Rache (enthält Spoiler!)
Die zweite Staffel von „The last of us“ setzt fünf Jahre nach den Ereignissen der ersten Staffel an. Ellie und Joel sind wieder in der Gemeinschaft Jackson untergekommen, in der Joels Bruder Tommy mit seiner Familie lebt (schon in Staffel 1 tauchte Jackson auf). Und es wird sofort klar, dass Ellie älter und reifer geworden ist. Zusammen mit anderen geht sie auf Patrouille, um die Siedlung vor äußeren Feinden zu schützen, und sie trainiert und verbessert ihre kämpferischen Fähigkeiten.
In dieser Staffel macht die 19-jährige Ellie einen äußerst rebellischen und unversöhnlichen Eindruck. An einigen Stellen kommt ihr jugendlicher Leichtsinn und ihre emotionale Impulsivität zum Vorschein. Nicht immer hält sie sich an Regeln. Sie unterschätzt Gefahren und lässt Ernsthaftigkeit auf Patrouillen vermissen. Ihre Beziehung zu Joel ist angespannt. Sie lehnt ihn als ihren Beschützer ab und es macht den Eindruck, als wollte sie sich grundsätzlich von ihm emanzipieren (den Grund dafür erfährt man später). Kurzum: Sie will auf eigenen Beinen stehen. Joel fühlt sich zurückgewiesen und weiß nicht, was er tun soll, um Ellie wieder näherzukommen.
Die Charakterzeichnung der Figuren und das Zusammenspiel von Ellie mit Joel sowie mit anderen Charakteren ist wieder sehr gelungen. Noch dazu gibt es bereits in der zweiten Folge eine große Überraschung, mit der ich nie gerechnet hätte (ich kenne das Spiel nicht) und die den Handlungsverlauf in eine völlig neue Richtung lenkt: Joel wird umgebracht und Ellie schwört daraufhin Rache. Sie will die Mörder von Joel ausfindig machen und geht dafür ein großes Risiko ein. Für mich wirkt sich der Verlust von Joel negativ auf den Inhalt aus. Er war eine Figur mit großer Zugkraft. Die erste Staffel lebte v.a. von der gelungen Darstellung des Beziehungsverhältnisses von Joel und Ellie. Und insbesondere die vorletzte Folge, in der Joel noch einmal im Rückblick auftaucht, hat mir deutlich gemacht, dass der Serie ohne ihn etwas Wichtiges fehlt. Andere Figuren können die hinterlassene Lücke nicht ausfüllen. Schade!
In meiner Rezension zur ersten Staffel hielt ich fest, dass die Serie dem Zombie-Genre neue Impulse verleiht. In vielen Aspekten unterscheidet sie sich von „The Walking Dead“ (vgl. dazu meine frühere Rezension). So auch dieses Mal. In der Siedlung Jackson ist ein weitestgehend harmonisches Leben möglich. Es gibt keinen gestörten, psychopatischen Anführer (man denke nur an den Governor oder Negan), der seine eigenen Ziele verfolgt und eine Schreckensherrschaft etabliert. Nein, das Zusammenleben zeichnet sich durch Hilfsbereitschaft und gegenseitige Unterstützung aus. Auch scheinen sich die Infizierten weiterzuentwickeln. Einige von ihnen weisen ein gewisses Maß an Intelligenz auf und verhalten sich plötzlich anders. In „The Walking Dead“ gab es bei den sog. Beißern keine solche Evolution. Dies könnte noch für eine spannende Dynamik in den nächsten Staffeln sorgen.
Doch es gibt auch Elemente, die sehr stark an „The Walking Dead“ erinnern und die mich wenig begeistern konnten, weil man sie einfach schon zu oft gesehen hat. Die Bedrohung der Siedlung durch eine Herde Infizierter ist nicht neu. Den Sturm auf Jackson hätte ich nicht gebraucht. Und noch etwas: Das zentrale Motiv, das sich durch Staffel 2 zieht, ist Rache. Überlebende aus dem Krankenhaus wollen sich an Joel rächen. Danach will sich Ellie an den Mördern von Joel rächen. Mit anderen Worten: Es geht v.a. wieder darum, dass der Mensch des Menschen Wolf ist. Auch das kennt man schon! Die Tatsache, dass Ellie immun ist und mit ihrer Hilfe ein Heilmittel hergestellt werden könnte, spielt nun gar keine Rolle mehr. Stattdessen geht es um Ellies Racheplan, der sehr unausgegoren wirkt und wenig glaubwürdig wirkt. Sie weiß eigentlich nicht einmal, mit welchem Gegner sie sich eigentlich anlegt. Ziemlich blauäugig! Dass Ellie es mit einer ganzen Armee aufnimmt, ist mir einfach zu weit hergeholt und unrealistisch. Das hat mich einfach nicht überzeugt, zumal ihre kämpferischen Fähigkeiten sehr zu wünschen übriglassen. Fazit: Die zweite Staffel hat mich längst nicht so aus den Socken gehauen wie die erste Staffel. V.a. die letzte Folge war enttäuschend. Zu hektisch, zu unlogisch. Noch dazu ein fieser Cliffhanger.
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