Pexton - ein rücksichtsloser Konzern
In
dem Roman „Wie schön wir waren“ von der Autorin Imbolo Mbue stehen der
Werdegang der starken Frauenfigur Thula als Revolutionsführerin und der ihrer
Familie, die mit Unterstützung des Dorfes Kosawa gegen den Ölkonzern Pexton und
die Regierung kämpfen, im Zentrum. Das Dorf leidet unter den Verunreinigungen,
die durch die Ölbohrungen auf den naheliegenden Ölfeldern verursacht werden,
viele Kinder sterben – bedrückend geschildert – an trockenem Husten und Fieber.
Doch der Ölkonzern hat nur warme Worte für das Leid der Dorfbevölkerung übrig, sagt
keine konkreten Hilfen zu und beutet das Dorf schamlos weiter aus. Erzählt wird
in den Kapiteln aus den Blickwinkeln der einzelnen Familienmitglieder von Thula
und auch aus der Sicht ihrer gleichaltrigen Freunde. Dadurch entsteht ein
gefälliges komplexes Zusammenspiel verschiedener Perspektiven. So kommt der
Onkel von Thula, Bongo, ebenso zu Wort wie ihre Mutter Sahel, die Großmutter Yaya
und ihr jüngerer Bruder Juba, der selbst fast verstorben wäre. Beschrieben
wird, wie sich die Gewaltspirale im Kampf gegen Pexton beständig weiter
fortsetzt und noch verstärkt. Drei Männer aus dem Dorf, darunter Thulas Vater,
verschwinden spurlos, als sie in der Hauptstadt Bezam bei Pexton vorsprechen
und die Regierung zur Rechenschaft ziehen wollen. Daraufhin werden drei
Mitarbeiter von Pexton im Dorf als Geiseln genommen, um sich zu rächen und Verbesserungen
zu erzwingen. Nach dem Erscheinen eines lokalen Zeitungsberichts kommt es zu
Verhaftungen, Todesurteilen und genau in der Mitte des Buchs zu einer weiteren
schweren Gewalteskalation, die das ganze Dorf traumatisiert. Gleichzeitig
erfahren wir, wie ein Keim von Hoffnung entsteht, als Thula zum Schulbesuch und
Studium in die USA geschickt wird und die „Aktion Neuanfang“ nach der
Gewalteskalation für Verbesserungen im Dorf Kosawa sorgen will. Wir verfolgen
die Entwicklung Thulas zu einer belesenen Revolutionsführerin, die fortwährend
und vor allem nach ihrer Rückkehr in ihr Heimatdorf für das Wohl Kosawas sorgt.
Dabei ist sie stets unermüdlich, auch wenn es immer wieder herbe Rückschläge
gibt, z.B. in Form von Gewaltanwendungen oder juristischen Zermürbungstaktiken
von Seiten des Konzern Pexton. Sie hat die Idee einer revolutionären
Bürgerbewegung, mobilisiert Einwohner zu Demonstrationen, schaltet einen New
Yorker Anwalt in den Fall ein und gründet sogar eine Partei. Alles in allem
besticht die Darstellung dadurch, dass man als Leser emotionalisiert und v.a.
aufgerüttelt wird. Mich machte das Geschriebene häufig fassungslos,
insbesondere hatte ich großes Mitleid mit der leichtgläubigen und
abergläubischen Dorfbevölkerung, die nicht recht weiß, wie sie sich verteidigen
soll und deshalb als leichtes Opfer eines rücksichtslosen Konzerns erscheint
und aus der Verzweiflung heraus zu Gewalt greift. Neugierig und hoffnungsvoll
verfolgte ich über das gesamte Buch hinweg den Werdegang Thulas, dabei fand ich
vor allem gut erzählt, wie sie in Briefform weiter mit ihren Freunden aus dem
Dorf Kosawa Kontakt hält und von ihrer Begegnung mit dem fremden Amerika
berichtet. Sie hat mir als starke Frauenfigur imponiert, die ein klares Ziel
verfolgt und sich auch nicht davon einschüchtern lässt, dass ihr als Frau von
der patriarchalisch geprägten Gesellschaft nur wenig zugetraut wird.
Interessant fand ich auch den Einblick, den man in die Kultur der
Dorfbevölkerung erhält. Denn Themen wie Sexualität, Männer-Frauenrollen, Korruption,
Vetternwirtschaft, Altenpflege, Umgang mit Älteren, Hochzeit, Beerdigungen und
Totenfeiern sowie Mannwerdungsrituale werden ebenfalls am Rande erwähnt.
Besonders aufschlussreich fand ich in diesem Zusammenhang die Erzählungen der
Großmutter, die Erinnerungen an frühere Zeiten Revue passieren lässt und dabei
Themen wie Sklaverei, Missionierungsversuche, Zwangsarbeit auf
Kautschukplantagen und Enteignung anspricht.
Fazit:
Ein Buch, das emotional aufrüttelt, zum Nachdenken anregt und das Mitleid,
Fassungslosigkeit und Wut beim Lesen erzeugt sowie Einblicke in Kultur und
Gesellschaft bietet. Keine leichte Kost!
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