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Montag, 1. Januar 2024

Schirach, Ferdinand von - Regen






„80% von allem ist Mist“


Mit direkter Ansprache wendet sich ein Ich-Erzähler an die Leser:innen und berichtet davon, dass er (unfreiwillig) zum Schöffen ernannt worden ist. Gleichzeitig berichtet er uns von seinem Dasein als Schriftsteller (sein eigentlicher Beruf). Darum geht es in dem schmalen Büchlein „Regen“ (2023) von Ferdinand von Schirach. Und was mir direkt positiv auffiel: Der Erzählton ist humorvoll. Auf der Bühne kann ich mir das Stück sehr gut vorstellen. Dort wird das autofiktionale Element noch besser zum Ausdruck kommen. Als Lektüre hingegen tue ich mich schwer mit dem Werk.

 

Zu knapp ist das, was uns inhaltlich dargeboten wird. Mich hätte der eigentliche Fall, dem der Erzähler als Schöffe beiwohnt, mehr interessiert. Doch um den geht es kaum. Stattdessen schweift der Erzähler gedanklich immer wieder ab und gibt sein hervorragendes Allgemeinwissen zum Besten. Auch gibt er sich als Nörgler und Schwarzseher zu erkennen. Er beschäftigt sich in seinem (dialogisch angelegten) Monolog mit verschiedenen Themen, die aber allesamt nur streift und nicht weiter vertieft. Am spannendsten fand ich noch die Überlegungen zur „Unbefangenheit“. Insgesamt war mir die Themenwahl und Gedankenführung aber zu sprunghaft. Das Juristische kam mir zu kurz.

 

Im zweiten Teil des Buchs wird uns dann ein langes Interview mit Schirach präsentiert. Doch leider geht es in dem Interview an keiner Stelle um das Werk selbst (was ich spannend gefunden hätte), sondern es werden eher persönliche Themen gestreift. Der Autor verrät viel Intimes. So erzählt er davon, wie er zum Schreiben gekommen ist, und er gibt auch Einblicke in sein schriftstellerisches Handwerk. Er äußert sich zu seinem Umgang mit Kritik in Form von Rezensionen und zu der Frage, wie er mit seinem Ruhm umgeht. Besonders interessant fand ich die Passage, in der Schirach das Thema „Depressionen“ streift. Was mich aber etwas gewundert hat, war die Tatsache, wie er die Krankheit für sich bewertet: „Was aber immer bleibt, ist eine Grundtraurigkeit, die alles durchtränkt. Sie ist wie eine Folie, die über allem liegt. Irgendwann gewöhnen Sie sich aber daran. Es ist nicht so schlimm.“

 

Letztlich ist dieses Werk wohl eher etwas für Hardcore-Fans des Autors, die nichts von ihm verpassen wollen. Für mich gab es zwar auch interessante Passagen, aber insgesamt war mir das Buch inhaltlich zu dünn. Was aber wieder durchscheint, ist der unverkennbare, klare Sprachstil des Autors, den ich sehr mag und schätze und den ich bereits bei der Besprechung des Erzählbands „Verbrechen“ (2009) genauer beschrieben habe (vgl. dafür eine frühere Rezension).

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