„80% von allem ist Mist“
Mit
direkter Ansprache wendet sich ein Ich-Erzähler an die Leser:innen und
berichtet davon, dass er (unfreiwillig) zum Schöffen ernannt worden ist.
Gleichzeitig berichtet er uns von seinem Dasein als Schriftsteller (sein
eigentlicher Beruf). Darum geht es in dem schmalen Büchlein „Regen“ (2023) von
Ferdinand von Schirach. Und was mir direkt positiv auffiel: Der Erzählton ist
humorvoll. Auf der Bühne kann ich mir das Stück sehr gut vorstellen. Dort wird
das autofiktionale Element noch besser zum Ausdruck kommen. Als Lektüre
hingegen tue ich mich schwer mit dem Werk.
Zu
knapp ist das, was uns inhaltlich dargeboten wird. Mich hätte der eigentliche
Fall, dem der Erzähler als Schöffe beiwohnt, mehr interessiert. Doch um den
geht es kaum. Stattdessen schweift der Erzähler gedanklich immer wieder ab und
gibt sein hervorragendes Allgemeinwissen zum Besten. Auch gibt er sich als
Nörgler und Schwarzseher zu erkennen. Er beschäftigt sich in seinem (dialogisch
angelegten) Monolog mit verschiedenen Themen, die aber allesamt nur streift und
nicht weiter vertieft. Am spannendsten fand ich noch die Überlegungen zur „Unbefangenheit“.
Insgesamt war mir die Themenwahl und Gedankenführung aber zu sprunghaft. Das
Juristische kam mir zu kurz.
Im
zweiten Teil des Buchs wird uns dann ein langes Interview mit Schirach
präsentiert. Doch leider geht es in dem Interview an keiner Stelle um das Werk
selbst (was ich spannend gefunden hätte), sondern es werden eher persönliche
Themen gestreift. Der Autor verrät viel Intimes. So erzählt er davon, wie er
zum Schreiben gekommen ist, und er gibt auch Einblicke in sein
schriftstellerisches Handwerk. Er äußert sich zu seinem Umgang mit Kritik in
Form von Rezensionen und zu der Frage, wie er mit seinem Ruhm umgeht. Besonders
interessant fand ich die Passage, in der Schirach das Thema „Depressionen“
streift. Was mich aber etwas gewundert hat, war die Tatsache, wie er die
Krankheit für sich bewertet: „Was aber immer bleibt, ist eine Grundtraurigkeit,
die alles durchtränkt. Sie ist wie eine Folie, die über allem liegt. Irgendwann
gewöhnen Sie sich aber daran. Es ist nicht so schlimm.“
Letztlich
ist dieses Werk wohl eher etwas für Hardcore-Fans des Autors, die nichts von
ihm verpassen wollen. Für mich gab es zwar auch interessante Passagen, aber
insgesamt war mir das Buch inhaltlich zu dünn. Was aber wieder durchscheint,
ist der unverkennbare, klare Sprachstil des Autors, den ich sehr mag und
schätze und den ich bereits bei der Besprechung des Erzählbands „Verbrechen“ (2009)
genauer beschrieben habe (vgl. dafür eine frühere Rezension).
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