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Dienstag, 20. August 2024

Carter, Chris - Der Totenarzt


Besser als „Blutige Stufen“?



Vor kurzem erst habe ich „Blutige Stufen“ von Chris Carter gelesen (vgl. eine frühere Rezension) und war angetan von der dynamischen Schreibweise und davon, wie hervorragend der Plot am Ende ineinander greift. Wie schlägt sich sein neuestes Werk „der Totenarzt“ nun im Vergleich? Ist es nicht mehr so brutal und weniger blutig, wie von vielen Rezensenten behauptet? Darauf will ich weiter unten gern eine Antwort geben. Doch zuvor zum Inhalt…

 

Wie schon in „Blutige Stufen“ erfolgt der Einstieg in den Thriller unmittelbar. Der Autor startet sofort durch. Es geht sofort zur Sache. Es wird geschildert, wie ein Täter sein Opfer quält. Und der Inhalt geht sofort unter die Haut. Wieder wird deutlich, dass Carter großen Wert darauf legt, den Sadismus des Täters zu beschreiben. Nichts für zartbesaitete Leser!

 

Im Anschluss werden Hunter und Garcia mit einem kuriosen Fall konfrontiert, der nur durch Zufall entdeckt wird. Bei der Autopsie eines Verkehrsopfers fällt auf, dass die Verletzungen, die aus dem Unfall resultieren, nicht mit anderen Verletzungen zusammenhängen können, für die sich keine plausible Ursache finden lässt. Nicht alle Verletzungen lassen sich mit dem Autounfall in Verbindung bringen. Kurzum: Der Unfalltod wurde vorgetäuscht! Garcia und Hunter nehmen die Ermittlungen auf und irgendwann wird klar, dass ein Serienmörder sein Unwesen treibt, der sehr geschickt darin ist, seine Taten zu verschleiern. Ein sehr kniffliger Fall! Und als Leser stellte ich mir folgende Fragen: Was ist sein Motiv? Nach welchen Kriterien werden die Opfer ausgewählt? Was ist das Muster, das den Fällen zugrunde liegt? Wie werden Hunter und Garcia dem Täter auf die Spur kommen?

 

Wie schon in „Blutige Stufen“ macht die Darstellung der Forensik einen gut recherchierten sowie authentischen Eindruck. Der Autor bringt aus seiner eigenen Biographie Expertise mit. Und das merkt man. Sehr gelungen! Und zu Beginn schreibt der Autor auch durchaus dynamisch und spannend, doch das bleibt nicht so. Für mich ist das erzählte Tempo nicht mit „Blutige Stufen“ vergleichbar. Die Ermittlungen schreiten im weiteren Handlungsverlauf langsam voran, Zeugenvernehmungen nehmen viel Raum ein. Es liest sich mehr wie ein Kriminalroman, weniger wie ein Thriller. Was ist da los?

 

Nein, das war nicht mehr der Carter, den ich in „Blutige Stufen“ kennen gelernt habe. Der Stil hat sich spürbar geändert. Die Dynamik ist verloren gegangen. Die kontextuellen Hinführungen zu einzelnen Passagen sind teils sehr ausführlich geraten, Randfiguren erhalten zu viel Tiefe (interessanterweise bleiben Hunter und Garcia aber weiterhin recht austauschbar und lassen wenig individuelles Profil erkennen). Ich finde das sehr schade. Ich habe bisher (leider) nur wenige Autoren ausfindig machen können, die temporeich schreiben. Wie kann sich Carter nur selbst eine „Bremse“ auferlegen und das Tempo so stark drosseln? Selbst am Ende ist spürbar, wie Dynamik verloren geht, weil auf einmal ausführlich erläutert wird, wie eine Falltür genau aufgespürt worden ist.

 

Und noch etwas: Der Thriller wurde tatsächlich entschärft, v.a. was die ausschweifende Schilderung der blutrünstigen Tatorte betrifft. Da gebe ich vielen Rezensenten Recht, die behaupten, dass Thriller nun weniger blutig ist als noch „Blutige Stufen“. Aber die Schilderung des Sadismus hat nach meinem Empfinden keineswegs nachgelassen, was sich v.a. am Ende des Thrillers zeigt. Und in meinen Augen ist es insbesondere der dargestellte Sadismus des Täters, der unter die Haut geht. Vielleicht könnte dieser stärker entschärft werden? Oder ist es dann etwa kein Carter mehr?

 

Wenn ich mir für den folgenden Band aus der Reihe etwas wünschen dürfte, so bitte Folgendes: Rückkehr zum dynamischen Schreibstil und weniger ausschweifende Schilderungen von Sadismus. „Blutige Stufen“ hat mir im direkten Vergleich besser gefallen. Ich gebe 4 Sterne!

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