispiel der Balz beschreibt Weßling, dass die Tiere sich nicht einer Norm entsprechend verhalten. Stattdessen sei festzustellen, dass jeder Tanz für sich genommen einzigartig ist. Es fällt auf, dass der Autor bei seinen Beschreibungen sehr detailliert vorgeht. Eine weitere interessante Frage, der sich Weßling widmet: Können sich Kraniche verständigen? Hier verweist er auf das Phänomen des gleichzeitigen Abflugs und äußert einige spannende Vermutungen, was Kommunikationsstechniken angeht. So seien auch der Prozess der Entscheidungsfindung und Abwägungsprozesse beobachtbar, z.B. wenn es darum geht, ein Revier auszuwählen. Vor allem die Körpersprache diene als Mittel zur Verständigung, so der Autor. Haben die Tiere etwa Kriterien, nach denen sie die Güte eines Reviers beurteilen? Weßling meint, ja.


Kapitel 4 – Ankunft im Brook nach Rückflug aus dem Winterquartier: Allein oder in Gruppen?

Den Autor bewegen aufgrund einer überraschenden Beobachtung (ein großer Kranichtrupp flog einen Umweg, ein einziges Paar lässt sich aus der weiterfliegenden Gruppe in sein Revier fallen) folgende Fragen: Kommunizieren die Kraniche ihre Reiseabsichten? Und wenn ja, wie? Warum nehmen nicht alle Vögel die Hauptzugroute? Welche Planungs-, Navigations- und Kommunikationsleistungen stecken hinter dem beobachtbaren Verhalten? Auch meint der Autor, Emotionen bei den Vögeln entdeckt zu haben, so z.B. Freude über die Rückkehr.

 

Kapitel 5 – Brutsaison: eine tragische Liebesgeschichte

Auch hier beschreibt der Autor eine beobachtete Emotion: Trauer. Dies verdeutlicht er am Beispiel eines Kranichpaares, bei dem ein Partner verschwunden ist, möglicherweise gewildert. Er beschreibt, wie der verbliebene Partner mit wehleidigen Klagerufen Kreisflüge unternommen habe, um nach dem Gefährten Ausschau zu halten. Weßling schreibt den Vögeln Gefühle zu und weist selbst daraufhin, dass seine Einschätzung womöglich als unwissenschaftlich ausgelegt werden kann. Er ist sich darüber bewusst, dass es sich lediglich um Interpretationen handelt. Die Leser:innen müssen für sich selbst entscheiden, ob sie dem Autor bei seiner Argumentationslinie folgen oder nicht. Überzeugend ist seine Interpretation in meinen Augen auf jeden Fall.

 

Kapitel 6 – Kampfläufer, Seeadler und andere Brookbesucher: Was Kranichbewacher so alles erleben können

Weßling beschreibt in diesem Kapitel seine Tätigkeit als Kranichschützer im Brook und schildert, mit welchen Herausforderungen er sich dabei auseinanderzusetzen hatte, aber auch, welche außergewöhnlichen Naturbeobachtungen dabei möglich sind.

 

Kapitel 7 – In der Schule des Lebens

Selbstkritisch hält der Autor zu Beginn dieses Kapitels fest, dass seine Forschungen als "unwissenschaftlich" und seine Beobachtungen als "anekdotisch" abqualifiziert werden könnten. Das wissenschaftliche Prinzip der Wiederholbarkeit sei nicht gewährleistet. Er plädiert aber dafür, die Tiere bei entsprechenden Forschungen in freier Wildbahn zu beobachten, um den Beobachtereffekt durch den Menschen auszuschließenUnter kontrollierten Bedingungen im Labor seien nur Verhaltensweisen beobachtbar, die in freier Natur nicht vorkommen. Und von dem beobachtbaren Verhalten ließen sich durchaus Hypothesen ableiten. So beschreibt Weßling, dass Kraniche ihre Umgebung sehr aufmerksam beobachten. Auch meint er, bei ihnen ein Zeitgefühl erkannt zu haben. Am Beispiel des Fliegenlernens verdeutlicht der Autor das Prinzip der Imitation. Während der Lektüre habe ich mir die Frage gestellt, ob nicht auch Videoaufnahmen dabei helfen könnten, eine größere Objektivität des beobachtbaren Verhaltens zu erzielen. Wenn eine Situation von verschiedenen Forschern ähnlich interpretiert würde, dann hätten die Ergebnisse womöglich eine noch größere Aussagekraft.

 

Kapitel 8 – Der Sprache der Kraniche auf der Spur: Sie rufen und erzählen so von ihrem Leben

Weßling äußert den Wunsch, die verschiedenen Kraniche individuell erkennen und wiedererkennen zu können. Und ihn packt die geniale Idee, Kraniche anhand von Aufnahmen ihrer Rufe individuell zu identifizieren. Mit Hilfe eines leistungsfähigen Richtmikrofons und einem digitalen Aufnahmegerät startet er die ersten Aufnahmeversuche. Und über einen Zeitraum von mehreren Wochen entstehen zahlreiche Aufnahmen. Und Weßling hält fest, dass die Vögel nicht nur über ihre Körpersprache, sondern auch vokal miteinander kommunizieren. Der Autor entdeckt eine Art „Abflugs-Abstimmungs-Laut“ sowie „gurrende“ und „kullernde“ Kontaktlaute. Er entwickelt ein eigenes Forschungsdesign, bei dem er auch die Rufe mit Programmen näher analysiert. So möchte er individuellen Unterschieden auf die Spur kommen. Und tatsächlich entdeckt der Autor einen akustischen Fingerabdruck, der für einzelne Individuen und Paare charakteristisch ist. Er arbeitet heraus, dass es bei der Revierbesetzung und -auswahl sowie bei der Revier- und Partnertreue viel komplizierter und dynamischer zugeht, als zunächst in der Forschung angenommen. Weßling betritt mit diesem Forschungsdesign neue Pfade in der Wissenschaft. Mit seiner Forschung zeigte er, dass es möglich ist, die Geschichte einer Kranichpopulation in einem gewissen Gebiet über mehrere Jahre hinweg zu dokumentieren und individuelle Biographien einiger Paare festzuhalten, ohne dass die Kraniche beringt werden müssen (also „störungsfrei“). Faszinierend! Und noch dazu auch genial! Spannend zu lesen, wie eine Idee immer mehr Konturen annimmt und den Weg für etwas Neues bereitet.

 

Kapitel 9 – Aufbruch in die weite Welt: Asiatische und amerikanische Kranicharten rufen mich

Hier wird die in den USA entstandene Organisation „International Crane Foundation“ (ICF) und deren Initiativen zum Schutz der Kraniche vorgestellt. Der Autor beschreibt, wie er auch von anderen Kranicharten Aufnahmen der Rufe anfertigt. Der Schreikranich rückt ins Zentrum der Aufmerksamkeit, eine sehr bedrohte Art. Weßling wird mit seiner Methode Teil eines größeren Projekts zur Rettung der Schreikraniche. Dabei werden auch die Unterschiede dieser Art zu den grauen Kranichen erläutert.

 

Kapitel 10 – Forschungs-Abenteuer: Mandschurenkraniche belauschen bei minus 25 Grad und bewacht von Grenzsoldaten

Weßling nimmt auch Rufe von japanischen Mandschurenkranichen auf. Er hat seine Methode dabei modifiziert und spielt den Kranichen per Megaphon aufgenommene Rufe vor, um auf diese Weise eine mögliche Reaktion in Form von Duettrufen zu provozieren. Der Autor lässt uns lebhaft teilhaben an seinen Untersuchungen: Akzeptieren die Kraniche die Rufe von CD? Antworten sie darauf, weil sie ihr Revier verteidigen wollen? Das liest sich äußerst spannend. Und der Autor geht sogar noch einen Schritt weiter: In der demilitarisierten Zone an der Grenze zu Nordkorea erforscht er eine weitere Population von Mandschurenkranichen. Werden diese auf die Rufe ihrer japanischen Verwandten reagieren? Ich will an dieser Stelle nicht zu viel verraten.

 

Kapitel 11 – Das Abenteuer geht weiter: bei den wilden Schreikranichen

Der Autor sucht das sehr abseits gelegene Winterquartier von Schreikranichen in den USA auf (im Aransas National Wildlife Refuges, Texas) und beschreibt, mit welchen Herausforderungen er bei seinen Forschungen zu kämpfen hatte. Wird er es schaffen, Duett- und Warnrufe aufzuzeichnen und verschiedene Revierpaare ausfindig zu machen? Es ist einfach bewundernswert, mit welcher Akribie und mit welcher Ausdauer Weßling sein Vorhaben verfolgt. Auch seine Demut vor der Natur ist jederzeit spürbar. Ein wirklich sehr interessantes Kapitel!

 

Kapitel 12 – Wir fliegen los: der schwere Weg zur Migrations-Flugschule

In diesem Kapitel wird ein Auswilderungsprojekt von Schreikranichen mit Ultraleichtflugzeug näher beschrieben. Sein wertvollstes Forschungsprojekt, wie Weßling selbst äußert. Auf sehr interessante Art und Weise erläutert er die Vorgeschichte zum genannten Projekt und verweist auf Probleme, Teilerfolge sowie Herausforderungen.

 

Kapitel 13 – Was können wir über Intelligenz, Zugverhalten, Kulturbildung, Werkzeuggebrauch und Selbstbewusstsein bei Kranichen lernen?

Inwieweit ist das Zugverhalten der Kraniche genetisch bestimmt? Weßling führt einige Argumente an, die gegen eine genetische Festlegung sprechen. Er meint vielmehr, die Entwicklung einer „Zugkultur“ beobachtet zu haben. Es zeige sich, dass viele Kraniche den Flugweg wechseln. Spannend sind zudem die Ausführungen des Autors über ein mögliches Bewusstsein bei den Vögeln. Erkennen Kraniche womöglich ihre eigenen Rufe?

 

Kapitel 14 – Können Kraniche strategisch denken? Weitere erstaunliche Beobachtungen

Der Autor stellt weitere Thesen in den Raum: Verfügen Kraniche womöglich über ein episodisches Gedächtnis? Gehen sie strategisch geplant vor? Haben sie gar eine Art Moralkodex? Hier muss man sich natürlich wieder ins Gedächtnis rufen, dass es sich um Interpretationen des Autors handelt. Er argumentiert aber auf Grundlage seiner zahlreichen Beobachtungen durchaus nachvollziehbar und plausibel. Dennoch bedarf es dazu weiterer Belege und Untersuchungen (womöglich in Form von Videographie?).

 

Kapitel 15 – Kraniche sind Subjekte. Plädoyer für mehr Bescheidenheit und Respekt vor der Natur.

Abschließend plädiert Weßling für mehr Bescheidenheit und Respekt vor der Natur. Er unterbreitet dafür viele konkrete Vorschläge.

 

Anhang

Hier werden noch einige Einzelbeobachtungen zusammengefasst, die in den vorangegangenen Kapiteln keine Berücksichtigung mehr gefunden haben. Dazu gehört z.B. die Auflistung von beobachteten Emotionen, Erlebnisse mit einem flugunfähigen Kanada-Kranich sowie Manöver der Täuschung und Taktik bei Mandschurenkranichen etc.

 

Abschließende Bemerkungen zur englischen Ausgabe

Anders als in der deutschsprachigen Ausgabe findet man die Fußnoten unter dem Text und nicht in Form von Schlussbemerkungen. Auch sind den einzelnen Kapiteln passende Fotos und Karten zugeordnet. In der deutschsprachigen Ausgabe findet man die Fotos und Karten an zwei Stellen gesammelt vor, ohne dass eine thematische Einbettung in die Kapitel erfolgt. Ein weiterer Vorteil der englischen Ausgabe: Es gibt darin auch Graphiken (vgl. z.B. S.92-103) und Bilder (32 vs. 20). Und übrigens sind in beiden Ausgaben alle Karten und Bilder farbig!

 

Fazit

Wer sich für Kraniche und allgemein für Vogelkunde interessiert, der kommt in meinen Augen nicht an diesem Buch vorbei. Aber auch denjenigen, die sich für empirische Forschung und die damit verbundenen Herausforderungen interessieren, sei dieses Buch ans Herz gelegt. Der Autor lässt die Leser:innen an vielen interessanten Projekten teilhaben und gewährt spannende Einblicke. Auf sehr anschauliche, lebendige und mitreißende Art und Weise berichtet Weßling von seiner jahrelangen Beschäftigung mit den Vögeln. Und es ist beachtlich, mit welcher Liebe, Akribie, Ausdauer und mit welchem Engagement er sich mit den Tieren beschäftigt. Was das Buch in meinen Augen vor allem auszeichnet: Weßling entwickelt eine neue Forschungsmethode, die er auch weiterentwickelt und modifiziert. Und seine Daten liefern zahlreiche neue Erkenntnisse, die ich mit Faszination gelesen habe. Ich habe von Kranichen nun ein ganz anderes Bild als noch vor der Lektüre. Großartig! Ich vergebe 5 Sterne!

Hauff, Kristina - In blaukalter Tiefe


4 von 5 Sternen


Charakterstudie


Wer sich für zwischenmenschliche Feinheiten und Abgründe interessiert, der ist bei dem Roman „In blaukalter Tiefe“ von Kristina Hauff genau richtig. Erzählt wird im Wechsel von vier verschiedenen Perspektiven, so dass man verschiedene Standpunkte kennen lernt und  nah dran an den Gedanken und Gefühlen der Protagonisten ist. Und durch die asymmetrisch angelegten Beziehungsverhältnisse entsteht viel emotionaler „Zündstoff“. Die beiden befreundeten Paare passen nicht gut zusammen. Und begleitet werden die vier Passagiere von einem eigenbrötlerischen, wortkargen Skipper, über den man nicht viel erfährt und der mysteriös wirkt.

 

Daniel und Tanja nehmen die Einladung von Andreas und seiner Frau Caroline zu einem Segeltörn an, auch wenn Tanja sich dabei nicht wirklich wohl fühlt. Sie wirkt zu Beginn ziemlich unsicher, aber auch sehr authentisch und fürsorglich. In ihrer Partnerschaft ist sie aufopferungsvoll, begibt sich aber auch in Abhängigkeit von Daniel. Caroline kommt hingegen unterkühlt, berechnend und fordernd daher und wirkte auf mich äußerst unsympathisch, weil sie aus allem ein kleines Machtspiel veranstaltet. Anders als Tanja agiert sie meist souverän und selbstsicher. Sie kennt ihren Mann genau und es reizt sie, ihn zu provozieren. Auch beobachtet sie ihre Mitreisenden genau und durchschaut sie mühelos. Der Kontrast zwischen den Frauenfiguren ist interessant gestaltet worden. Beide stammen aus ganz unterschiedlichen Lebenswelten. Und Caroline scheint eine große innere Leere zu verspüren.

 

Die männlichen Protagonisten stehen hierarchisch nicht auf derselben Stufe. Beide sind Juristen in derselben Kanzlei. Andreas ist Daniels Chef und Daniel versucht sich auf dem Segeltörn zu profilieren. Es besteht also ein Abhängigkeitsverhältnis, das Andreas geschickt für sich auszunutzen weiß. Und Daniel gerät schon bald in Gewissenskonflikte. Denn auch im Urlaub spielt die Arbeit bald eine Rolle und hält die beiden Kollegen auf Trab. Andreas wirkt anfangs kontrollsüchtig, es fällt ihm nicht leicht, Verantwortung abzugeben, und das Altern bereitet ihm Schwierigkeiten. Er erzählt gern von sich und steht gern im Mittelpunk. In brenzligen Situationen ist er darum bemüht, jederzeit einen kühlen Kopf zu bewahren und souverän zu agieren. In seinem Inneren plagen ihn aber tiefe Selbstzweifel. Daniel wirkt aufgrund der beruflichen Problematik sehr angespannt und auch ungeduldig. Und irgendwann kommt es zwischen beiden Männern zu einem Konflikt. Andreas beginnt Grenzen zu überschreiten und fordert Daniel heraus. Und Daniel beginnt sich zu verbiegen. Das alles ist klug konzipiert!

 

Was ebenfalls gelungen und lobenswert ist: Alle Figuren entwickeln sich weiter. Tanja wird stärker, Caroline wird kaltblütiger, Andreas wird unberechenbarer und Daniel wird schwächer. Zusätzliche Würze erhält der Inhalt zudem noch durch weitere Zutaten:  Einerseits durch den Handlungsort (ein Segelboot) und andererseits durch Eric, den Skipper. So müssen Andreas, Caroline, Tanja und Daniel im Boot auf engstem Raum zusammenleben und sich miteinander arrangieren, auch wenn Konflikte aufbrechen. Es gibt so gut wie keine Privatsphäre und keine Möglichkeit, die anderen zu meiden und sich zurückzuziehen. Eine Flucht ist auf offener See nicht möglich. Und beim Segeln müssen alle als Team agieren und ihre persönlichen Befindlichkeiten außen vor lassen. Eric, der Skipper, bemüht sich darum, professionelle Distanz zu seinen Passagieren zu wahren. Doch das hält er nicht lange durch und schon bald wird er mit in die Krise an Bord hineingezogen. Das alles liest sich spannend! Sehr metaphorisch ist auch die Schilderung des Wetters und des Wellengangs: Die Unruhe auf dem Meer spiegelt den inneren Zustand der Mannschaft wider. Klasse!

 

Fazit

Vorrangig geht es in diesem Buch um verschiedenartig gelagerte Beziehungsdramen. So etwas sollte man mögen. Menschliche Abgründe und zwischenmenschliche Machtspiele machen den Reiz aus. Es handelt sich um eine klug angelegte Charakterstudie, bei der die Figurenzeichnung in meinen Augen äußerst gelungen ist. Was für Dynamik sorgt: Die Charaktere entwickeln sich allesamt weiter und die Allianzen zwischen den Beteiligten wechseln munter. Das einzige, was mich nicht zu 100% überzeugen konnte, war das Ende. Einige Verhaltensweisen der Figuren fand ich nicht schlüssig, v.a. was Daniel und Tanja betrifft. Auch empfand ich den Schluss passagenweise als etwas zu überhastet erzählt. Ich gebe 4 Sterne, ganz knapp an den 5 Sternen vorbei!

Donnerstag, 13. April 2023

Gutsch, Jochen und Maxim Leo - Frankie


2 von 5 Sternen


„Bis bald!“


Leider bin ich bei dem Roman „Frankie“ von Jochen Gutsch und Maxim Leo voll auf den Klappentext hereingefallen. Dort heißt es: „Eine berührende und zugleich urkomische Geschichte über eine außergewöhnliche Freundschaft und den Weg zurück ins Leben.“ Leider hat mich der Inhalt allerdings kaum berührt und der Humor traf leider gar nicht meinen Geschmack. Außergewöhnlich ist die Geschichte lediglich dadurch, dass ein Mann, der sich selbst das Leben nehmen will, und ein Kater, der sprechen kann, zusammenfinden und sich anfreunden. Diese Idee finde ich auch durchaus interessant. Aus der Beobachterrolle eines Katers einen fremden, unvoreingenommenen Blick auf die Symptome der Krankheit Depression richten, warum nicht? Ist vielleicht ungewöhnlich und bestimmt nicht für jede(n) etwas, aber es ist auch einmal eine ausgefallene Herangehensweise. Leider las sich die Umsetzung dann aber doch sehr oberflächlich. Und dann verspricht der Klappentext etwas, worauf ich aber ohne zu spoilern an dieser Stelle nicht weiter eingehen kann: „Den Weg zurück ins Leben“. Dazu bilde sich jede(r) gerne selbst ein Urteil.

 

Auch das Thema „Lebenssinn“, das auf der Rückseite des Buchs angekündigt wird, hätte mit deutlich mehr Tiefe gestaltet werden können. Ich bin einfach sehr enttäuscht von dem Buch. Am besten gefallen haben mir die letzten drei Kapitel. Alles davor habe ich recht unbeteiligt gelesen. Frankie hat zwar einen unbekümmerten Blick auf die Welt und ist geradeheraus und direkt, doch sein Blick auf die Menschenwelt ist oft auch recht einfach und simpel. Seine Sprechweise wirkt oft sehr naiv. Die Einschätzung der Menschenwelt ist zwar oft sehr pointiert, aber sie greift dann doch häufig zu kurz. Es fehlt einfach das gewisse Etwas. Einige Stellen waren mir auch zu absurd. Und Frankie stand mir dann doch insgesamt zu sehr im Fokus, der menschliche Protagonist geriet mir zu sehr aus dem Blick. Vermutlich auch aus diesem Grund wollte  der Funke bei mir beim Lesen einfach nicht überspringen (und auch weil mir, wie schon erwähnt, der Humor nicht zusagte). Das mag anderen Leser:innen aber ganz anders ergehen. Das ist ja höchst subjektiv. Vermutlich kommen v.a.  Katzenlieberhaber:innen bei diesem Roman voll auf ihre Kosten.

 

Fazit

Mit hohen Erwartungen bin ich an dieses Buch herangegangen und wurde leider enttäuscht. Der Klappentext hat leider nicht das gehalten, was er versprochen hat. Am besten fand ich die letzten drei Kapitel. Der Rest war mir zu oberflächlich. Frankie nahm mir als Protagonist auch zu viel Raum ein. Es gab auch absurde Passagen. Der Humor hat mir nicht zugesagt. Manchmal passt es zwischen Leser und Buch einfach nicht. So auch in diesem Fall. Deshalb nur 2 Sterne!

Mittwoch, 12. April 2023

Pearse, Sarah - Das Sanatorium


2 von 5 Sternen


Klassischer 0815 Thriller


Was den Thriller „Das Sanatorium“ auszeichnet, ist die detaillierte Beschreibung des Handlungsorts, der Umgebung und der Atmosphäre. Das ist wirklich gelungen. Aber reicht das schon für einen sehr guten Thriller? Nein, auf keinen Fall! Ich empfand die Lektüre des Buchs als ziemlich langatmig. Es werden die klassischen Muster eines Thrillers bedient, es gibt nichts Innovatives, was ihn auszeichnet und die Spannungsintensität ist mau.

Der Handlungsort zeichnet sich durch Exklusivität, Abgeschiedenheit und Isolation aus. Zugleich weist er eine unheilvolle Vergangenheit als Klinik für Tuberkulosepatienten auf. Die Charakterzeichnung der Hauptfiguren ist für einen Thriller in Ordnung, auch die Beziehungsverhältnisse zwischen den Figuren sind durchdacht. Aber es ist halt das, was man aus vielen anderen Thrillern auch schon kennt, eben nichts Besonderes. Leider.

Die Autorin hält zu Beginn viele „Handlungs-Bälle in der Luft“. So verschwindet die Verlobte von Isaac (Laure), dem Bruder von Elin. Und es gibt etwas Traumatisches, das die Familiengeschichte von Elin und ihrem Bruder Isaac auszeichnet. Ein weiteres Thema: Ein Architekt des Luxushotels wird vermisst (Daniel). Und als ob das noch nicht reichen würde, ist auch das Zimmermädchen Adele spurlos verschwunden. Nach und nach lösen sich dann die verschiedenen Handlungsfäden auf. Mich hat es jedenfalls nicht vom Hocker gehauen, was ich so gelesen habe. Altbekannte Muster und noch dazu eine Ermittlerin, die natürlich von einem Trauma heimgesucht wird.

Was auf der Strecke bleibt, ist ganz klar die Spannung. Selbst eine Lawine, die zu einer Evakuation des Hotels führt und einen begrenzten Personenkreis im Hotel verbleiben lässt, kann die Spannung leider nicht anheizen. Als ein erstes Opfer gefunden wird, geht es so weiter, wie man es auch aus vielen anderen Thrillern kennt. Auch hier nichts Neues. Leider. Es folgen die Vernehmungen von Zeugen, Elin sucht nach einem Motiv, die übliche Suche nach einem möglichen Täter beginnt, falsche Fährten folgen (die leider vorhersehbar sind). Kurzum: Wiederholung von klassischen Mustern und gähnende Langeweile. Natürlich werden auch Geheimnisse rund um das Hotel zu Tage befördert. Und natürlich gerät Elin als Ermittlern selbst auch in Gefahr, als sie dem Täter zu nahe kommt.


Fazit

Langweilig, vorhersehbar, altbekannte Muster werden abgerufen, keine innovativen Ideen. Ein Thriller, wie man ihn schon tausendfach gelesen hat. Wer so etwas mag, der kann hier gerne zugreifen. Leser:innen, die gerne mal etwas anderes als das Altbekannte lesen wollen, rate ich von dem Buch ab. 2 Sterne von mir.


Oswald, Susanne - Internat Schloss Sommerberg. Fünf Pfoten retten Ferdinand Nuss


3 von 5 Sternen


Freundschaft und Tierliebe


Das Kinderbuch „Internat Schloss Sommerberg. Fünf Pfoten retten Ferdinand Nuss“ von Susanne Oswald thematisiert in erster Linie die Themen „Freundschaft“ und „Tierliebe“. So haben wir es mit den vier Freunden Dalena, Lilli, Finn und Anton sowie mit dem Hund Sponschdog zu tun, die einander beistehen und sich gegenseitig unterstützen, aber auch einmal auf den Arm nehmen. Und was sich wie ein zweiter roter Faden durch das Buch zieht, ist das umsichtige, tierliebe Handeln der Freunde. So kümmert sich Finn z.B. um den wuscheligen Hund der Schulköchin und baut für ihn sogar einen Parcours. Und die gesamte Klasse um die Lehrerin Frau Flemming führt eine Kröten-Rettungsaktion durch. Nicht zuletzt wird ein verletztes Eichhörnchen versorgt. Hier wird Empathie für die Tierwelt gefördert.


Und was die Geschichte ebenfalls auszeichnet. Es sind relativ unspektakuläre Alltagsbegebenheiten, die den einzelnen Kapiteln Spannung verleihen. So wird am Anfang des Buchs zunächst recht ausführlich der Schulunterricht im Internat thematisiert (sogar bis hin zu einem Tafelbild über die Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Reptilien und Amphibien), im weiteren Handlungsverlauf geht es dann um den Alltag im Schloss. So muss ein Mädchen mit der Information umgehen, dass ihre Mutter in Ohnmacht gefallen ist. Alpakas müssen eingefangen werden, Hausaufgaben wollen erledigt werden, ein Eichhörnchen wird gefüttert etc.

Das einzige, was mich beim Vorlesen etwas gestört hat, ist der Umstand, dass schon an der ein- oder anderen Stelle klassische Stereotype und Geschlechterklischees reproduziert werden. So löst das Fach Mathematik natürlich bei einem Mädchen einen Knoten im Kopf aus. Der Konrektor Krautmann läuft mit einer sauertöpfischen Miene durch das Schulgebäude und hat ständig etwas zu meckern, der Hausmeister der Schule ist stets unfreundlich und engstirnig. Ein Mädchen muss natürlich kreischen, wenn es eine Kröte sieht. Finn ist der klassische unangepasste, wilde Junge.


Fazit

Ein Buch, das mit einer klassischen Freundschaftsgeschichte aufwartet. In meinen Augen ist es ein durchschnittliches Kinderbuch. Es ist kein Buch, das man unbedingt gelesen haben muss. Gestört haben mich die reproduzierten Stereotype und Geschlechterklischees. Was es positiv auszeichnet, ist der Umstand, dass vor allem die Tierliebe häufig thematisiert wird. Ich vergebe 3 Sterne.