Vom zügellosen Leben in Seoul
Im
Roman „Love in the big city“ von Sang Young Park verfolgen wir den
Protagonisten Young auf einigen Stationen seines Lebenswegs in der
südkoreanischen Hauptstadt Seoul und lernen dabei seinen Lebensstil kennen, der
sich vor allem dadurch auszeichnet, dass er frei ist von Verantwortung
gegenüber anderen. Young lebt sein Leben ungehemmt, Spaß, (teils ungeschützter)
Sex und Alkohol stehen für ihn im Vordergrund, er gibt sich der Leichtigkeit
eines zügellosen Lebens hin. Jede Nacht zieht er durch Bars und Clubs. Dann
trifft er auf seine große Liebe.
Der
Roman teilt sich in vier Abschnitte. Anfangs führt Young sein Partyleben nicht
allein, wir lernen seine beste Freundin und Mitbewohnerin Jaehee kennen, die
sich aber irgendwann für die Heirat und eine solide Lebensführung entscheidet.
Im zweiten Abschnitt wird Youngs Beziehung zu seiner sehr gläubigen Mutter
vertieft, die an Krebs leidet und um die er sich (teils wenig empathisch)
kümmert. Sie lehnt ihn aufgrund seiner sexuellen Orientierung ab, die sie sogar
als Krankheit empfindet. Auch lernen wir einen Partner Youngs genauer kennen,
der seine eigene Homosexualität verleugnet. Im dritten und vierten Teil des
Romans lernen wir dann die große Liebe von Young kennen: Gyu-ho.
Was
diesen Roman im Wesentlichen auszeichnet, ist ein facettenreiches Porträt des
Jungseins des homosexuellen Studenten Young von Anfang 20 bis Ende 30 in Seoul
zu zeichnen, der immer wieder neue Beziehungen zu Mitmenschen eingeht, zu denen
die Verbindung dann aber auch abrupt und hart wieder abreißt. Teilweise
verlaufen die Kontakte auch nur absolut oberflächlich. Young wirkt auf mich
unheimlich einsam, weil er sich bei aller Lässigkeit und Leichtigkeit, die ihn
auszeichnet, auf niemanden dauerhaft einlässt. Inwieweit dieses Beispiel aber
stellvertretend für das Lebensgefühl einer ganzen Generation in Südkorea stehen
kann, wie es der Klappentext verspricht, vermag ich nicht einzuschätzen. Ich
halte es aber für etwas hochgegriffen, hier von einem „Psychogramm eines
faszinierenden Landes“ zu sprechen, wie es dem Leser/der Leserin reißerisch auf
dem Buchrücken verkauft wird, zumal ein solches Lebensgefühl, wie es in diesem
Buch beschrieben wird, auch vielen jungen Menschen in Deutschland oder in
anderen Teilen auf der Welt nicht unbekannt sein dürfte. Schon gar nicht
erkenne ich in dem Gelesenen „eine Heldengeschichte von gewaltiger Zärtlichkeit“,
wie der Verlag es verspricht. Für mich ist es eher das Gegenteil, denn der
Protagonist Young schafft es ja nicht einmal sich selbst vor dem Gefühl von
Einsamkeit zu retten. Und auch wenn Young für seine Liebhaber viele Emotionen
hegt, erhält er davon doch nur wenig zurück.
Für
mich war der Roman zwar interessant, aber auch kein Highlight. Die Handlung
„plätschert“ so vor sich hin. Ich empfand die Schilderung des Partylebens und
der zwischenmenschlichen Beziehungen von Young weder als sonderlich ereignis-
und abwechslungsreich noch als spannend oder tiefsinnig. Besondere kulturelle
Einblicke in das Land habe ich auch nicht erhalten. Es gab auch keine
Textstelle, die ich jetzt als typisch „südkoreanisch“ einschätzen würde. Da hatte ich mir deutlich
mehr erhofft. Dieses Buch kann man also lesen, man muss es aber auch nicht
unbedingt.
Fazit:
Ein Roman, in dem am Beispiel von Young ein interessantes Lebensgefühl von Jungsein zum Ausdruck gebracht wird, der aber auch mit eindeutig zu vielen Superlativen vom Verlag beworben wird.
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