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Samstag, 16. Dezember 2023

Mokler, Felicitas - Die Evolution des Universums. Vom Urknall bis in die Ewigkeit






Gelungenes Überblickswerk mit schönen, großformatigen Farbfotos


Auf der Suche nach einem gelungenen, informativen Überblickswerk zum Thema „Kosmologie“? Dann könnte „Die Evolution des Universums. Vom Urknall bis in die Ewigkeit“ von Felicitas Mokler genau das Richtige sein, vor allem weil es neben den interessanten Texten auch noch tolle, teils seitenfüllende Bilder vom Kosmos in Farbe aufweist. An einigen „Deep-Field-Aufnahmen“ konnte ich mich nicht sattsehen. Darüber hinaus hat mir gefallen, dass in den letzten beiden Kapiteln auch Kontroversen in den Blick genommen wurden, die deutlich machen, dass es in der Forschung auch Aspekte gibt, über die teils heftig gestritten wird. So gibt es z.B. unterschiedliche Methoden zur Entfernungsbestimmung von Himmelsobjekten und auch der exakte Wert der Hubble-Konstante ist umstritten. Und auch bezogen auf die Themen der „Dunklen Energie und Materie“ wird klar, dass es in der Kosmologie oft höchst spekulativ zugeht. Mir gefällt, dass das zum Ausdruck kommt. Vermisst habe ich noch ein Kapitel zur Erforschung von Exoplaneten. Aber es gibt ja auch noch die hilfreichen Themenhefte von Spektrum der Wissenschaft (vgl. dazu frühere Rezensionen). Doch der Reihe nach. Im Folgenden möchte ich skizzieren, was die Leser:innen in den Kapiteln jeweils erwartet.

 

Kapitel 1 – Aufbruch in ein neues Universum

Die Autorin wirft einen Blick 100 Jahre zurück in die Forschung. Sie beschreibt wichtige Entdeckungen von damals (z.B. zur Bewegung von Himmelsobjekten, zur Entfernungsmessung durch Hubble, zur Konstanz der Lichtgeschwindigkeit) und weist auch auf Kontroversen hin, die zu jener Zeit geführt worden sind (z.B. die Frage, ob das Universum statisch oder veränderlich ist) und die heute in einem anderen Licht erscheinen, weil jede Menge Erkenntniszugewinne stattgefunden haben. V.a. in der Spektroskopie gab es Fortschritte, so dass man heute viel mehr über die chemische Zusammensetzung von Sternen weiß und daraus etwas ableiten kann.

 

Kapitel 2 – Auf der Suche nach dem Urknall

In Form eines kurzen wissenschaftsgeschichtlichen Abrisses werden weitere Themen in den Blick genommen: Urknall, kosmische Hintergrundstrahlung, Singularitäten, Inflationstheorie, die Idee der Quantangravitation. Wichtige Forscher und ihre Arbeiten werden benannt. Der Erzählton wird nun anspruchsvoller, die Darstellung kompakter. Einiges an Vorwissen wird bereits vorausgesetzt.

 

Kapitel 3 – Von der Quantenfluktuation zum kosmischen Netz

Hier werden nun Ergebnisse der Messungen der kosmischen Hintergrundstrahlung erläutert. Die Autorin verweist auf Eckdaten, die man heute über den Kosmos zu wissen glaubt (z.B. das Alter des Kosmos von 13,7 Mrd. Jahren). Die sichtbare Materie habe lediglich einen Anteil von 4,9%. Und die Ausdehnungsrate des Universums betrage 67,4 km/sec/Mpc. Auf Kontroversen in der Forschung wird an dieser Stelle noch nicht weiter eingegangen. Auf die Diskussion um die Hubble-Konstante verweist die Autorin aber im letzten Kapitel. Und zu den Gravitationswellen, die während der inflationären Phase entstanden sein sollen, hätte ich gern noch mehr erfahren. Ein weiteres Thema, das beleuchtet wird: Die Strukturbildungen von Himmelskörpern im All (z.B. das Gebilde der „Großen Mauer“) und die Rolle von Dunkler Materie in diesem Zusammenhang. Nach Einschätzung der Autorin steht zwar fest, dass die Dunkle Materie gravitativ wirkt, ein Nachweis von Partikeln steht aber noch aus. Spannend fand ich den Hinweis der Autorin auf eine Himmelsregion, die erstaunlich leer erscheint. Die beobachtete Struktur enthalte 30% weniger Materie als ihre Umgebung, erstreckt sich über 1,8 Mrd. Lichtjahre, aber die Ursache dafür sei unklar. Es bleibt spannend. Was ich schade fand: Auf Alternativen zur Annahme von Dunkler Materie wird nicht weiter eingegangen. Hiermit meine ich Modelle von modifizierter Gravitation (vgl. dazu den Beitrag „Gibt es dunkle Materie wirklich“ von Sabine Hossenfelder und Stacy S. McGaugh in Spektrum der Wissenschaft Kompakt 03/21, S. 25-35).

 

Kapitel 4 – Die kosmische Dämmerung

In diesem Kapitel steht die Entdeckung besonders alter Himmelsobjekte im Zentrum des Interesses. Eine erste Analyse jüngster Aufnahmen des James-Webb-Teleskops offenbarte eine Galaxie, die offensichtlich 300 Mio. Jahre nach dem Urknall entstanden ist. Diesen Rekord gilt es zu schlagen. Weiterhin wird auf die Besonderheit von Quasaren eingegangen, die leuchtstärksten Objekte im Kosmos. Sie befinden sich in einer enorm großen Entfernung, wurden erst in der jüngeren Geschichte der Forschung entdeckt und müssen eine enorm kraftvolle Energiequelle aufweisen. Heute weiß man, dass dort extrem massereiche Schwarze Löcher wirken. Unklar ist allerdings, warum Quasare in einer bestimmten Epoche gehäuft auftraten und wie Schwarze Löcher bereits im frühen Universum entstehen konnten. Wie konnten sie in so kurzer Zeit so groß werden? Die Autorin stellt dafür einige Hypothesen vor. Sind die ersten Schwarzen Löcher womöglich direkt mit dem Urknall entstanden?

 

Kapitel 5 – Vom Wasserstoff zum Sternenstaub

Die Autorin widmet sich dem Thema des Sternentstehungsprozesses. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die ersten Sterne eine noch viel größere Masse hatten als jüngere Sterne. Der Fusionsprozess im Sterninneren wird sehr genau beschrieben und die verschiedenen Lebensphasen einer Sonne werden beleuchtet. Auch die besondere Erscheinungsform von Kugelsternhaufen wird in den Blick genommen. Es scheint die Gesetzmäßigkeit zu geben, dass es in der Entwicklungsgeschichte des Alls immer weniger massereiche Sterne und immer häufiger masseärmere Sterne gibt, die länger leben.

 

Kapitel 6 – Die Evolution der Galaxien

In diesem Kapitel rückt die Galaxienentwicklung in den Fokus. So ist interessant, dass sämtliche Galaxien ab einer bestimmten Masse ein Schwarzes Loch in ihrem Zentrum aufweisen. Das wusste ich noch nicht. Je massereicher die Galaxie, desto größer auch das Schwarze Loch. Galaxien, so die Autorin, durchlaufen Entwicklungsstadien. Besonders aktive Galaxien erscheinen als Quasare und es ist möglich, dass eine Galaxie vor langer Zeit einmal ein Quasar war oder in ferner Zukunft wieder zu einem Quasar werden kann. Und Galaxien durchlaufen nicht nur eine „Quasar-Phase“, sondern auch ein sogenanntes „Starburst-Stadium“ (eine Phase mit erhöhter Sternentstehungsrate). Kurzum: Es gibt also Phasen höherer und weniger hoher Aktivität, die eine Galaxie durchläuft. Spannend und faszinierend! Auch auf das äußere Erscheinungsbild von Galaxien wird eingegangen (Spiral- und Ellipsenform). Mokler erklärt, dass die elliptischen Galaxien sozusagen die Endprodukte einer langen Geschichte von Galaxienentwicklung sind. Bis heute sei allerdings noch nicht geklärt, wie genau die Spiralstruktur entsteht. Ein weiterer interessanter Aspekt, der thematisiert wird: Die (gravitativen) Wechselwirkung von Galaxien. Sie beschleunigen einander oder bremsen einander aus. Auch kommt es zu Verschmelzungen. Und auch unsere Milchstraße habe sich in den vergangenen 12 Mrd. Jahren verändert.

 

Kapitel 7 – Die kosmische Entfernungsleiter

Es existieren verschiedene Methoden, mit denen man die Entfernung von Himmelsobjekten bestimmen kann (z.B. die Parallaxenmethode oder die Standardkerzen-Methode). Diese werden in allgemeinverständlicher Form vorgestellt. Hilfreich fand ich auch die Illustrationen, mit denen die Probleme der Geometrie eines gekrümmten Raums verdeutlicht werden. Auch die verschiedenen Arten von Rotverschiebungen erläutert Mokler nachvollziehbar. Abschließend wird in diesem Kapitel die Frage diskutiert, wie weit man überhaupt in die kosmische Vergangenheit blicken kann. Ob das Universum größer ist als der beobachtbare Bereich (= Teilchenhorizont), wisse man nicht.

 

Kapitel 8 – Trouble mit Hubble

Hier wird der Streit um den exakten Wert der Hubble-Konstanten thematisiert. In der Forschung gibt es eine große Debatte darüber, wie schnell sich das All ausdehnt (vgl. dazu auch das Themenheft „Dunkle Energie“ von Spektrum der Wissenschaft Kompakt 05/19). Auch stellt Mokler verschiedene Annahme vor, wie die Zukunft des Kosmos aussehen könnte. Ein höchst spekulativer Bereich! Interessant fand ich die Idee eines zyklischen Universums (= „Big Bounce“), die aber sehr umstritten ist.

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