Einfühlsam und pietätvoll
Ein
schwieriges Thema, das sich Schlink für seinen neuen Roman „Das späte Leben“
vorgenommen hat. Es geht darum, wie jemand mit einer der Diagnose
„Bauchspeicheldrüsenkrebs“ umgeht. Der Protagonist hat im besten Fall noch ein
halbes Jahr zu leben. Eine Behandlung lehnt er ab. Und durch die Diagnose
verändert sich sein Blick auf die Welt. Martin erinnert sich an alte Zeiten, an
einzelne Episoden aus seinem Leben. Und er fragt sich zu Beginn, wie er seinen
Angehörigen begegnet. Wie teilt man ihnen die Diagnose mit?
Wir
lernen die Gedankenwelt eines Todkranken kennen. Und ich warne vor: Man sollte
in der passenden Stimmung für ein solches Buch sein. Es kann belastend sein.
Besonders tragisch finde ich z.B. auch den Umstand, dass Martin einen Sohn im
Alter von sechs Jahren hat, von dem er Abschied nehmen muss. Seine Frau stellt
Martin die alles entscheidende Frage: Wie will Martin seine letzten Wochen
verbringen?
Es
gibt viele traurige Passagen, z.B. als der Protagonist darüber nachdenkt, was
er gerne noch mit seinem Sohn unternommen hätte. Und bei der Lektüre wird man
selbst als Leser natürlich mit der Frage konfrontiert, wie man selbst in einer
solchen Situation reagieren und handeln würde. Das Thema des Buchs fordert dazu
heraus, über die eigene Vergänglichkeit nachzudenken.
Schlink
erzählt einfühlsam-pietätvoll und er traut sich an die inneren Gedanken des
Protagonisten heran, ohne aber zu intim zu werden. So klammert er die
dunkelsten Stunden aus und thematisiert bestimmte Dinge, die ich erwartet hätte
dafür kaum (z.B. das Thema „Angst“). Martin geht mit seiner Situation recht
abgeklärt und gefasst um, war mein Eindruck. Er entschließt sich dazu, seinem
Sohn Abschiedsbriefe zu hinterlassen, um ihm auf diese Weise etwas für das
Leben mitzugeben.
Nun
zu dem, was mir nicht so gut gefallen hat: Es gibt noch einen zweiten und
dritten Teil des Buchs, wo sich die Handlung in eine Richtung entwickelt, die
ich so nicht erwartet hätte. Ein negatives Gefühl spielt auf einmal eine große
Rolle: Die Eifersucht. Nach meinem Geschmack hätte es das nicht gebraucht. Ich
hätte mir insgesamt eine andere Schwerpunktsetzung gewünscht. Aber das ist
höchst subjektiv und mag anderen Leser:innen natürlich ganz anders ergehen. Und
noch etwas hat mich ein wenig gestört: Passagenweise wird das Geschehen doch
sehr sachlich und nüchtern erzählt, wenig emotional. Aber vermutlich hat der
Autor auch bewusst darauf verzichtet.
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