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Sonntag, 14. Januar 2024

Spektrum der Wissenschaft KOMPAKT 03/2021 (Hrsg.) - Weltbild im Wandel. Diskussionen um das kosmologische Standardmodell






Hintergründe zum kosmologischen Standardmodell


Das kosmologische Standardmodell ist mir in Sachbüchern zur Kosmologie immer wieder begegnet. Es wurde in den vergangenen zwei Jahrzehnten ausgearbeitet und soll erklären, wie sich das All seit dem Urknall entwickelt hat. Doch natürlich ist dieses Modell nur eine Hypothese und es gibt immer mal wieder Streit darum, inwieweit dieses Modell die Wirklichkeit tatsächlich beschreibt. In dem Kompakt-Themenheft „Weltbild im Wandel. Diskussionen um das kosmologische Standardmodell“, herausgegeben von Spektrum der Wissenschaft (03/21) werden einige Streitpunkte vorgestellt, v.a. was die Existenz von Dunkler Energie und Dunkler Materie betrifft. Lediglich bei dem Konzept der Quanten-Gravitation bin ich ab einem gewissen Punkt inhaltlich ausgestiegen. Der Beitrag „Die Zähmung des Unendlichen“ von Astrid Eichhorn und Christof Wetterich war mir als Laie zu sperrig und setzte nach meinem Empfinden zu viel Vorwissen voraus. Aus diesem Grund verzichte ich auf die Darstellung dieses Beitrags. Kurzum: Wieder einmal ein knapper und kompakter Überblick über ein zentrales Thema der Kosmologie. Ich habe das Heft mit großem Interesse gelesen. Anders als die übrigen von mir rezensierten Heften ist das vorliegende Themenheft dieses Mal „nur“ weitestgehend verständlich. Eine Ausnahme bildet der oben genannte Beitrag (vgl. S. 62-76).

 

Beitrag 1: Beschleunigte Expansion. Zweifel an der Dunklen Energie. Von Robert Gast.

In diesem Beitrag wird die These des Forschers Subir Sarkar skizziert, der glaubt, dass die Annahme der Dunklen Energie und der beschleunigten Expansion Irrtümer seien. Verantwortlich dafür sei eine falsche Interpretation von Messdaten. Der Vorwurf: Die beobachtete Rotverschiebung des Lichts von Supernovae könne nicht nur allein durch die Dunkle Energie verursacht sein, sondern die Schwerkraft benachbarter Galaxien sowie die Eigenbewegung der Milchstraße könnten das Licht ebenfalls ins Rötliche verschieben. Unklar sei also, wie viel der gemessenen Rotverschiebung durch die Expansion bzw. durch andere Faktoren verursacht sei. Doch Gast fragt, ob die Kritik von Sakar ausreiche, um die Dunkle Energie aus dem Weltbild der Kosmologie zu verbannen. Er verweist in seinem Beitrag auf zahlreiche Argumente, die gegen die Auffassung von Sarkar sprechen. Betrachtet Sarkar etwa nur die Daten, die seine eigene Hypothese stützen? Viele Forscher halten die Schlussfolgerung von Sarkar für zu weitreichend. Schließlich gibt es noch weitere Möglichkeiten, mit denen sich die kosmische Expansion und die Präsenz Dunkler Energie rekonstruieren lassen (vgl. S. 18-19).

Des Weiteren verweist der Autor des Beitrags auch auf Kritikpunkte eines koreanisch-französischen Forschungsteams, das auf Unsicherheiten bei der Auswertung von Supernovae-Daten hinweist. Das Team um Yijung Kang gibt zu bedenken, dass die chemische Zusammensetzung von Supernovae des Typs 1a unterschiedlich sein könnte und damit für unterschiedliche Helligkeit sorgen könnte. Das Problem ist jedoch, dass sich der Einwand des Teams auf die Analyse von 27 Supernovae beschränkt. Ein viel zu kleiner Datensatz, so die Kritik anderer Forscher. Kurzum: Die Dunkle Energie lässt sich als Einflussfaktor nicht so leicht abschaffen. Die dargelegte Kritik betrifft in erster Linie die Daten von Supernovae des Typs 1a. Zu viele andere Daten und Methoden lassen die Annahme von Dunkler Energie naheliegender erscheinen, auch wenn vielleicht tatsächlich Fehler bei der Analyse der Supernovae-Daten möglich sind.

 

Beitrag 2: Schwerkraft. Gibt es Dunkle Materie wirklich? Von Sabine Hossenfelder und Stacy S. McGaugh

In diesem Beitrag wird die Annahme von Dunkler Materie in Zweifel gezogen. Es gebe zwar viele Hinweise, dass eine mysteriöse Dunkle Materie existiere, aber die dazugehörigen Teilchen, die sich nur über ihre Schwerkraft und nicht über das Licht verraten, sind bisher nicht aufgespürt worden. Mit dem Konzept der Supersymmetrie seien zwar einige hypothetische „Spiegel-Partikel“ formuliert worden, doch die Suche nach ihnen blieb bisher erfolglos. Die Autoren fragen, ob es daher nicht sinnvoller sei, alternative Hypothesen zur Dunklen Materie in Erwägung zu ziehen. Vielleicht benötigt es gar keine unsichtbaren Teilchen? Vielleicht muss die Kraft, die die Teilchen aufeinander ausüben, anders beschrieben werden? Es gibt diverse Modelle solcher modifizierten Gravitationstheorien. Und die Autoren führen einige Argumente für die Annahme einer solchen modifizierten Theorie ins Feld. Und neben den Pro-Argumenten werden auch Kontra-Argumente genannt. Probleme bereiten z.B. Galaxien mit geringer Oberflächenhelligkeit (vgl. S. 31). Und mit der Annahme einer modifizierten Gravitation kann wiederum die Bewegung von Galaxienhaufen nicht gut erklärt werden. Letztlich ist es so, dass die Suche nach der Dunklen Materie aktuell stagniert und aus diesem Grund werden mit der modifizierten Gravitation überhaupt andere Erklärungsmodelle in den Raum gestellt. Und beide theoretischen Zugänge haben ihre Vor- und Nachteile. Zwar gibt es nur wenige Befürworter solcher alternativen Hypothesen, die Autorinnen plädieren aber dafür, den Blick für die modifizierte Gravitation nicht zu sehr zu verlieren und sie vorschnell auszuschließen.

 

Beitrag 3: Antiteilchen. Rätselhafte Masse von Gabriel Chardin

Hier steht das Rätsel um sogenannte „Antiteilchen“ im Mittelpunkt. Die Existenz von Antiteilchen ist unumstritten, so Chardin. Allerdings wirft sie noch viele Fragen auf. Eine Frage ist z.B., ob sie sich in ihrer elektrischen Ladung von gewöhnlicher Materie unterscheidet oder auch in anderen Merkmalen abweicht. Die meisten Physiker gehen davon aus, dass sich Teilchen und Antiteilchen nur in Bezug auf ihre elektrische Ladung unterscheiden. Doch evtl. ist auch die Masse der Antimaterie negativ? In einem solchen Fall würden sich Antiteilchen in einem Schwerefeld anders verhalten als gewöhnliche Partikel. Experimente sollen solche Hypothesen überprüfen. Hätte Antimaterie wirklich eine negative Masse, ließe sich ein kosmologisches Modell entwickeln, das ohne Dunkle Materie, Dunkle Energie und die Annahme der Inflation auskommt. Bezogen auf die Inflationstheorie weiß man bisher nicht, was die schlagartige Ausdehnung des Alls bewirkt haben soll und was diese Phase beendet hat. Ist womöglich die Annahme, dass das Universum genauso viel Materie wie Antimaterie enthält, des Rätsels Lösung? Problem ist hier allerdings: Wo versteckt sich die ganze Antimaterie?

 

Beitrag 4: Stringtheorie. Vereint in vielen Dimensionen? Von Robert Gast

In diesem Beitrag führt der Autor ein Interview mit dem Heidelberger Physiker Arthur Hebecker, einem String-Theoretiker. Hebecker wird mit verschiedenen Argumenten konfrontiert, die die String-Theorie kritisch sehen. Vor allem wird der Theorie vorgeworfen, dass sie sich nicht experimentell überprüfen lässt und es bisher keine empirischen Belege für sie gibt. Handelt es sich bei der String-Theorie, wie Gast an einer Stelle im Interview fragt, etwa nur um ein „opulentes Luftschloss“ ohne Bezug zur Realität (vgl. S. 54)? Hebecker äußert sich zu solchen Vorwürfen und es fällt positiv auf, dass er Kritik durchaus anerkennt. Er besteht nicht auf dem Standpunkt, dass die String-Theorie das einzig denkbare Modell sein könnte. Der Forscher ist sich sehr wohl darüber bewusst, dass die String-Theorie auf vielen Vermutungen basiert.

 

Beitrag 5: Nobelpreis für Physik. Architekten unseres Weltbildes von Robert Gast

Hier stellt uns der Autor die Nobelpreisträger für Physik des Jahres 2019 vor. Zum einen James Peebles, der mit seinen vielen Beiträgen zu unterschiedlichen Themen als einer der zentralen Architekten des kosmologischen Standardmodells gelten kann. Er arbeitete beispielsweise an dem Forschungsfeld der Hintergrundstrahlung und brachte auch die Dunkle Materie als Einflussfaktor ins Spiel. Auch der Dunklen Energie verhalf er zu einer „Revision“. Zum anderen Michel Mayor und Didier Queloz, die für die Entdeckung eines Exoplaneten im Orbit eines sonnenähnlichen Sterns mit dem Preis ausgezeichnet worden sind. Sie entdeckten einen Gasplaneten, halb so groß wie Jupiter, der gerade einmal vier Tage für eine Sternumrundung benötigt. Ihre Arbeit bildete den Auftakt für die Erforschung vieler weiterer Exoplaneten.

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