Packend, kreativ und innovativ
Hey
Sebastian Fitzek, mach Platz da! Hier
kommt Henri Faber. Der Meister der unvorhersehbaren Wendungen. Von „Kaltherz“
war ich damals begeistert (vgl. eine frühere Rezension). Das war kein
0815-Einheitsbrei, den Faber da vorgelegt hat. Und so viel darf ich schon
vorweg nehmen: Das ist in seinem neuesten Thriller „Gestehe“ nicht anders. Ein
Wort reicht, um Fabers neuestes Werk zu beschreiben: inhaliert (an einem Tag!).
Schon
die Einführung des Ermittlers Jacket ist ungewöhnlich. Wir lernen den berühmten
Polizisten bei Dreharbeiten eines Films zu dessen Leben kennen. Jacket ist ein
nationaler Held. Im Alleingang hat er einen Organhändlerring gesprengt und
dabei ein kleines Mädchen gerettet. Nun tingelt er als Werbefigur der Polizei
durchs öffentliche Leben in Österreich. Von seinen Kollegen allerdings wird
Jacket nicht ernst genommen, er gilt vielen als Witzfigur. Als Kontrast dazu
lernen wir den Ermittler Mohammad (Kurzform „Mo“) kennen – Jahrgangsbester der
Polizeischule, aber trotz seines Alters von 39 Jahren noch in keiner Führungsposition.
Mo blickt anfangs mit Neid auf Jacket. Die Chemie zwischen beiden Figuren ist reizvoll
angelegt.
Gegenüber
von Jackets Wohnhaus findet man eines Tages in einem Gebäude eine Leiche. Bei
der Tatortuntersuchung stoßen Jacket und Mo das erste Mal aufeinander. Ein
feindseliges Knistern liegt zwischen beiden in der Luft. Doch Jacket wünscht
sich Mo als Partner an seiner Seite und hofft darauf an erfolgreiche alte
Ermittlungszeiten anzuknüpfen und mal wieder einen Erfolg einzufahren. Mo
hingegen ist aber zunächst überhaupt nicht begeistert von dieser Idee. Es läuft
auf ein interessantes Zusammenspiel der beiden Ermittler hinaus. Werden sie
zueinander finden?
Jacket
ist der Gegenentwurf zu Mo. Jacket agiert prahlerisch und unprofessionell, doch
eigentlich ist er ein psychisches Wrack. Er hat ein Trauma davongetragen, leidet
immer noch unter Alpträumen und Schlaflosigkeit, nimmt Medikamente. Doch nach
außen zeigt er dies nicht. In der Abteilung wird schlecht über Jacket geredet.
Viele Gerüchte ranken sich um seinen einstigen Einsatz, bei dem er zum Helden
wurde. Mo hingegen ist pflichtbewusst und gewissenhaft. Allerdings stößt er
aufgrund seiner Hautfarbe auf Widerstände. Am seinem Beispiel wird also auch
das momentan sehr angesagte Thema „Rassismus“ gestreift (was ich gut finde!).
Was gut zum Ausdruck kommt, sind auch die vielen Frotzeleien und ironischen
Schlagabtausche innerhalb des Ermittlungsteams. Überhaupt ist die
sprachgestalterische Seite bei Faber wieder einmal lobenswert (nein, dieses Mal
sind es nicht die asyndetischen Reihungen und Parataxen). An vielen Stellen
beweist er kreative Sprachspielereien, baut flotte Sprüche ein und greift auf
Elemente von Bildlichkeit zurück. Mir hat das sehr gut gefallen.
Als
man eine zweite Leiche findet, wird klar, dass jemand die Morde Jacket in die
Schuhe schieben möchte. Jacket erkennt Hinweise, die der Täter hinterlässt und
die an ihn persönlich gerichtet sind. Der wahre Täter verweist auf ein
Manuskript, das Jacket allerdings noch nicht veröffentlich hat. Doch wie ist
das möglich? Woher weiß der wahre Täter von dem unveröffentlichten Manuskript
und wie gelangte er an Inhalte daraus? Und Jacket verhält sich irrational. Er
hat Angst davor, mit den Taten in Verbindung gebracht zu werden und schweigt
gegenüber seinen Kollegen. Macht er dadurch nicht noch alles schlimmer? Es
läuft darauf hinaus, dass er sich seinen inneren Dämonen von früher stellen
muss.
Im
Zusammenhang mit dem Manuskript werden viele schöne Irritationseffekte erzeugt,
die mir sehr gut gefallen haben, weil sie für Verunsicherung beim Lesen sorgen (ein
Fest für jeden Germanisten). Erzählte und reale Welt vermischen sich. Doch ich
will hier nicht zu viel verraten. Ich fand es äußerst amüsant. Es hätte nur
noch gefehlt, dass Jacket uns als Leser direkt anspricht und um Hilfe bittet. Und
gleichzeitig wird mit dem Roman „Blutnacht“ noch ein Roman im Roman integriert.
Auch hier vermischen sich verschiedene Erzählebenen. Toll arrangiert und sehr
innovativ, wie ich finde! Für alle Freunde der Erzähltheorie eine wahre Freude.
Was
mir ebenfalls gefallen hat: die eingeschobenen Täterkapitel in Form innerer
Monologe, die mit „Er“ überschrieben sind und die den Fall weiter verrätseln. Und
zum Ende zieht das Maß an Tempo, Spannung und Action noch einmal deutlich an.
Ich konnte das Buch nicht mehr aus der Hand legen. Alles wirkt rund und in sich
schlüssig. Das Ende ist überzeugend und überraschend. Faber nimmt sich auch
genügend Zeit, den Inhalt auszuerzählen. Ich finde tatsächlich nichts, was ich
an diesem Buch kritisieren kann. Von mir gibt es 5 Sterne!
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