Das Bronsky-Comeback
Nach den großartigen Anfangswerken „Scherbenpark“ und „Baba Dunja“ waren die nachfolgenden Romane „Der Zopf meiner Großmutter“ und „Nenn mich einfach Superheld“ nur Durchschnitt und für mich etwas enttäuschend. Mit „Barbara stirbt nicht“ knüpft Alina Bronsky jedoch wieder an gute alte Zeiten an und legt einen gelungenen Roman vor, der vor allem mit der Charakterzeichnung von Walter Schmidt besticht. Dieser agiert zu Beginn des Romans unselbstständig und hilflos, er ist nach 52 Jahren Ehe völlig abhängig von seiner Frau Barbara, gefangen in seinen Routinen und überfordert mit der Situation, dass Barbara aus gesundheitlichen Gründen das Bett hüten muss. Vorbei ist nun die Zeit, als Walter sich völlig auf seine Barbara verlassen konnte und keine Ahnung von simpelsten Haushaltsdingen haben durfte. Walter Schmidt erscheint uns als alter, intoleranter Griesgram, der vor allem zu Beginn des Romans wenig emotional und empathisch mit Barbara umgeht, er entpuppt sich als engstirniger Spießbürger mit Vorurteilen und erkennbaren alltagsrassistischen Einstellungen. Doch er entwickelt sich. Er lernt dazu. Zwar wird er kein gänzlich anderer Mensch, und er wird uns nicht ausnahmslos sympathisch, aber zumindest lernt er, sich selbst und Barbara zu versorgen. Und er drückt seine Zuneigung gegenüber Barbara dadurch aus, dass er ihr das kocht, was sie wünscht und sie immer wieder zum Essen auffordert.
Im
Roman werden die Stationen der Selbstständigkeitsentwicklung von Walter
humorvoll in Form der Fortschritte seiner Kochkünste beschrieben: Schafft er es
zu Beginn nicht einmal, sich einen Kaffee oder gar eine Kartoffel sowie
Grießbrei zu kochen, mausert er sich allmählich zu einem „Helden“ in der Küche,
er schreckt sogar vor der Zubereitung von Borschtsch nicht zurück. Sehr amüsant
wird dabei immer wieder Schmidts direkte sachliche Art dargestellt, immer um
Präzision bemüht, Emotion liegt ihm nicht. Und erstaunlich ist der Wandel, den
Schmidt im Laufe des Romans vollzieht. Er ist bereit an sich zu arbeiten, sucht
sich Hilfe im Internet. Was er aber nicht mag, ist, wenn man ihm ungefragt
seine Hilfe anbietet.
Beiläufig
wird auch die problematische Eltern-Kind-Beziehung in die Handlung einbezogen.
Sebastian und Karin, die erwachsenen Kinder mit eigenen Problemen, kommen dann
und wann zu Besuch, beide sind um das Wohlergehen ihrer Eltern besorgt, aber
sie haben auch ihr eigenes Leben zu meistern, und die Distanz zwischen Walter
Schmidt und seinen Kindern ist jederzeit spürbar.
Nicht
unerwähnt lassen, möchte ich aber auch, worüber ich beim Lesen gestolpert bin.
Das ist einmal der Umstand, dass unklar bleibt, was Barbara nun eigentlich
genau hat. Ich habe mich auch gefragt, warum sie und Walter kaum medizinische
Hilfe in Anspruch nehmen. Das bleibt eine Leerstelle, die mich etwas unbefriedigt
zurückgelassen hat. Ebenfalls gestört hat mich, dass das letzte Drittel des
Romans auf mich etwas sprunghaft gewirkt hat, das Ende ist nicht rund. Das, was
zu Beginn so toll angelegt wurde, wird nicht stringent weitergeführt. Es gibt
eine Zäsur, eine unerwartete Wendung, die den inhaltlichen Schwerpunkt
verlagert. Das hat mich an die erzählerische Gestaltung von „Nenn mich einfach
Superheld“ erinnert, und ich empfand es als etwas holprig. Irgendwie scheint
Bronsky mit dem Abschluss ihrer Romane immer so ihre Schwierigkeiten zu haben. Durch
die Zäsur am Ende ist man auch irritiert, was man nun von Herrn Schmidt halten
soll. Er macht es einem als Leser nicht leicht, ihn zu mögen, viel an ihm
verstört, ungeachtet seiner positiven Entwicklung zum „Hausmann“. Walter ist
auf jeden Fall eine komplizierte, mehrschichtige Persönlichkeit, und das
erzählerisch zum Ausdruck zu bringen, ist letztlich gelungen, auch wenn ich
Herrn Schmidt gerne noch mehr ins Herz geschlossen hätte, als er es mir möglich
gemacht hat. Letzter Punkt: Auch die Figuren Lydia und Harry hätten in meinen
Augen noch mehr Raum zugestanden bekommen können. So richtig ausgestaltet,
empfand ich die Beziehungsverhältnisse zwischen Lydia und Walter sowie zwischen
Harry, Walter und Barbara nicht.
Fazit:
Ein Roman im typischen Bronsky-Stil, schwarzhumorig-bissig, pointiert, humorvoll, deutlich besser als „Der Zopf meiner Großmutter“ und „Nenn mich einfach Superheld“, aber nicht so gut wie „Scherbenpark“ oder „Baba Dunjas letzte Liebe“. Das Ende ist etwas unrund, deshalb nur 4 Sterne. Trotzdem eine Leseempfehlung!
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen