„Da brat mir einer einen Storch“
Schon
der Einstieg ins Buch „Madame Kunterbunt und das Geheimnis der Mutmagie“ von
Thilo ist gut gelungen, wird doch direkt eine schauerliche Atmosphäre in der
letzten Feriennacht vor Beginn der Schule deutlich. Es ist kurz vor
Mitternacht, stürmisch, ein Fensterflügel springt auf, es tobt ein Gewitter.
Das erzeugt sofort Spannung bei den jungen ZuhörerInnen und LeserInnen und
sichert Aufmerksamkeit, vor allem als dann auch noch jemand um die benachbarte
Villa herumschleicht und einen Regenbogen entstehen lässt. Am nächsten Tag
lernen Nick und Nicky, Cousin und Cousine, dann ihre neue Lehrerin, Frau
Kunterbunt kennen und erleben einiges an Magie in der Schule. Gut finde ich,
dass durch das Thema direkt ein Lebensweltbezug vor allem für Schulkinder
hergestellt wird. Und schnell wird klar, dass Madame Kunterbunt nicht als reine
Wissensvermittlerin auftritt, sondern sich viel durch die Kinder erklären
lässt, sie stärkt sie so in ihrer Selbstwirksamkeit, so dass die Kinder über
sich hinauswachsen. Das ist eine schöne Botschaft. Madame Kunterbunt selbst
wirkte auf mich wie eine Art erwachsene Pippi Langstrumpf, etwas abgedreht und
chaotisch, aber jederzeit liebenswert. Mit den Kindern setzt sie projektartigen
Unterricht um: Gemeinsam wird ein Blumen- und Beerenbeet angelegt, der Schulhof
wird neu gestaltet. Und darüber hinaus hat sie noch zwei streitlustige Chamäleons
dabei, Cilly und Rosso, die mit ihren Schimmerschuppen Wünsche erfüllen können
und in Form einer putzigen Sprache kommunizieren. Mit den eigenen Kindern kann
man also gut über das Thema „Wunschschule“, aber auch über das Thema
„Streitschlichtung“ sprechen. Es gibt nämlich eine schöne Stelle, wo die
SchülerInnen ihrer Lehrerin erklären, wie man sich gegenüber von zwei
streitenden Parteien zu verhalten hat. Eine weitere schöne Leerstelle hat sich
der Autor überlegt, indem er das Gespräch zwischen dem pedantischen Rektor
Berthold Plümpe, der anfangs als Spaßverderber auftritt, und Madame Kunterbunt,
unerwähnt lässt. Was mögen die beiden wohl miteinander besprochen haben? Auch
darüber kann man gut mit dem eigenen Nachwuchs grübeln.
Das
Buch bietet aber noch mehr als nur pädagogische Botschaften. Im letzten Drittel
wird es auch spannend, als es zu einem Wasserschaden kommt und eines der
Chamäleons spurlos verschwindet.
Weitere
Ideen, die mir sehr gut gefallen haben: Die Sprache „Konsonantisch“, die zum
Nachmachen einlädt und den jungen ZuhörerInnen und LeserInnen die Funktion von
Vokalen im Wort verdeutlicht, die Erwähnung einer gendergerechten Sprache auf
amüsante Art und Weise („Liebe Kinder und Kinderinnen“) sowie den freundlichen
Bäcker Herrn Schrot, der Nick und Nicky gerne aufzieht.
Bei
allem Positiven möchte ich aber auch noch einige wenige Kritikpunkte anbringen:
1. Meine Kinder und ich hätten es schön gefunden, wenn noch mehr zur Wirkweise
des Zauberns erwähnt worden wäre und wenn sogar noch mehr gezaubert worden
wäre, 2. Die scherzhaft gemeinte Vermutung von Nick, dass Madame Kunterbunt
sich womöglich nur das Vertrauen der Kinder erschleichen will, um ihnen das
Gehirn auszusaugen (wird insgesamt drei Mal erwähnt), hätte ausgelassen werden
können. Deswegen nur 4 Sterne, aber trotzdem eine Leseempfehlung!
Fazit:
Ein Kinderbuch, das viele Ideen aufweist, auch um mit dem eigenen Nachwuchs Dinge kreativ weiter zu besprechen, das liebenswerte Figuren und Tiere enthält, das in meinen Augen aber auch eine „kleine“ Stolperstelle aufweist.
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