"Was
gute Menschen denken, das führen böse Menschen aus"
In seinem Thriller „Pacific Crest Trail Killer” nimmt Christian Piskulla den Leser mit auf einen 4300 Kilometer langen Wanderweg entlang der Westküste der USA und schildert packend, wie auf diesem Trail ein Serienmörder sein Unwesen treibt. Dabei wird in flotten Perspektivwechseln und kurzen Erzählabschnitten, die Spannung und Dynamik erzeugen, der Killer ebenso in den Blick genommen wie ein FBI-Ermittlerteam aus Los Angeles, in dem der Chefermittler Steve Cortez die tragende Rolle spielt. Cortez ist ein sehr stark gezeichneter Charakter, die Ermittlung nimmt ihn völlig in Beschlag, er wirkt ständig überarbeitet und am Rande der Depression, ist aber mit einer genialen Beobachtergabe ausgestattet. Eine weitere zentrale Figur ist Mark Stetson, ehemaliger Militärpolizist, stets clever in seinen Schlussfolgerungen und zufällig unterwegs auf dem Trail, als der erste Mord passiert. Er untersucht als Erster den Fundort der Leiche und wird aufgrund seiner Kenntnisse als Wanderer vom FBI als Sonderermittler angeheuert. Zwar bleibt er auf den ersten 200 Seiten noch recht blass, doch im Laufe der Zeit reift er immer mehr zu einer Führungsfigur heran, er spielt dann im letzten Drittel des Romans eine tragende Rolle. Seine zentrale Aufgabe: auf dem Trail weiter ermitteln. Aus dem FBI-Ermittlerteam rücken ebenfalls weitere Figuren in den Fokus des Lesers, so z.B. Rocco Ramirez, Bill King oder Henry Peters. Was dem Autor dabei in meinen Augen gut gelingt, ist die Stimmung des Ermittlerteams einzufangen, denn es handelt sich um eine außergewöhnlich Truppe, viele Kollegen sind zerstritten, machen sich übereinander lustig, sind rüde und sexistisch im Umgang miteinander, einige wollen sich versetzen lassen. Insgesamt herrscht also keine angenehme Arbeitsatmosphäre, doch mit der Zeit wächst das Team dann immer stärker zusammen, v.a. als es darum geht, den Killer aufzuspüren. Was ebenfalls gut gelingt, ist die anschauliche Schilderung der psychischen Strapazen, die man als FBI-Agent auf Mördersuche erlebt, sowie die Darstellung der Ermittlungsarbeit. Das Netz des FBI wird mit der Zeit immer engmaschiger und zieht sich immer mehr zusammen. Das wird äußerst spannend erzählt. Vor allem im letzten Drittel beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit, die letzten 100 Seiten entfalten eine ungeheuerliche Sogwirkung, was auch an den knappen Erzählabschnitten und raschen Perspektivwechseln zwischen Ermittlerteam und Täter liegt, bei denen man als Leser aber nie die Übersicht verliert. Darüber hinaus ist auch die Idee, dass der Killer einen Mentor hat, geschickt konzipiert, um die Spannung hochzuhalten.
Der
Täter wird erst ziemlich spät genauer charakterisiert. In der ersten Hälfte
bleibt er blass, kommt kaum vor, doch nachdem ihm das FBI immer näher kommt,
erfahren wir auch etwas über seine schlimme Kindheit und Jugendzeit. Hier will
der Autor natürlich der Frage nachgehen, was jemanden zum Mörder macht und regt
zum Nachdenken an. Kritisch beleuchtet er in diesem Zusammenhang die
Rekrutierungspraxis der US-Army und den Umgang mit Kriegsverbrechern innerhalb
des Militärs. Darüber hinaus problematisiert Christian Piskulla mit seinem
Thriller auch die sexuellen Abgründe der menschlichen Gesellschaft und in
Unterhaltungsmedien. Und das sind nicht die einzigen Themen, die der Autor
streift. Nein, man erfährt in diesem Buch auch Näheres über die Ausgestoßenen
der amerikanischen Gesellschaft. In düsterer Atmosphäre werden schäbige Motels
ebenso thematisiert wie das Leben in Trailerparks. Obdachlosigkeit ist
ebenfalls ein Thema. Neben diese dunklen Seiten widmet sich der Autor aber auch
den schönen Seiten des PCT. So erhält man einen Einblick in das Treiben auf dem
Trail, in die Gefahren beim Wandern, in schöne Naturbeschreibungen, in die
Kultur der Hiker auf dem Trail. Auch benötigtes Equipment für die Wanderung
wird kenntnisreich beschrieben. Das alles verleiht der Geschichte ein hohes Maß
an Authentizität.
Lobend
erwähnen möchte ich auch, dass der Autor bei der Darstellung der Taten des
Killers darauf verzichtet, diese detailliert zu beschreiben. Denn solche
Inhalte finde ich persönlich abstoßend und möchte sie auch nicht lesen. Deshalb
finde ich es sehr gut, dass Piskulla darauf verzichtet hat.
Das
einzige, was ich an diesem Thriller kritisieren kann, ist die Tatsache, dass er
manchmal etwas zu ausschweifend gerät. Es gibt viele Verzweigungen und
Verästelungen, bei denen Kürzungspotential vorhanden gewesen wäre. In meinen
Augen hätte z.B. die Handlung um den karrieristischen Blackwater, der ein
Dienstvergehen begeht und später Rache an Cortez nehmen will, ausgespart
bleiben können. Auch im Zusammenhang mit Rebecca di Romania und ihren sexuellen
Abenteuern hätten meiner Meinung nach
Kürzungen gut getan. Trotzdem bleibt der Thriller erstklassig!
Fazit:
Ein überaus spannender Thriller mit packendem Finale, starken Figuren, packender, teilweise düsterer Atmosphäre und viel Potential zum Nachdenken. Klare Leseempfehlung!
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