Sehr gute erste Buchhälfte, danach leider Qualitätsverlust
Was
wäre, wenn Astronomen im All eine ungeheuerliche Entdeckung machen, die das
Schicksal der Menschheit bedroht? Und was wäre, wenn nur ein einzelnes
Raumschiff mit einer Drei-Personen-Besatzung diese Katastrophe noch abwenden
könnte? Und was kann die Menschheit tun, um ihr Überleben zu sichern? Genau
darum geht es in dem Science-Fiction-Roman „The Hole“ von Brandon Q. Morris,
der eigentlich Matthias Matting heißt. Und mir kamen direkt Assoziationen zu
„Vakuum“ von Phillip P. Peterson (vgl. eine frühere Rezension). Denn das
Setting ist ähnlich: Katastrophe droht die Menschheit auszulöschen, Menschheit
versucht ihre Existenz zu sichern.
Allerdings
ist es nicht ganz fair, beide Autoren einfach in einen Topf zu werfen, denn im
direkten Vergleich mit „Vakuum“ ist mir aufgefallen, dass bei Morris die
Figurenzeichnung besser gelingt. So haben wir einerseits die Besatzung des
Raumschiffs Kiska, Doug, Maria und Sebastian, die in einem recht harmonischen
Miteinander zusammen leben und deren Alltag wir begleiten. Dabei erhalten wir
einen interessanten und anschaulichen Einblick in das Leben auf einem
Raumschiff und lernen die Herausforderungen kennen, die ein solches Leben mit
sich bringt. Gelungen ist auch die Idee, mit Watson und später Siri Künstliche
Intelligenzen einzuführen, die ein eigenes Bewusstsein haben und mit der Crew
interagieren. Watson und Siri unterstützen die Drei dann bei der Lösung ihres
Problems mit dem primordialen Schwarzen Loch.
Andererseits
haben wir auf der Erde die Astronomin Maribel und ihren egozentrischen Chef
Dieter Zetschewitz, einen anerkannten, renommierten Forscher, die beide eher
zufällig auf das bedrohliche Phänomen aufmerksam werden. Insbesondere die
Gestaltung des Beziehungsverhältnisses von Maribel und Zetschewitz ist sehr gut
gelungen. Hier wird deutlich, in was für einem „Haifischbecken“ man als
Nachwuchswissenschaftler unterwegs ist. Maribel leistet ihrem Chef Zuarbeit,
entdeckt die Sensation und muss dann fürchten, dass Zetschewitz ihr den Erfolg
der Entdeckung streitig macht. Das alles fand ich reizvoll zu lesen. Leider
verliert die gut gestaltete Beziehung zwischen Maribel und ihrem Chef aber im
Verlauf der Handlung zunehmend an Bedeutung, weil sich der erzählerische
Schwerpunkt nach Entdeckung des Schwarzen Lochs hin zu etwas anderem
verschiebt: dem Bau einer Arche. Dieser Erzählstrang konnte mich leider nicht
mitreißen, deswegen hat das Buch für mich ab S. 150 deutlich an Erzählkraft und
Qualität verloren.
Und
daran wurde für mich deutlich, wo ein weiterer Unterschied zwischen „Vakuum“
von Peterson und „The Hole“ von Morris liegt. In puncto Spannungsintensität
kann das Werk von Morris nur auf den ersten 150 Seiten mit Petersons Buch
mithalten. Danach fällt die Spannungskurve in „The Hole“ nach meinem Empfinden deutlich
ab. Spannend und packend zu lesen war für mich dann lediglich noch der
Handlungsstrang um Doug, Maria und Sebastian, die sich zusammen mit Watson und
Siri darum kümmern, die Bedrohung auszuschalten. Hier fand ich v.a. gelungen,
wie kosmologisches Wissen anschaulich und nachvollziehbar in die Handlung integriert
und erklärt wurde.
Vielleicht
wäre es aber besser gewesen, Zetschewitz und Maribel zu einem Team
zusammenwachsen zu lassen, das seinerseits auf der Suche nach einer Lösung für
das Problem ist, und das dann mit der Crew des Raumschiffs Kiska in Kontakt tritt?
Auch der Verweis auf die Enceladus-Expedition und die damit verbundene
Entdeckung habe ich nicht als positiv empfunden, was daran liegen mag, dass ich
die Bücher um diese Mission nicht gelesen habe.
Abschließend
möchte ich aber noch festhalten, dass mich der Autor dennoch mit etwas anderem
sehr überzeugt hat: Nach Abschluss der Geschichte hat Morris einen sehr
lesenswerten Sachtext mit dem Titel „Die neue Biografie Schwarzer Löcher“
verfasst. In diesem wird Hintergrundwissen zu dem Phänomen eines Schwarzen
Lochs vermittelt, und das auf eine anschauliche und lesenswerte Art und Weise. Und
die Ausführungen sind mit 35 Seiten Länge ziemlich umfassend und ausführlich.
Das fand ich toll. Ich werde auf jeden Fall weitere Bücher des Autors lesen, um
mir ein genaueres Urteil über seine Werke erlauben zu können.
Fazit:
Ein Hard-Science-Fiction-Roman mit gelungener Figurenzeichnung und einer sehr guten ersten Buchhälfte. Das Werk büßt nach meinem Empfinden aber ab S. 150 an Spannung und Erzählkraft ein. Lobenswert ist der Sachtext „Die neue Biografie Schwarzer Löcher“ am Ende des Buchs. Es ist genau das richtige Buch für solche Science-Fiction-Leser, die beiläufig auf anschauliche Art und Weise noch kosmologisches Wissen vermittelt bekommen möchten. Ich gebe drei Sterne!
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