Thriller mit überzeugender erzählerischer Gestaltung
Der
Thriller „Das Loft“ von Linus Geschke hat mir bis auf ein paar Kleinigkeiten
sehr gut gefallen. Der Autor erschafft nicht nur Charaktere mit Tiefe, sondern
auch ein facettenreiches Spannungsgefüge, was die Beziehungsverhältnisse
betrifft. Sarah Hauptmann und Marc Lammert als Liebespaar sowie Marc und
Henning Järisch als Mitbewohner sind als interessante Kontrastfiguren angelegt.
Sarah, aus der kleinbürgerlichen Provinz stammend, behütet aufgewachsen,
hinterfragt wenig und kommt egoistisch daher. Es wird deutlich, dass Marc sie
aus ihrem elterlichen „Gefängnis“ befreit hat. Sie nimmt sich angesichts des
schweren Vorwurfs „Mord“ keinen Anwalt zur Hilfe. Anders hingegen Marc, der
sich einen Anwalt leistet, als Jurastudent einiges an Vorwissen im Strafrecht
mitbringt, in Hamburg groß geworden ist und der dominantere Part in der
Beziehung zu sein scheint. Marc und Henning hingegen zeichnen sich vor allem
durch Verhaltensunterschiede aus und dadurch, dass Marc der erfolgreichere von
beiden ist. Auch das Ermittlerteam, das den Mord an Henning untersucht, ist gut
ausgearbeitet. Wir haben Bianca Rakow, Workaholic und erfolgsorientiert, auf
der einen Seite und Peter Höger, Familienmensch und bei der Beförderung
übergangen, auf der anderen Seite. Beide nähern sich im Laufe des Buchs
einander an.
Besonders
überzeugt hat mich die erzählerische Gestaltung des Thrillers. Mal wird aus
Marcs Sicht in der Ich-Perspektive erzählt, mal aus Sarahs Sicht. Zwischen den
sich abwechselnden Sichtweisen der Verdächtigen werden stets auch Kapitel zur
Polizeiarbeit eingestreut. So entsteht ein spannendes Hin und Her und als Leser
folgt man mal an dem einen Blickwinkel, mal an dem anderen. Das Puzzle setzt
sich nach und nach zusammen und teilweise rätselt man, wer nun die Wahrheit
sagt, Marc oder Sarah. Das hat der Autor schon geschickt arrangiert. Gleichzeitig
ist äußerst interessant zu lesen, wie unterschiedlich beide Figuren sich in den
Vernehmungen verhalten. Mich hat auch der Einblick in die Vernehmungspraxis von
Bianca und Peter begeistern können, die versuchen, die Loyalität zwischen Marc
und Sarah aufzubrechen und einen Keil zwischen sie zu treiben, sie zu
verunsichern. Die Ermittler wenden geschickt Gesprächsstrategien an, um den
Druck immer weiter zu erhöhen. In der anschließenden Innensicht zeigt sich dann
wieder, welche Wirkung die Vernehmung auf die beiden Verdächtigen hat und wie
beide dann wieder taktieren. Ein Kompliment an den Autor für diese
erzählerische Gestaltung!
Auch
die psychische Entwicklung der Figuren lässt Linus Geschke nicht außer Acht.
Wir sehen, wie sich der Zustand beider Figuren im Laufe der Vernehmung
verschlechtert. Der psychische Druck auf beide nimmt immer mehr zu, auch weil
der eine nicht weiß, was der andere erzählt. Beide versuchen ein Geheimnis aus
der Vergangenheit zu bewahren, das sie verfolgt. Wer mehr herausfinden möchte,
lese diesen lesenswerten Thriller.
Auch
die übrigen Komponenten eines gelungen Thrillers findet man bei „Das Loft“. Wir
haben ein spannendes Finale (ab S. 299), bei dem man das Buch nicht mehr aus
der Hand legen kann. Und es gibt eine Überraschung am Ende, die es in sich hat
und die schlüssig ist. Das einzige, was mir zu den fünf Sternen fehlt, ist der
Umstand, dass die Spannungsintensität noch höher hätte ausfallen können. Der
Thriller bewegt sich für mich auf einem sehr guten, aber nicht auf einem
herausragenden Niveau. Und auch ein paar mehr überraschende Wendungen hätten es
noch sein dürfen. Sonst habe ich aber absolut nichts auszusetzen.
Fazit:
Ein Thriller, der durch seine erzählerische Gestaltung besticht, durch die Charakterzeichnung und die Ausgestaltung der Beziehungsverhältnisse zwischen den Figuren, das Spannungsniveau aber ist „nur“ sehr gut, nicht herausragend, knapp an den fünf Sternen vorbei! Klare Leseempfehlung!
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen