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Samstag, 20. Januar 2024

Faber, Henri - Gestehe




5 von 5 Sternen



Packend, kreativ und innovativ


Hey Sebastian Fitzek, mach Platz da!  Hier kommt Henri Faber. Der Meister der unvorhersehbaren Wendungen. Von „Kaltherz“ war ich damals begeistert (vgl. eine frühere Rezension). Das war kein 0815-Einheitsbrei, den Faber da vorgelegt hat. Und so viel darf ich schon vorweg nehmen: Das ist in seinem neuesten Thriller „Gestehe“ nicht anders. Ein Wort reicht, um Fabers neuestes Werk zu beschreiben: inhaliert (an einem Tag!).

 

Schon die Einführung des Ermittlers Jacket ist ungewöhnlich. Wir lernen den berühmten Polizisten bei Dreharbeiten eines Films zu dessen Leben kennen. Jacket ist ein nationaler Held. Im Alleingang hat er einen Organhändlerring gesprengt und dabei ein kleines Mädchen gerettet. Nun tingelt er als Werbefigur der Polizei durchs öffentliche Leben in Österreich. Von seinen Kollegen allerdings wird Jacket nicht ernst genommen, er gilt vielen als Witzfigur. Als Kontrast dazu lernen wir den Ermittler Mohammad (Kurzform „Mo“) kennen – Jahrgangsbester der Polizeischule, aber trotz seines Alters von 39 Jahren noch in keiner Führungsposition. Mo blickt anfangs mit Neid auf Jacket. Die Chemie zwischen beiden Figuren ist reizvoll angelegt.

 

Gegenüber von Jackets Wohnhaus findet man eines Tages in einem Gebäude eine Leiche. Bei der Tatortuntersuchung stoßen Jacket und Mo das erste Mal aufeinander. Ein feindseliges Knistern liegt zwischen beiden in der Luft. Doch Jacket wünscht sich Mo als Partner an seiner Seite und hofft darauf an erfolgreiche alte Ermittlungszeiten anzuknüpfen und mal wieder einen Erfolg einzufahren. Mo hingegen ist aber zunächst überhaupt nicht begeistert von dieser Idee. Es läuft auf ein interessantes Zusammenspiel der beiden Ermittler hinaus. Werden sie zueinander finden?

 

Jacket ist der Gegenentwurf zu Mo. Jacket agiert prahlerisch und unprofessionell, doch eigentlich ist er ein psychisches Wrack. Er hat ein Trauma davongetragen, leidet immer noch unter Alpträumen und Schlaflosigkeit, nimmt Medikamente. Doch nach außen zeigt er dies nicht. In der Abteilung wird schlecht über Jacket geredet. Viele Gerüchte ranken sich um seinen einstigen Einsatz, bei dem er zum Helden wurde. Mo hingegen ist pflichtbewusst und gewissenhaft. Allerdings stößt er aufgrund seiner Hautfarbe auf Widerstände. Am seinem Beispiel wird also auch das momentan sehr angesagte Thema „Rassismus“ gestreift (was ich gut finde!). Was gut zum Ausdruck kommt, sind auch die vielen Frotzeleien und ironischen Schlagabtausche innerhalb des Ermittlungsteams. Überhaupt ist die sprachgestalterische Seite bei Faber wieder einmal lobenswert (nein, dieses Mal sind es nicht die asyndetischen Reihungen und Parataxen). An vielen Stellen beweist er kreative Sprachspielereien, baut flotte Sprüche ein und greift auf Elemente von Bildlichkeit zurück. Mir hat das sehr gut gefallen.

 

Als man eine zweite Leiche findet, wird klar, dass jemand die Morde Jacket in die Schuhe schieben möchte. Jacket erkennt Hinweise, die der Täter hinterlässt und die an ihn persönlich gerichtet sind. Der wahre Täter verweist auf ein Manuskript, das Jacket allerdings noch nicht veröffentlich hat. Doch wie ist das möglich? Woher weiß der wahre Täter von dem unveröffentlichten Manuskript und wie gelangte er an Inhalte daraus? Und Jacket verhält sich irrational. Er hat Angst davor, mit den Taten in Verbindung gebracht zu werden und schweigt gegenüber seinen Kollegen. Macht er dadurch nicht noch alles schlimmer? Es läuft darauf hinaus, dass er sich seinen inneren Dämonen von früher stellen muss.

 

Im Zusammenhang mit dem Manuskript werden viele schöne Irritationseffekte erzeugt, die mir sehr gut gefallen haben, weil sie für Verunsicherung beim Lesen sorgen (ein Fest für jeden Germanisten). Erzählte und reale Welt vermischen sich. Doch ich will hier nicht zu viel verraten. Ich fand es äußerst amüsant. Es hätte nur noch gefehlt, dass Jacket uns als Leser direkt anspricht und um Hilfe bittet. Und gleichzeitig wird mit dem Roman „Blutnacht“ noch ein Roman im Roman integriert. Auch hier vermischen sich verschiedene Erzählebenen. Toll arrangiert und sehr innovativ, wie ich finde! Für alle Freunde der Erzähltheorie eine wahre Freude.

 

Was mir ebenfalls gefallen hat: die eingeschobenen Täterkapitel in Form innerer Monologe, die mit „Er“ überschrieben sind und die den Fall weiter verrätseln. Und zum Ende zieht das Maß an Tempo, Spannung und Action noch einmal deutlich an. Ich konnte das Buch nicht mehr aus der Hand legen. Alles wirkt rund und in sich schlüssig. Das Ende ist überzeugend und überraschend. Faber nimmt sich auch genügend Zeit, den Inhalt auszuerzählen. Ich finde tatsächlich nichts, was ich an diesem Buch kritisieren kann. Von mir gibt es 5 Sterne!

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