„Mache nie das Erwartbare“
Als der Moderator den
Schriftsteller ankündigt, tritt bei aller Kultursensibilität auch gleich sein
Alltagsrassismus zu tage. Herrlich! Mariella übernimmt das Wort und startet mit
dem Interview. Und es wird sofort deutlich, was für ein unangenehmer Gesprächspartner
Frederic Trömerbusch ist. Er unterbricht sie unwirsch und verhält sich ihr
gegenüber zynisch und herablassend. Ihre Fragen muss er selbst erst einmal
konkretisieren. Auf offener Bühne macht er sich über Mariella lustig.
Mitten im Gespräch fällt dann die
Lautsprecheranlage aus und die Veranstaltung muss unterbrochen werden. Trömerbusch
kehrt auf sein Hotelzimmer zurück und trifft dort auf seine jüngere Freundin
Lisa, die als sog. Outdoor-Bloggerin tätig ist. Hier werden die Hierarchie-Ebenen
zwischen den Figuren plötzlich umgekehrt. Lisa gibt den Ton an und
maßregelt Frederic. So besteht sie z.B. auf getrennten Betten. Im Privaten
wirkt Trömerbusch wie ausgetauscht. Er beschwert sich bei ihr darüber, dass sie
sich von ihm zu sehr zurückzieht. Er darf ihr körperlich nicht zu nahekommen.
Kurzum: Es macht nicht den Eindruck, als lägen beide auf einer Wellenlänge. Und
das Agieren von Trömerbusch auf der Bühne erscheint plötzlich in einem anderen
Licht: Handelt es sich bei ihm um einen verzweifelten Kompensationsmechanismus?
Auch wirkt er längst nicht mehr so selbstsicher wie noch auf der Bühne. So wird
deutlich, dass sich Trömerbusch viele Gedanken über sein Wirken auf die
Außenwelt macht. Wie kommt er bei anderen an? Wie wirkt er auf diese?
Bevor das Gespräch zwischen Mariella
und Trömerbusch fortgesetzt wird, versucht der Moderator noch einmal zu
intervenieren und bittet die Kulturjournalisten darum, keine zu hochtrabenden
Fragen zu formulieren. Das Publikum wolle unterhalten werden (ein schöner
Seitenhieb :-) Im fortgesetzten Interview wird dann u.a. der Schreibprozess
eines Romans genauer in den Blick genommen. Doch Trömerbusch behält seine unfreundliche
und belehrende Art bei. Und irgendwann kommt es dann auf offener Bühne zum
Eklat. Die Kulturjournalistin kann irgendwann nicht länger an sich halten und
fällt aus ihrer Rolle. Sie ist entsetzt von dem Auftreten des Schriftstellers
und von seinen Antworten. An diesem Beispiel wird auf äußerst humorvolle Art
und Weise deutlich, welche Herausforderungen Kulturjournalisten zu meistern
haben, wenn sie mit eitlen Autoren zu tun haben. Zwar versucht der Moderator
die Wogen zu glätten und beschwichtigend zu intervenieren, doch Brem und
Trömerbusch verhalten sich unversöhnlich. Eine höchst brisante Lage. Wie wird
es nun weitergehen? Werden die Protagonisten wieder zueinander finden und ihren
Streit beilegen? Und welche Rolle könnte Lisa dabei noch spielen? Mehr will ich
an dieser Stelle nicht verraten.
Das Buch liest sich auf jeden
Fall wieder sehr eingängig. Die Dialoge sind toll arrangiert und kunstvoll
gestaltet worden. Der Erzählton ist an vielen Stellen amüsant und Glattauer
beweist an vielen Stellen wieder eine tolle analytische Beobachtungsgabe.
Beiläufig wird auch noch der Kulturbetrieb auf die Schippe genommen und regt
alle daran Beteiligten zur Selbstreflexion an. Finde ich sehr gelungen. Zudem
ist eine klare dramaturgische Entwicklung mit einem Höhepunkt bei diesem
Einakter erkennbar. Ungefähr in der Mitte des Stücks kommt es zu einer
überraschenden Wendung, die es in sich hat. Danach folgen die Retardation und
die Auflösung. Insgesamt hat mir die Lektüre des schmalen Büchleins viel Spaß
gemacht. Ich gebe 5 Sterne.
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