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Sonntag, 4. August 2024

Lind, Jessica - Kleine Monster


Elternschaft, Vergänglichkeit und Verlust




Der Roman „Kleine Monster“ startet höchst rätselhaft. Viel Unausgesprochenes liegt in der Luft. Wir erfahren nur, dass der siebenjährige Luca gegenüber einer Mitschülerin eine Grenze überschritten hat. Was genau er getan hat, bleibt zunächst im Dunkeln. Die Eltern werden aufgrund des Vorfalls zu einem Gespräch mit der Klassenlehrerin gebeten. Nach dem Vorkommnis werden sie dann aus der Eltern-Whatsapp-Gruppe entfernt. Es ist bezeichnend, dass nicht miteinander, sondern übereinander geredet wird.



Lucas Eltern werden für das Vergehen ihres Sohnes, für das es außer einer Aussage der Mitschülerin, keine stichhaltigen Beweise zu geben scheint, von den anderen Eltern ausgeschlossen. Und das Ungesagte, also das, was genau passiert ist, bleibt lange Zeit im Raum „schweben“. Lucas Eltern führen mit ihrem Sohn ein Gespräch und versuchen so, mehr aus ihm herauszubekommen. Doch Luca schweigt, was die Situation nicht einfacher macht. Die Eltern finden einfach keinen Zugang zu ihrem Sohn. Stattdessen begegnet v.a. die Mutter ihrem Sohn zunehmend misstrauisch und beäugt ihn kritisch.

 

Erzählt wird aus der Ich-Perspektive der Mutter. In ihrer Gedankenwelt sind wir präsent. Wir erleben mit, wie sie ihrem eigenen Sohn zunehmend mit Misstrauen begegnet. V.a. die Angst, etwas in der Erziehung falsch gemacht zu haben, ist deutlich spürbar. Große Selbstzweifel und starke Sorgen werden greifbar. Die Mutter ist sehr mit sich selbst beschäftigt. Und gleichzeitig löst der Vorfall etwas bei ihr aus. Sie erinnert sich an ihre Kindheit. Und es wird schnell klar, dass sie etwas aus der eigenen Vergangenheit zu belasten scheint, was wieder an die Oberfläche dringt (das erklärt auch ihre psych. Instabilität).

 

Ich muss zugeben, dass der Titel und der Klappentext bei mir eine völlig andere Erwartungshaltung erzeugt haben. Ich hätte gedacht, dass die Handlung viel stärker in der Schule verortet ist und dass das Miteinander der Schüler eine größere Rolle spielt. Das ist aber nicht der Fall. Es ist vor allem die Vergangenheit der Mutter, die im zunehmenden Handlungsverlauf, eine immer größere Rolle erhält. V.a. die Beziehung zu den eigenen Eltern und zu den Schwestern wird in den Blick genommen und vertieft. Die Geschehnisse um den Sohn rücken sehr in den Hintergrund (was ich sehr schade fand) und lassen mich als Leser etwas ratlos zurück.

 

Bei der Lektüre werden auch einige, nicht einfach zu beantwortende Fragen aufgeworfen: Was ist kindliche Neugier und Spiel? Und ab wann werden Grenzen überschritten? Und ich wunderte mich schon darüber, was Luca für Absichten unterstellt werden (er ist 7 Jahre!). Die Erwachsenen agieren verunsichert und wirken auf mich oft verkrampft. Müssten sie sich nicht auch einmal fragen, woher ihr Sohn oder die Mitschülerin die Idee hatten, der zum Vorfall geführt hat? Der Umgang mit dem Vorkommnis ist in meinen Augen insgesamt höchst fragwürdig (auch was das Agieren der Lehrer und der anderen Eltern betrifft).

 

Das Ereignis führt dazu, dass die Mutter von Luca viel über Elternschaft nachdenkt. Und es wird offensichtlich, dass sie viel mit sich selbst ausmacht und viel in Dinge hineininterpretiert. Mit ihrem Mann spricht sie erstaunlich wenig über das, was in ihrem Kopf vorgeht. Die Partnerschaft der beiden ist einen genaueren Blick wert. Und noch weitere Themen kommen vor: Vergänglichkeit und der Umgang damit sowie Trauer und die Verarbeitung von Verlust. Die Erlebnisse aus der Vergangenheit verdrängen die aktuellen Probleme um Luca zunehmend. Das fand ich unerwartet und irgendwie auch schade. Und das Ende des Romans hat mich auch nicht wirklich erreicht. So bleibe ich mit dieser Lektüre etwas ratlos zurück. Ich hätte inhaltlich etwas anderes erwartet. Von mir gibt es 3 Sterne.

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