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Freitag, 19. Januar 2024

Schlink, Bernhard - Das späte Leben





Einfühlsam und pietätvoll


Ein schwieriges Thema, das sich Schlink für seinen neuen Roman „Das späte Leben“ vorgenommen hat. Es geht darum, wie jemand mit einer der Diagnose „Bauchspeicheldrüsenkrebs“ umgeht. Der Protagonist hat im besten Fall noch ein halbes Jahr zu leben. Eine Behandlung lehnt er ab. Und durch die Diagnose verändert sich sein Blick auf die Welt. Martin erinnert sich an alte Zeiten, an einzelne Episoden aus seinem Leben. Und er fragt sich zu Beginn, wie er seinen Angehörigen begegnet. Wie teilt man ihnen die Diagnose mit?

 

Wir lernen die Gedankenwelt eines Todkranken kennen. Und ich warne vor: Man sollte in der passenden Stimmung für ein solches Buch sein. Es kann belastend sein. Besonders tragisch finde ich z.B. auch den Umstand, dass Martin einen Sohn im Alter von sechs Jahren hat, von dem er Abschied nehmen muss. Seine Frau stellt Martin die alles entscheidende Frage: Wie will Martin seine letzten Wochen verbringen?

 

Es gibt viele traurige Passagen, z.B. als der Protagonist darüber nachdenkt, was er gerne noch mit seinem Sohn unternommen hätte. Und bei der Lektüre wird man selbst als Leser natürlich mit der Frage konfrontiert, wie man selbst in einer solchen Situation reagieren und handeln würde. Das Thema des Buchs fordert dazu heraus, über die eigene Vergänglichkeit nachzudenken.

 

Schlink erzählt einfühlsam-pietätvoll und er traut sich an die inneren Gedanken des Protagonisten heran, ohne aber zu intim zu werden. So klammert er die dunkelsten Stunden aus und thematisiert bestimmte Dinge, die ich erwartet hätte dafür kaum (z.B. das Thema „Angst“). Martin geht mit seiner Situation recht abgeklärt und gefasst um, war mein Eindruck. Er entschließt sich dazu, seinem Sohn Abschiedsbriefe zu hinterlassen, um ihm auf diese Weise etwas für das Leben mitzugeben.

 

Nun zu dem, was mir nicht so gut gefallen hat: Es gibt noch einen zweiten und dritten Teil des Buchs, wo sich die Handlung in eine Richtung entwickelt, die ich so nicht erwartet hätte. Ein negatives Gefühl spielt auf einmal eine große Rolle: Die Eifersucht. Nach meinem Geschmack hätte es das nicht gebraucht. Ich hätte mir insgesamt eine andere Schwerpunktsetzung gewünscht. Aber das ist höchst subjektiv und mag anderen Leser:innen natürlich ganz anders ergehen. Und noch etwas hat mich ein wenig gestört: Passagenweise wird das Geschehen doch sehr sachlich und nüchtern erzählt, wenig emotional. Aber vermutlich hat der Autor auch bewusst darauf verzichtet.

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