Die Anfänge von Max Bischoff
Die
Mörderfinder-Reihe um Max Bischoff ist bekannt und beliebt. Den ersten Teil
habe ich gebannt gelesen und regelrecht verschlungen (vgl. dazu eine frühere
Rezension). Doch die Erzählung um den Beamten Bischoff beginnt nicht erst mit
der Mörderfinder-Reihe, von der im Februar 2024 übrigens der vierte Teil
erscheint, sondern bereits mit Thrillern, die den Untertitel „Im Kopf des
Mörders“ tragen. Das sind „Tiefe Narbe“ (2017), „Kalte Angst“ (2018) und „Toter
Schrei“ (2019). Um mehr über die Vorgeschichte des Protagonisten zu erfahren,
entschied ich mich für die Lektüre von „Tiefe Narbe“, das ich hier besprechen
möchte.
In
meinen Augen zeichnen sich Arno Strobels Thriller durch die folgenden Zutaten
aus: hohes Tempo, hohe Dialog- und hohe Ereignishaftigkeit. Und hier bildet „Tiefe
Narbe“ keine Ausnahme. Man ist von Beginn an in der Handlung drin und wird
sofort mitgerissen. Ein verwirrter Mann, blutüberströmt und orientierungslos,
sucht das Polizeipräsidium auf und weiß nur noch, dass er in einer Wohnung war
und dort überwältigt wurde. Bei der Adresse, die er den Beamten nennt, findet
man ein blutverschmiertes Schlafzimmer vor, aber keine Leiche. Und als Leser:in
stellt man sich sofort die folgenden Fragen: Was ist passiert? Wo ist die
Leiche? Ist der verwirrte Mann der Täter oder will man ihm etwas anhängen? Und
was ich an der Charakterzeichnung von Bischoff mag: Seine Zerrissenheit
zwischen Beruflichem und Privatem kommt gut zum Ausdruck.
Strobels
Schreibstil ist nach meinem Empfinden unverkennbar. Er legt großen Wert auf
temporeiches Erzählen und greift dafür auf ähnliche Techniken zurück: Kurze
Kapitel mit Cliffhangern, pointierte Dialoge, die die Handlung vorantreiben,
keine übermäßigen Beschreibungen von Dingen, die nichts mit dem Fall zu tun
haben. Die Schilderung unwichtiger Details wird vermieden. Es wird zwischen
verschiedenen Schauplätzen rasch gewechselt und das Telefon ist immer in
greifbarer Nähe, um für neue Impulse zu sorgen. Das Privatleben der Ermittler spielt
keine zu ausufernde Rolle und kommt in meinen Augen mit ausreichendem Umfang
daher. Hinzu kommt ein hohes Maß an Spannung. So werden immer wieder geschickt offene
Fragen im Kopf des Lesers/ der Leserin evoziert. Dafür sorgen z.B. die
eingeschobenen, knappen Kapitel aus der Täterperspektive, die den Fall weiter
verrätseln. Auf dieses Mittel greift Strobel auch in anderen Thrillern immer
wieder zurück. Und zum Ende zieht die Spannungskurve nochmal spürbar an (auch
weil Bischoffs innerer Zustand der Verzweiflung und Anspannung gut zur Geltung
kommt sowie Zeitdruck plötzlich eine Rolle spielt).
Jetzt
könnte man meinen, dass sich die Strobel-Thriller damit zu sehr ähneln und
insgesamt zu wenig Abwechslung bieten. Dem würde ich aber widersprechen. Bei
Strobel weiß man einfach, woran man ist. Und die Plot-Ideen, die er entwickelt,
sind immer wieder neuartig und kreativ, auch wenn sich der Aufbau seiner
Thriller oft ähnelt. Man weiß, was auf einen zukommt und wer temporeiches
Erzählen und pointierte Dialoge schätzt, der wird mit seinen Büchern glücklich
werden. Und er beherrscht es auch, Wendungen und Überraschungen einzubauen. Ich
greife immer wieder gern auf seine Thriller zurück, auch wenn ich gern
zeitliche Abstände zwischen der Lektüre der einzelnen Werke lasse. Ich werde bei
ihm immer wieder mitgerissen und bin gespannt auf die Auflösung. Und ich
schätze Arno Strobels unverkennbaren Schreibstil und dafür, dass er die Fälle
plausibel und durchdacht abschließt. Es sind keine unrealistischen und an den
Haaren herbeigezogenen Elemente vorhanden, wie man sie ab und zu bei anderen
Autoren findet.
Zum
Abschluss allerdings dennoch drei Dinge, die mir aufgefallen sind: 1. Die
psychologische Seite spielt bei „Tiefe Narbe“ keine so große Rolle, wie ich es
im Vorfeld erwartet und es mir gewünscht hätte. 2. In späteren Werken gelingt
es Strobel nach meinem Empfinden besser, die Charakterzüge der Figuren durch
die Dialoge deutlicher hervortreten zu lassen. 3. Die Ermittlungsarbeit in Form
von Zeugenvernehmung nimmt sehr, sehr viel Raum ein, es treten zwar immer
wieder neue Erkenntnisse zutage, so dass es nicht langweilig wird, aber ich hätte
mir hier noch mehr Abwechslung gewünscht (z.B. durch neue und andere
Ermittlungsmethoden). Von mir gibt es 4 Sterne!
2 Kommentare:
Was Strobel betrifft, liegen wir ja auf der selben Wellenlänge. Mir gefallen seine Thriller auch gut. "Die Narbe" habe ich auch noch auf meinem SUB liegen. VG
Danke für deinen Kommentar! Ich mag Strobels Art, temporeich zu erzählen. Das packt mich. Aber es ist sicherlich subjektiv, was man als packend empfindet. VG
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