Das Leben in Beckomberga
Danach
lernen wir verschiedene Patientenschicksale in der Heilanstalt kennen, es
bleibt aber lange unklar, wer uns das Geschehen eigentlich präsentiert und
spricht. Später erfahren wir dann, dass es sich um Jackie handelt. Sie ist die
14-jährige Tochter desjenigen, der sich zu Beginn des Romans das Leben genommen
hat, und besucht ihn regelmäßig in der Klinik. Die Zeitebenen verschwimmen. Sie
trifft dort auf Patienten, führt viele Gespräche mit ihnen und richtet neugierige
Nachfragen an sie. Auch verliebt sie sich dort. Es wird jedenfalls deutlich,
dass das Thema Suizid allgegenwärtig ist und das Schicksal der Kranken wenig hoffnungsvoll
wirkt. Schwermut wird greifbar. Die Last des Lebens wiegt schwer.
Zwischendrin
kommt es immer mal wieder zu Notfällen, die in die Klinik eingeliefert werden.
Und zwischen dem Oberarzt und dem Opfer vom Beginn des Romans (Olof) finden
Gespräche statt. Es wird klar, dass der Oberarzt Vertrauen in ihn setzt und ihm
Mut zuspricht, das Leben außerhalb der Klinik allein bewältigen zu können. Die
Klinik ist für viele eine wichtige Stütze. Bricht sie weg, kann es für den
einen oder anderen zu einer Überforderung werden (die dann auch tragisch enden
kann). Viele haben auch die Erlaubnis, das Klinikgelände zu verlassen. Für
andere ist es aber eher Gefängnis als Klinik.
Beiläufig
werden auch Informationen zur Entstehungsgeschichte der Klinik eingebaut und
wir erfahren, welche Idee ihr überhaupt zugrunde lag (sie wurde 1995
geschlossen). Es handelt sich um den Ort „Beckomberga“ in Schweden, den es
wirklich gab. Es war eines der größten psychiatrischen Krankenhäuser Europas.
Zu Spitzenzeiten beherbergte es ca. 2000 Patienten (Ich empfehle dazu eine ausführliche
Recherche im Internet).
Die
Sprache des Buchs ist sehr poetisch, es ist nicht immer einfach, die Dialoge zu
durchdringen und einen Zugang zu ihnen zu finden. Teils sind sie chiffriert und
künstlerisch-ästhetisch gestaltet, dann aber auch einmal wieder
bedeutungsschwer. Die Gedankenführung ist oft sprunghaft und zeichnet sich
durch assoziative Verkettung aus. Das mag nicht jedem Leser und jeder Leserin
zusagen. Die Handlung ist grundsätzlich schwer greifbar, es fehlt ein klarer
roter Faden oder Spannungsbogen. Über weite Strecken herrscht Handlungsarmut. Der
Alltag in der Klinik und das, was außerhalb passiert, bleibt oft nebulös-vage.
Zudem fehlt eine klare und griffige Sprache, was das Verständnis erschwert und
eine hohe emotionale Beteiligung verhindert (leider!). Auch Bildlichkeit ist
stark ausgeprägt. Was mich aber etwas irritiert hat: Die
Vater-Tochter-Beziehung spielt in diesem Roman kaum eine Rolle und findet kaum
Erwähnung. Oder ist es gerade das, was die Beziehung der beiden ausmacht:
Abwesenheit? Insgesamt fiel es mir schwer, mich auf diesen Stil einzulassen.
Mir war es zu ästhetisch-experimentell. Deshalb nur 2 Sterne!
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