Faszinierend, kenntnisreich und transzendent
Im Jahr 2255 entdeckt das Besatzungsmitglied Salma an Bord des Raumschiffs „Schatten“ am Rande unseres Sonnensystems (noch hinter dem Kuiper-Gürtel) ein Schwarzes Loch. Das Licht der Sonne benötigt immerhin ganze vier Tage, um die Schatten an diesem Punkt zu erreichen. Der Durchmesser dieses Schwarzen Lochs beträgt nur wenige Zentimeter, aber es besitzt eine 10-mal größere Masse als die Erde.
Bei der genaueren Untersuchung der Hawking-Strahlung entdeckt Salma eine Anomalie in Form eines Signals. Salmas Plan ist es, das Signal zu spiegeln und die empfangenen Informationen mit Hilfe eines Lasers zurück ins Schwarze Loch zu schicken. Und kaum ist das passiert, ereignet sich im Zentrum der Milchstraße ein kosmisches Ereignis, das das Schicksal der Erde bedroht. Gibt es da etwa einen Zusammenhang, auch wenn damit die Gesetze von Raum und Zeit verletzt werden? Und wird es zu einer Kommunikation mit fremden Leben kommen?
Was mir gut gefällt, ist der Umstand, dass der Autor beiläufig jede Menge kosmologisches Wissen in die Handlung mit einfließen lässt. So erfahren wir z.B. einiges über Schwarze Löcher, aber auch über die Evolutionsprozesse unseres Universums und über die Multiversums-Hypothese. Abgesichert wird der Inhalt durch reichlich Sekundärliteratur, wie das kenntnisreiche Nachwort des Autors verrät (großartig und beeindruckend!). Auffällig ist, dass der Schreibstil des Autors insgesamt eher ausschweifend ist. Er nimmt sich viel Raum, um zu beschreiben und zu schildern. Das entschleunigt die Handlung spürbar. Aber das ist wohl auch so gewollt.
Der Weltenentwurf ist kreativ. So werden auch die Erde und die Frage, wie sie in Zukunft regiert wird, in den Blick genommen. Es gibt verschiedene Interessensgruppen. Auf der einen Seite haben wir die Industrialisten, also Anhänger eines freien Marktes, die v.a. die Ausplünderung von Bodenschätzen auf fremden Himmelskörpern wie dem Mond oder den Saturn befürworten und vorantreiben. Wachstum zu generieren, ist ihr oberstes Gebot. Auf der anderen Seite haben wir die Bewahrer. Sie sehen den Drang nach Profit, Konsum und schnellem Wachstum kritisch. In ihren Augen haben genau diese Ziele die Erde fast in den Abgrund geführt.
Das Raumschiff „Schatten“ wird von den Anhängern der Bewahrer kontrolliert. Es ist ein Mehr-Generationen-Schiff, das Jahrzehnte unterwegs war, um den äußeren Rand des Sonnensystems zu erreichen und zu erforschen. Die Besatzung rechnete eigentlich damit, einen weiteren Planeten zu finden (Planet 9). Salma ist an Bord der Schatten geboren worden und hat auf der Reise Mutter und Vater verloren.
Als man auf der Erde von der Anomalie erfährt, entschließen sich sowohl die Industrialisten als auch die Bewahrer kurzerhand dazu, jeweils ein weiteres Schiff zum Schwarzen Loch zu schicken: die Kronos und die Aquila. Mit einem verbesserten Antrieb sollen sie das Ziel in wenigen Jahren erreichen. Beide Schiffe konkurrieren miteinander und liefern sich einen Wettlauf. Man will dem politischen Gegner nicht allein das Feld überlassen und einen eigenen Anspruch auf die Entdeckung anmelden. Die Perspektiven wechseln regelmäßig. Mal sind wir an Bord der Schiffe, die sich der Anomalie nähern. Mal sind wir an Bord der Schatten, die sich in unmittelbarer Nähe zum Schwarzen Loch befindet.
Inhaltlich spielt in diesem Buch v.a. das Thema „Erstkontakt“ eine große Rolle. Dabei wird die Schilderung der Beschaffenheit des außerirdischen Lebens sehr detailliert und kreativ vorgenommen. Die beschriebene Astrobiologie liest sich faszinierend. Sie ist ausführlich und differenziert (mit Ausnahme der Kommunikation, s. unten). Die Handlung wird durch Zeitsprünge von mehreren Jahren passend gerafft, so dass auch die Darstellung der Überwindung von großen Distanzen im All gelingt. Und dabei gelingt es dem Autor immer wieder, ästhetisch ansprechende Bilder von fremden Himmelskörpern und von der Raumfahrt vor dem inneren Auge des Lesers entstehen zu lassen. Auch das Ende fand ich faszinierend. Es wird transzendent, so viel kann ich an dieser Stelle verraten…
Abschließend auch noch ein paar Kritikpunkte: Die Figurenzeichnung lässt etwas zu wünschen übrig. Nur Salma hat klare Konturen, die anderen Charaktere sind ziemlich flach und austauschbar geraten. Weiterhin gibt es auch immer mal wieder längere Passagen, in denen nichts Relevantes passiert. Hier wäre jede Menge Kürzungspotential vorhanden gewesen, um einen dynamischeren Handlungsfluss zu erzeugen. Und von der Darstellung der Kommunikation mit der fremden Intelligenz war ich auch enttäuscht. Für eine Erstkontaktsituation gerät dieser Aspekt zu dürftig, wie ich finde. So komme ich insgesamt auf 4 Sterne.
Querverweise:
Evolution des Universums (Sachbuch)
Astrobiologie (Sachbuch)
Einführung in die Kosmologie (Sachbuch)

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