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Sonntag, 16. Februar 2025

Glattauer, Daniel - Vier Stern Stunden


„Mache nie das Erwartbare“



Zu Beginn lernen wir die Kulturjournalistin Mariella Brem kennen, die aufgeregt ist, weil sie einen von ihr hochgeschätzten Schriftsteller interviewen darf. Sein Name: Frederic Trömerbusch. Man spürt deutlich, dass Mariella ihn aufrichtig bewundert und seine Werke ihr Respekt abnötigen. Das Interview ist für sie also alles andere als eine Routine-Aufgabe. Sie ist angespannt und nervös und muss sich von einer Burka-Trägerin sogar eine Zigarette leihen, um ihre Nerven zu beruhigen.


Als der Moderator den Schriftsteller ankündigt, tritt bei aller Kultursensibilität auch gleich sein Alltagsrassismus zu tage. Herrlich! Mariella übernimmt das Wort und startet mit dem Interview. Und es wird sofort deutlich, was für ein unangenehmer Gesprächspartner Frederic Trömerbusch ist. Er unterbricht sie unwirsch und verhält sich ihr gegenüber zynisch und herablassend. Ihre Fragen muss er selbst erst einmal konkretisieren. Auf offener Bühne macht er sich über Mariella lustig.


Mitten im Gespräch fällt dann die Lautsprecheranlage aus und die Veranstaltung muss unterbrochen werden. Trömerbusch kehrt auf sein Hotelzimmer zurück und trifft dort auf seine jüngere Freundin Lisa, die als sog. Outdoor-Bloggerin tätig ist. Hier werden die Hierarchie-Ebenen zwischen den Figuren plötzlich umgekehrt. Lisa gibt den Ton an und maßregelt Frederic. So besteht sie z.B. auf getrennten Betten. Im Privaten wirkt Trömerbusch wie ausgetauscht. Er beschwert sich bei ihr darüber, dass sie sich von ihm zu sehr zurückzieht. Er darf ihr körperlich nicht zu nahekommen. Kurzum: Es macht nicht den Eindruck, als lägen beide auf einer Wellenlänge. Und das Agieren von Trömerbusch auf der Bühne erscheint plötzlich in einem anderen Licht: Handelt es sich bei ihm um einen verzweifelten Kompensationsmechanismus? Auch wirkt er längst nicht mehr so selbstsicher wie noch auf der Bühne. So wird deutlich, dass sich Trömerbusch viele Gedanken über sein Wirken auf die Außenwelt macht. Wie kommt er bei anderen an? Wie wirkt er auf diese?


Bevor das Gespräch zwischen Mariella und Trömerbusch fortgesetzt wird, versucht der Moderator noch einmal zu intervenieren und bittet die Kulturjournalisten darum, keine zu hochtrabenden Fragen zu formulieren. Das Publikum wolle unterhalten werden (ein schöner Seitenhieb :-) Im fortgesetzten Interview wird dann u.a. der Schreibprozess eines Romans genauer in den Blick genommen. Doch Trömerbusch behält seine unfreundliche und belehrende Art bei. Und irgendwann kommt es dann auf offener Bühne zum Eklat. Die Kulturjournalistin kann irgendwann nicht länger an sich halten und fällt aus ihrer Rolle. Sie ist entsetzt von dem Auftreten des Schriftstellers und von seinen Antworten. An diesem Beispiel wird auf äußerst humorvolle Art und Weise deutlich, welche Herausforderungen Kulturjournalisten zu meistern haben, wenn sie mit eitlen Autoren zu tun haben. Zwar versucht der Moderator die Wogen zu glätten und beschwichtigend zu intervenieren, doch Brem und Trömerbusch verhalten sich unversöhnlich. Eine höchst brisante Lage. Wie wird es nun weitergehen? Werden die Protagonisten wieder zueinander finden und ihren Streit beilegen? Und welche Rolle könnte Lisa dabei noch spielen? Mehr will ich an dieser Stelle nicht verraten.


Das Buch liest sich auf jeden Fall wieder sehr eingängig. Die Dialoge sind toll arrangiert und kunstvoll gestaltet worden. Der Erzählton ist an vielen Stellen amüsant und Glattauer beweist an vielen Stellen wieder eine tolle analytische Beobachtungsgabe. Beiläufig wird auch noch der Kulturbetrieb auf die Schippe genommen und regt alle daran Beteiligten zur Selbstreflexion an. Finde ich sehr gelungen. Zudem ist eine klare dramaturgische Entwicklung mit einem Höhepunkt bei diesem Einakter erkennbar. Ungefähr in der Mitte des Stücks kommt es zu einer überraschenden Wendung, die es in sich hat. Danach folgen die Retardation und die Auflösung. Insgesamt hat mir die Lektüre des schmalen Büchleins viel Spaß gemacht. Ich gebe 5 Sterne.

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