Kann nicht mit „Scherbenpark“ oder „Baba Dunjas letzte Liebe“ mithalten
In
ihrem Roman „Nenn mich einfach Superheld“ erzählt Alina Bronsky von Marek, der
– entstellt nach einer Kampfhundattacke – an einer Selbsthilfegruppe für Jugendliche
mit körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen teilnimmt. Diese Gruppe
besteht aus insgesamt sechs Mitgliedern und einem Therapeuten, der von Marek
nur „der Guru“ genannt wird. Neben dem selbstironischen Marek, der stets eine
Sonnenbrille trägt und von den meisten Leuten auf der Straße geschnitten wird,
gibt es noch den blinden Marlon, Janne im Rollstuhl, Richard mit Beinprothese,
Friedrich mit der Autoimmunerkrankung und den psychisch-kranken, homosexuellen
Kevin, der sich selbst als „Psycho-Tunte“ bezeichnet. Von den sechs
Protagonisten bleiben Richard, Friedrich und Kevin jedoch recht blass. Im
Zentrum steht in erster Linie Marek, der sich in Janne verliebt, und mit Marlon
um ihre Zuneigung konkurriert.
Die
Patienten gehen in der Selbsthilfegruppe sehr direkt und teils wenig empathisch
miteinander um, sie schikanieren sich gegenseitig und bezeichnen sich selbst
als „die Behinderten“. Der Therapeut plant mit ihnen dann ein Filmprojekt, sie
fahren gemeinsam auf eine Ferienfreizeit, wo es wegen Janne zu einem handfesten
Streit zwischen Marlon und Marek kommt. Mitten in der Freizeit kommt es dann
aber zu einer Zäsur und ein neuer Handlungsstrang entwickelt sich: Mareks
Vater, der von ihm und seiner Mutter Claudia getrennt lebt, ist gestorben und
Marek fährt zu dessen Beerdigung. Dabei zeigen sich dann erstmals bei Marek,
der sonst vorschnell negativ über andere Leute urteilt, Gefühle positiver
Natur: Er mag seinen kleinen Halbbruder Ferdinand und will ihn trösten.
In
dem Roman zeigt sich wieder einmal der typische Bronsky-Sprachstil, d.h. trotz
des ernsten Themas erzählt die Autorin die Geschichte mit bissigem schwarzen
Humor und einer Menge Ironie. Das muss man mögen. Und ich fand, dass Bronsky es
deutlich besser hinbekommen hat als in ihrem Roman „Der Zopf meiner
Großmutter“, in dem sie zu sehr in Richtung Klamauk abgedriftet ist. Doch an
die Romane „Scherbenpark“ oder „Baba Dunjas letzte Liebe“ reicht es auch wieder
nicht heran, dafür sind mir die Charaktere nicht überzeugend genug gestaltet worden.
Sie wurden mir einfach nicht sympathisch, so dass ich eine große Distanz zu ihnen
empfunden habe. Vor allem fehlt mir das warmherzige, die Figuren sind mir
allesamt zu negativ geraten, Marek betrachtet seine Umwelt meist böse und
ablehnend, er verhält sich seinen Mitmenschen gegenüber sehr gleichgültig, was
natürlich auch daran liegt, dass man ihm aufgrund seines äußeren
Erscheinungsbilds mit viel Ablehnung begegnet. Das kann ich ja sogar noch
nachvollziehen. Aber auch Marlon ist mir zu undurchschaubar. Und Janne finde
ich herzlos. Sie spielt mit der Eifersucht der beiden Jungen, die um sie
buhlen. Und dann wird angebahnte Liebesgeschichte durch einen anderen
Erzählstrang einfach unterbrochen, ebenso wie die Geschichte um die Ferienfreizeit
und das Videoprojekt. Diese Zäsur empfand ich als unpassend, stattdessen hätte
sich die Autorin weiter der Selbsthilfegruppe widmen können und z.B. ein
Zusammenwachsen der Gruppe gestalten können. Auch die Darstellung des
Miteinanders in der Gruppe fand ich zu einseitig.
Fazit:
Ein Roman zu einem ernsten Thema mit schwarzem Humor erzählt, deutlich besser als „Der Zopf meiner Großmutter“, aber längst nicht so gut wie „Scherbenpark“ oder „Baba Dunjas letzte Liebe“.
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