Dieses Blog durchsuchen

Sonntag, 17. Dezember 2023

Scott, Ridley - The last duel






Warum bespreche ich hier einen Film? Weil mich das erzählerische Arrangement begeistert und positiv überrascht hat. Ich wusste im Vorfeld nicht, was auf mich zukommt. Es geht um den Film „The Last Duel“ vom Regisseur Ridley Scott, der momentan durch den Historienfilm „Napoleon“ wieder auf sich aufmerksam macht. Bekannt geworden ist er sicherlich durch „Alien“ und „Gladiator“. Die Handlung von „The Last Duel“ ist in Frankreich des 14. Jahrhunderts angesiedelt, doch die Thematik ist hoch aktuell. Eine Frau wird vergewaltigt, macht ihre Vorwürfe gegen den potentiellen Täter öffentlich und muss ihre Ehre verteidigen. Sie durchläuft regelrecht eine Hölle, ihre Anschuldigungen werden immer wieder in Zweifel gezogen. Und die Gerichtsbarkeit zu jener Zeit ist natürlich nicht vergleichbar mit einem Prozess in einem modernen Rechtsstaat, wie wir es kennen. Ein Gottesurteil soll gefällt werden. Der Ehemann des Opfers stellt sich in einem Duell dem beschuldigten Täter. Und über allem schwebt immer auch die Frage: Wie verzweifelt muss sich das Opfer fühlen, dem Unrecht widerfahren ist, dem man aber nicht glaubt? Sie legt ihr Schicksal in die Hände ihres Ehemanns, der sie verteidigen muss und ist völlig abhängig vom Ausgang des Duells. Verliert ihr Mann, so landet sie auf dem Scheiterhaufen und wird verbrannt. Ihr ungeborenes Kind, von dem wir nicht wissen, wer der Vater ist, wird dann zur Waise. Dieser Stoff emotionalisiert!

 

Und was den Film weiterhin besonders macht, ist nicht nur der Inhalt, sondern auch die Erzählweise: Das Geschehen wird nacheinander aus drei unterschiedlichen Perspektiven erzählt. Zunächst wird uns der Blickwinkel des Ehemanns dargeboten, der seiner Frau glaubt und zur ihr hält. Danach wird den Zuschauer:innen das Ganze aus der Sicht des Täters präsentiert, der die Situation anders darstellt. Und zuletzt kommt das Opfer zu Wort und es wird deutlich, was wirklich passiert ist (wenn man ihr denn Glauben schenkt). Was ich daran gelungen finde: Verschiedene Szenen aus dem Leben der Protagonisten werden jeweils aus verschiedenen Perspektiven erzählt, so dass unterschiedliche Lesarten des Falls deutlich werden. Wir fühlen uns als Zuschauer wie ein Richter, dem verschiedenartige Versionen derselben Geschichte vorgestellt werden und der dann sein Urteil fällen muss. Das ist sehr geschickt arrangiert. Die drei Blickwinkel sind gut aufeinander abgestimmt und ergänzen sich teilweise gegenseitig. Und man leidet mit dem Opfer mit und hofft darauf, dass der Täter bestraft wird. Über allem schwebt die Frage, ob das Duell am Ende des Films zur Gerechtigkeit führen wird. Gewinnt der Ehemann das Duell am Ende des Films, wird die Ehre seiner Frau und seine eigene wiederhergestellt.

 

Mir hat der Film sehr, sehr gut gefallen. Und was ich an dem Stoff zusätzlich schätze, ist die Tatsache, dass die Handlung ohne weiteres auf die heutige Zeit übertragen werden kann (man denke nur an die „me-too-Debatte“). Es wird deutlich, wie sehr ein potentielles Opfer leidet, wenn es die Vorwürfe der Vergewaltigung erhebt. Die Frau, die Furchtbares durchlitten hat, muss sich einer Befragung stellen und darauf hoffen, dass man ihr glaubt. Die Beweisführung ist außerordentlich schwierig. Kurzum: Es handelt sich um eine Erzählung mit emotionaler Wucht, die noch dazu auf realen historischen Begebenheiten beruht. Ridley Scott hat seinen Film auf das Buch von Eric Jager gestützt („The last duel. A true story of crime, scandal, and trial by combat“), das bisher nicht ins Deutsche übersetzt worden ist. Darin wird der Fall erzählt, der sich 1368 ereignet hat. Eine Frau namens Marguerite de Carrouges behauptet von Jacques Le Gris vergewaltigt worden zu sein. Ihr Mann Sir Jean de Carrouges wendet sich an König Karl VI., um die Angelegenheit vor Gericht zu bringen. Es ranken sich viele Theorien um das Geschehen: Wollte Jean sich mit dieser Geschichte an seinem Widersacher Jacques rächen? Hat Marguerite vielleicht den falschen Mann beschuldigt? Schenkt man jedoch solchen Theorien Glauben, so spricht man damit dem Opfer wiederum ab, die Wahrheit zu sagen.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen