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Mittwoch, 13. April 2022

Naumann, Thomas und Ilja Bohnet - Das rätselhafte Universum


4 von 5 Sternen


Eingeschränkt faszinierende Reise durchs Universum

Das Sachbuch „Das rätselhafte Universum“ von Thomas Naumann und Ilja Bohnet verspricht, das Weltbild der Physik für jedermann verständlich zu diskutieren (vgl. Klappentext). Nach meiner Einschätzung gelingt das jedoch nur in Ansätzen. Warum ich das so sehe? Weil das Buch außer einem gelungenen zweiten Teil, der ca. 150 Seiten umfasst, auch einen etwas zu kompakt geschriebenen ersten Teil aufweist, der ca. 100 Seiten umfasst und nicht immer verständlich ist.

Was den ersten Teil des Buchs (S.17-110) betrifft, finde ich gelungen, dass die Autoren auf den Begriff des „Welträtsels“ nach du Bois-Reymond zurückgreifen, um ihrem Buch einen roten Faden zu geben. So verfolgt das Buch Antworten auf die folgenden Leitfragen zu geben: „1.) Was ist das Wesen von Materie und Kraft? 2.) Was ist der Ursprung der Bewegung? […] Was hat den Urknall bewirkt? 3. Woher kommt das erste Leben? 4. Wiese ist die Natur anscheinend so absichtsvoll und zweckmäßig eingerichtet?“ (S. 21). Auch weist der erste Teil einige interessante Einblicke auf. Insbesondere dann, wenn es um die Einordnung der vorgestellten Theorien geht, also darum, welche Relevanz und Bedeutung bestimmte Erkenntnisfortschritte hatten, empfand ich die Darlegung oft als gelungen. Besonders die Resümees am Ende eines Teilkapitels sind dafür sehr hilfreich.

Grundsätzlich weist der recht theoretische Text des ersten Teils aber in meinen Augen eine zu dichte Schreibweise, also einen zu hohen Informationsgehalt auf. Denn die Autoren bemühen sich darum, den Lesern in einem 70-seitigen informationsreichen, teils historischen Abriss mal eben so die Grundlagen des Makrokosmos und der Kosmologie sowie des Mikrokosmos und der Teilchenphysik näherzubringen. Hinzu kommt noch ein 16-seitiger Exkurs in die Physik um 1900, in dem die Relativitäts- und die Quantentheorie recht abstrakt erklärt werden. Das Vorhaben dieses ersten Teils ist in meinen Augen einfach zu ambitioniert und als Laie ist man rasch von den vielen Fachbegriffen überfordert. Um den Text gedanklich durchdringen zu können, ist einfach zu viel Vorwissen nötig.

Da finde ich den zweiten Teil des Buchs (S.111-248) deutlich besser. Warum? Weil der Text weniger theoretisch ist und die Autoren viele interessante Gedankenspiele anstellen, die auch für Laien meist verständlich sind. Auch wird deutlich, dass die Autoren ziemlich aktuell sind, so wird beispielsweise das James-Webb-Teleskop erwähnt. Auch im Literaturverzeichnis werden neben älteren Titeln auch einzelne Titel aus den Jahren 2019-2021 aufgeführt. Das finde ich lobenswert!

So wird im ersten Teilkapitel mit dem Titel „Was sind Raum und Zeit“ z.B. der Frage nachgegangen, ob unser Universum eine Krümmung hat, wie diese aussehen könnte und warum wir eigentlich in drei Dimensionen leben. Interessant fand ich in diesem Zusammenhang auch den Einbezug der Überlegungen von Immanuel Kant aus dem 18. Jh. Auch die Ausführungen über die dunkle Materie und die dunkle Energie im zweiten Teilkapitel („Woraus besteht das dunkle Universum“) fand ich sehr spannend, wenn auch nicht immer im Detail verständlich. Mir war z.B. nicht klar, dass die dunkle Energie die Expansion des Universums noch einmal beschleunigt hat (vgl. S. 149). Im nächsten schon fast philosophisch angehauchten Unterkapitel („Leben wir in der besten aller Welten“) verdeutlichen die Autoren sehr kenntnisreich, dass schon sehr viele Zufälle nötig waren, um ein Universum zu erschaffen, das uns unser Leben darin ermöglicht. Mit Faszination habe ich die Ausführungen über die Multiversums-Hypothese gelesen (vgl. S. 169 ff.). Danach folgt eine Darstellung zu der Frage „Was ist der Ursprung des Lebens“ (S. 178-198). Natürlich darf in diesem Kontext auch nicht fehlen, danach zu fragen, ob wir allein im Weltall sind. Im nächsten Teilkapitel widmen sich die Autoren dann den Naturgesetzen. Folgende Leitfragen sind für sie von Relevanz: „wer hat schon einmal ein Gesetz gesehen? Geschweige denn den Gesetzgeber? Warum glauben wir dann an die Existenz von Naturgesetzen? Und lassen sich alle Gesetze der Natur erkennen? Woher wissen wir, ob ein Gesetz wahr ist? Gibt es ein Gesetz der Gesetze, eine Weltformel?“ (S. 199). Faszinierend zu lesen. Im vorletzten Unterkapitel („Ist Schönheit ein Kriterium der Wahrheit“) gehen die Autoren der Idee auf den Grund, ob die Natur den Idealen von Einfachheit und Symmetrie folgt. Und im letzten Teilkapitel („Was ist die Zukunft des Universums“) wird ein Blick in die Zukunft des Universums gewagt: „Hat es [das Universum, Anm. d. Verf.] ein Ende? Oder beißt es sich zum Schluss wie unsere kosmische Schlange in den eigenen Schwanz und kehrt zurück an seinen Ursprung?“ (S. 240).

Der zweite Teil des Buchs hat mich also mit dem ersten Teil, der einfach zu abstrakt, theoretisch und kompakt formuliert ist, versöhnen können. Er ist das, was das Buch ausmacht und worauf man bei der Lektüre seinen Fokus richten sollte. Die Autoren stellen viele interessante Gedankenspiele an, werfen reizvolle, lesenswerte Fragen auf, verweisen in ihren Kapiteln auch immer kenntnisreich auf Forscher (auch anderer Fachdisziplinen) aus früheren Jahrhunderten und nehmen uns Leser mit auf eine faszinierende Reise durch die Rätsel des Universums. Man sollte nach meinem Dafürhalten dabei jedoch nicht den Anspruch haben, jedes Detail verstehen zu wollen. Das kann nicht gelingen, vor allem, wenn man Laie ist. Aber man darf sich nicht zu sehr von unverständlichen Passagen, die durchaus auch vorkommen, abschrecken lassen. Gerade vor diesem Hintergrund haben sich die Autoren mit dem ersten Teil des Buchs selbst keinen Gefallen getan. Ich sehe schon die Gefahr, dass einige Leser verfrüht „das Handtuch werfen“. Deshalb hier noch einmal der Appell an alle, die an Kosmologie interessiert sind, aber wenig Vorwissen mitbringen: Konzentriert euch bei eurer Lektüre vor allem auf den zweiten Teil.

Abschließend noch eine Anmerkung zum wissenschaftlichen Handwerk. Ich hätte mir gewünscht, dass auch ein klarer, und v.a. verfolgbarer Quellenverweis aufgeführt wird, wenn mit Originalzitaten gearbeitet wird. Gerade wenn Forscher aus früheren Jahrhunderten zitiert werden, fehlen häufig Seitenangaben und der Verweis auf das herangezogene Werk. Ich kann mir kaum vorstellen, dass alle Zitate aus den Originalwerken zitiert wurden.

Fazit

Ein Buch, das nur in Ansätzen seinen Anspruch für „jedermann verständlich“ (vgl. Klappentext) einlösen kann. Der erste Teil des Buchs gerät zu abstrakt, kompakt und theoretisch. Er ist für Laien kaum verständlich. Der zweite Teil des Buchs ist jedoch gelungen und faszinierend zu lesen, v.a. für an Kosmologie interessierte Laien. Die Autoren stellen interessante Gedankenspiele an und erörtern kenntnisreich viele ungelöste Rätsel der modernen Physik.

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