Gelungenes Überblickswerk mit schönen, großformatigen Farbfotos
Auf
der Suche nach einem gelungenen, informativen Überblickswerk zum Thema
„Kosmologie“? Dann könnte „Die Evolution des Universums. Vom Urknall bis in die
Ewigkeit“ von Felicitas Mokler genau das Richtige sein, vor allem weil es neben
den interessanten Texten auch noch tolle, teils seitenfüllende Bilder vom
Kosmos in Farbe aufweist. An einigen „Deep-Field-Aufnahmen“ konnte ich mich
nicht sattsehen. Darüber hinaus hat mir gefallen, dass in den letzten beiden
Kapiteln auch Kontroversen in den Blick genommen wurden, die deutlich machen,
dass es in der Forschung auch Aspekte gibt, über die teils heftig gestritten
wird. So gibt es z.B. unterschiedliche Methoden zur Entfernungsbestimmung von
Himmelsobjekten und auch der exakte Wert der Hubble-Konstante ist umstritten.
Und auch bezogen auf die Themen der „Dunklen Energie und Materie“ wird klar,
dass es in der Kosmologie oft höchst spekulativ zugeht. Mir gefällt, dass das
zum Ausdruck kommt. Vermisst habe ich noch ein Kapitel zur Erforschung von
Exoplaneten. Aber es gibt ja auch noch die hilfreichen Themenhefte von Spektrum
der Wissenschaft (vgl. dazu frühere Rezensionen). Doch der Reihe nach. Im
Folgenden möchte ich skizzieren, was die Leser:innen in den Kapiteln jeweils
erwartet.
Kapitel
1 – Aufbruch in ein neues Universum
Die
Autorin wirft einen Blick 100 Jahre zurück in die Forschung. Sie beschreibt
wichtige Entdeckungen von damals (z.B. zur Bewegung von Himmelsobjekten, zur
Entfernungsmessung durch Hubble, zur Konstanz der Lichtgeschwindigkeit) und weist auch auf Kontroversen hin, die zu jener Zeit geführt worden sind (z.B. die Frage, ob das Universum statisch oder veränderlich ist) und die heute in einem anderen
Licht erscheinen, weil jede Menge Erkenntniszugewinne stattgefunden haben. V.a.
in der Spektroskopie gab es Fortschritte, so dass man heute viel mehr über die
chemische Zusammensetzung von Sternen weiß und daraus etwas ableiten kann.
Kapitel
2 – Auf der Suche nach dem Urknall
In
Form eines kurzen wissenschaftsgeschichtlichen Abrisses werden weitere Themen
in den Blick genommen: Urknall, kosmische Hintergrundstrahlung, Singularitäten,
Inflationstheorie, die Idee der Quantangravitation. Wichtige Forscher und ihre
Arbeiten werden benannt. Der Erzählton wird nun anspruchsvoller, die
Darstellung kompakter. Einiges an Vorwissen wird bereits vorausgesetzt.
Kapitel
3 – Von der Quantenfluktuation zum kosmischen Netz
Hier
werden nun Ergebnisse der Messungen der kosmischen Hintergrundstrahlung erläutert.
Die Autorin verweist auf Eckdaten, die man heute über den Kosmos zu wissen
glaubt (z.B. das Alter des Kosmos von 13,7 Mrd. Jahren). Die sichtbare Materie
habe lediglich einen Anteil von 4,9%. Und die Ausdehnungsrate des Universums
betrage 67,4 km/sec/Mpc. Auf Kontroversen in der Forschung wird an dieser
Stelle noch nicht weiter eingegangen. Auf die Diskussion um die
Hubble-Konstante verweist die Autorin aber im letzten Kapitel. Und zu den
Gravitationswellen, die während der inflationären Phase entstanden sein sollen,
hätte ich gern noch mehr erfahren. Ein weiteres Thema, das beleuchtet wird: Die
Strukturbildungen von Himmelskörpern im All (z.B. das Gebilde der „Großen
Mauer“) und die Rolle von Dunkler Materie in diesem Zusammenhang. Nach
Einschätzung der Autorin steht zwar fest, dass die Dunkle Materie gravitativ
wirkt, ein Nachweis von Partikeln steht aber noch aus. Spannend fand ich den
Hinweis der Autorin auf eine Himmelsregion, die erstaunlich leer erscheint. Die
beobachtete Struktur enthalte 30% weniger Materie als ihre Umgebung, erstreckt
sich über 1,8 Mrd. Lichtjahre, aber die Ursache dafür sei unklar. Es bleibt
spannend. Was ich schade fand: Auf Alternativen zur Annahme von Dunkler Materie
wird nicht weiter eingegangen. Hiermit meine ich Modelle von modifizierter
Gravitation (vgl. dazu den Beitrag „Gibt es dunkle Materie wirklich“ von Sabine
Hossenfelder und Stacy S. McGaugh in Spektrum der Wissenschaft Kompakt 03/21,
S. 25-35).
Kapitel
4 – Die kosmische Dämmerung
In
diesem Kapitel steht die Entdeckung besonders alter Himmelsobjekte im Zentrum
des Interesses. Eine erste Analyse jüngster Aufnahmen des James-Webb-Teleskops
offenbarte eine Galaxie, die offensichtlich 300 Mio. Jahre nach dem Urknall
entstanden ist. Diesen Rekord gilt es zu schlagen. Weiterhin wird auf die
Besonderheit von Quasaren eingegangen, die leuchtstärksten Objekte im Kosmos. Sie
befinden sich in einer enorm großen Entfernung, wurden erst in der jüngeren
Geschichte der Forschung entdeckt und müssen eine enorm kraftvolle
Energiequelle aufweisen. Heute weiß man, dass dort extrem massereiche Schwarze
Löcher wirken. Unklar ist allerdings, warum Quasare in einer bestimmten Epoche
gehäuft auftraten und wie Schwarze Löcher bereits im frühen Universum entstehen
konnten. Wie konnten sie in so kurzer Zeit so groß werden? Die Autorin stellt
dafür einige Hypothesen vor. Sind die ersten Schwarzen Löcher womöglich direkt
mit dem Urknall entstanden?
Kapitel
5 – Vom Wasserstoff zum Sternenstaub
Die
Autorin widmet sich dem Thema des Sternentstehungsprozesses. Interessant ist in
diesem Zusammenhang, dass die ersten Sterne eine noch viel größere Masse hatten
als jüngere Sterne. Der Fusionsprozess im Sterninneren wird sehr genau
beschrieben und die verschiedenen Lebensphasen einer Sonne werden beleuchtet. Auch
die besondere Erscheinungsform von Kugelsternhaufen wird in den Blick genommen.
Es scheint die Gesetzmäßigkeit zu geben, dass es in der Entwicklungsgeschichte
des Alls immer weniger massereiche Sterne und immer häufiger masseärmere Sterne
gibt, die länger leben.
Kapitel
6 – Die Evolution der Galaxien
In
diesem Kapitel rückt die Galaxienentwicklung in den Fokus. So ist interessant,
dass sämtliche Galaxien ab einer bestimmten Masse ein Schwarzes Loch in ihrem
Zentrum aufweisen. Das wusste ich noch nicht. Je massereicher die Galaxie,
desto größer auch das Schwarze Loch. Galaxien, so die Autorin, durchlaufen
Entwicklungsstadien. Besonders aktive Galaxien erscheinen als Quasare und es
ist möglich, dass eine Galaxie vor langer Zeit einmal ein Quasar war oder in ferner
Zukunft wieder zu einem Quasar werden kann. Und Galaxien durchlaufen nicht nur
eine „Quasar-Phase“, sondern auch ein sogenanntes „Starburst-Stadium“ (eine Phase
mit erhöhter Sternentstehungsrate). Kurzum: Es gibt also Phasen höherer und
weniger hoher Aktivität, die eine Galaxie durchläuft. Spannend und
faszinierend! Auch auf das äußere Erscheinungsbild von Galaxien wird
eingegangen (Spiral- und Ellipsenform). Mokler erklärt, dass die elliptischen
Galaxien sozusagen die Endprodukte einer langen Geschichte von
Galaxienentwicklung sind. Bis heute sei allerdings noch nicht geklärt, wie
genau die Spiralstruktur entsteht. Ein weiterer interessanter Aspekt, der
thematisiert wird: Die (gravitativen) Wechselwirkung von Galaxien. Sie
beschleunigen einander oder bremsen einander aus. Auch kommt es zu
Verschmelzungen. Und auch unsere Milchstraße habe sich in den vergangenen 12
Mrd. Jahren verändert.
Kapitel
7 – Die kosmische Entfernungsleiter
Es
existieren verschiedene Methoden, mit denen man die Entfernung von
Himmelsobjekten bestimmen kann (z.B. die Parallaxenmethode oder die Standardkerzen-Methode).
Diese werden in allgemeinverständlicher Form vorgestellt. Hilfreich fand ich
auch die Illustrationen, mit denen die Probleme der Geometrie eines gekrümmten
Raums verdeutlicht werden. Auch die verschiedenen Arten von Rotverschiebungen
erläutert Mokler nachvollziehbar. Abschließend wird in diesem Kapitel die Frage
diskutiert, wie weit man überhaupt in die kosmische Vergangenheit blicken kann.
Ob das Universum größer ist als der beobachtbare Bereich (= Teilchenhorizont),
wisse man nicht.
Kapitel
8 – Trouble mit Hubble
Hier
wird der Streit um den exakten Wert der Hubble-Konstanten thematisiert. In der
Forschung gibt es eine große Debatte darüber, wie schnell sich das All ausdehnt
(vgl. dazu auch das Themenheft „Dunkle Energie“ von Spektrum der Wissenschaft
Kompakt 05/19). Auch stellt Mokler verschiedene Annahme vor, wie die Zukunft
des Kosmos aussehen könnte. Ein höchst spekulativer Bereich! Interessant fand
ich die Idee eines zyklischen Universums (= „Big Bounce“), die aber sehr
umstritten ist.
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