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Donnerstag, 7. April 2022

Barton, Cecile - Die Königin des Himmelreichs



2 von 5 Sternen


Überfrachteter Roman mit historischen Ungenauigkeiten 

Im Nachgang zu Ulf Schiewes „Die Mission des Kreuzritters“ las ich von Cecile Barton „Die Königin des Himmelreichs“, um mehr über Melisende von Jerusalem aus dem 12. Jh. zu erfahren. In ihrem Werk zeichnet die Autorin den Lebensweg dieser interessanten Frauenfigur von 1113 bis 1152 nach und thematisiert dabei einzelne Stationen. Die Darstellung beginnt mit Melisendes Kindheit in Edessa (1113), wo sie schon früh durch ihren Vater Balduin II. in die Regierungsgeschäfte einbezogen wird. Zeitgleich wird der Aufstieg des Grafen Fulko von Anjou in Frankreich beleuchtet (1113-1115), der seinen Machtbereich stetig erweitert und dabei kompromisslos, hart und als guter Stratege agiert, und der ohne Skrupel bereit ist, für seine Macht Soldaten zu opfern. Als weiterer Handlungsstrang werden die Ereignisse um die fiktive Figur Rashid ibn al Sadre ausgeführt, der als Assassine seinem Herrn Zafar zunächst treu ergeben ist und sich durch Klugheit und Intelligenz auszeichnet. Zwischen ihm und Melisende entsteht eine besondere Beziehung, die jedoch rein fiktiv ist. Als nächste wichtige Stationen werden die Krönung Balduins II. als König von Jerusalem (1118) ebenso thematisiert wie der Tod von Fulkos Ehefrau Erembuge (1126) und die Hochzeit von Fulko und Melisende (1129). Viel Raum nimmt dann die Darstellung der Rivalität zwischen Fulko und Melisende ein (1129-1134), die Spannungen in der Machtpolitik werden gut veranschaulicht. Eingestreut in die recht sachlich, nüchtern und distanziert geschilderten Ausführungen werden immer auch Vorausdeutungen in das Jahr 1152, wo sich die gereifte und weitsichtige Melisende erneut einen Machtkampf liefert, dieses Mal mit ihrem Sohn Balduin III. Dieser Konflikt wird dann auf den letzten 50 Seiten des Buchs ausführlich ausgebreitet.

Was mir gut an dem Buch gefallen hat war die beiläufige Vermittlung historischer Kenntnisse, z.B. zu Belagerungs- und Gefechtstaktiken, zur Lebenspraxis der Assassinen, zu medizinischem Wissen jener Zeit, zur Behandlung von Frauen im Islam, zu muslimischen Glaubenslehren und zur Gebetspraxis, zum Zusammenleben von Franken und Muslimen, zum Umgang mit Ehebruch im Islam und im Christentum, zu der Hierarchie von Herrschern und Beherrschten und nicht zuletzt zu den politischen Ränkelspielen in der Levante, zu denen v.a. auch Intrige und Verrat zählten.

Allerdings hat mich das Buch von Cecile Barton in vielen anderen Bereichen nicht überzeugen können. Zum einen habe ich den Schreibstil als viel zu sachlich empfunden, das Werk bietet zu wenig Erzählkraft und kaum Spannung. Es liest sich eher wie ein pragmatischer Text, was in meinen Augen auch daran liegt, dass die Charakterzeichnung der Figuren, mit Ausnahme von Melisende und Rashid, kaum eine Rolle spielt, es fehlt die psychologische Tiefe und die dargestellten Beziehungsverhältnisse zwischen den Figuren wirkten auf mich oberflächlich und statisch konzipiert. Auch verzichtet die Autorin darauf, eine passende und authentische Atmosphäre einzufangen und zu porträtieren. Das habe ich v.a. bei den kämpferischen Auseinandersetzungen vermisst. Nach meinem Empfinden hat sich die Autorin nicht genug Raum zur Ausgestaltung der einzelnen Ereignisse genommen. Sie hätte sich lieber eine Episode aus dem Leben von Melisende herausgreifen und diese vertiefen sollen, als eine Chronologie zu entwerfen. Ich hätte es besser gefunden, wenn die Autorin sich beispielsweise auf den Konflikt zwischen Fulko und Melisende oder den von Balduin III. und Melisende beschränkt hätte. Ich hatte das Gefühl, dass Barton sich zu viel vorgenommen hat. Den Zwist von Melisende und ihrem Sohn auf 50 Seiten abhandeln zu wollen, kann nicht gelingen. Und gerade zum Ende hin merkt man, dass der Roman einerseits überfrachtet wirkt und andererseits auch nicht dem Anspruch einer Chronologie genügen kann. So fehlen z.B. die Jahre 1134-1151, so dass man z.B. nicht weiß, was mit der angesprochenen Teilung des Reichs gemeint ist. Gleichzeitig wird auch noch die problematische Beziehung von Hodierna und Raimund knapp integriert, mit der man wohl allein ein weiteres Buch hätte fühlen können.

Was auch auffällt, sind historische Ungenauigkeiten, wo sie in meinen Augen nicht nötig sind, da sie anders überliefert wurden. So werden z.B. die Geschehnisse um den vermeintlichen Geliebten von Melisende, Hugo, historisch inkorrekt in die Handlung integriert (vgl. dazu Runciman 1983: 495-496). Und auch die Einigung zwischen Balduin III. und Melisende wird nur sehr ungenau wiedergegeben (vgl. dazu Runciman 1983: 638-639). Dies hat mich als Leser sehr verunsichert, denn ich wusste beim Lesen nun nicht mehr, was fiktiv und was historisch korrekt ist. Und mit Sicherheit habe ich längst nicht alle Unzulänglichkeiten entdeckt, weil ich kein Historiker bin. Das sollte meiner Meinung nach in einem historischen Roman nicht passieren. In einem historischen Roman erwarte ich, dass das, was tatsächlich bekannt ist, auch angemessen berücksichtigt und nicht falsch dargestellt werden. Oder es müsste im Nachwort in irgendeiner Form thematisiert werden. Dieses ist allerdings viel zu knapp und wenig informativ, was das Thema Fiktion und Wirklichkeit angeht. Hinzu kommt auch, dass ein Personenregister ebenso fehlt wie ein weiterführendes Literaturverzeichnis. Das ist in meinen Augen ein klares Manko.

Fazit

Ein überfrachteter historischer Roman mit einem zu sachlich-distanzierten Schreibstil, der noch dazu historische Ungenauigkeiten aufweist. Keine Empfehlung! Ich habe für meine Einschätzung auf das Buch von Steven Runciman „Geschichte der Kreuzzüge“ (1983) zurückgegriffen.

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