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Mittwoch, 5. November 2025

Geßner, Eva - Seelenkalt



Realistisch, beklemmend, intensiv




Zu Beginn lernen wir die Prostituierte Claire kennen, die mit einem Kunden in einem Hotel verschwindet. Er stellt sich ihr als Richard vor und schnell wird klar, dass er auf der Suche nach seiner Tochter Antonia ist, die im Milieu arbeitet. Er droht Claire, um an Informationen zu kommen. Doch sie streitet ab, Antonia zu kennen, und hat große Angst, ihm gegenüber etwas preiszugeben. Sie fürchtet sich vor ihren Zuhältern. Doch Richard gibt so schnell nicht auf. Seine Familie ist daran zerbrochen, dass Antonia einst auf die schiefe Bahn geriet. Er hat sich geschworen, seine Tochter zu finden und sie zu befreien. Nichts hält ihn davon ab, seinen Rettungsplan in die Tat umzusetzen. Er agiert kompromisslos und geht selbst ein hohes Risiko ein…

Danach machen wir mit Kriminalhauptkommissarin Franziska Frey Bekanntschaft und erhalten Einblick in ihr Familienleben. Die Arbeit nimmt sie völlig in Beschlag, sie ist selten zu Hause. Die Beziehung zu ihrer 16-jährigen Tochter leidet darunter. Auf dem Revier trifft Franziska auf die Prostituierte Dana Markow, die Claire als vermisst meldet. Sie ist seit einer Woche spurlos verschwunden. Hat Richard etwas damit zu tun?

Darüber hinaus wird Franziska mit einem weiteren Fall konfrontiert. Ein Steuerberater wurde krankenhausreif geschlagen und man entdeckt in seiner Kanzlei einen geheimen Archivraum, in der er eine geheime sexuelle Neigung ausgelebt hat. Bei der Auswertung des Videomaterials, das man dort findet, kommen brisante Details ans Tageslicht. Der Berater muss in illegale Machenschaften verwickelt gewesen sein. Die Polizei zögert nicht lang, nimmt die Ermittlungen auf, durchleuchtet das Liebesleben des Opfers und befragt dessen Umfeld. Auch dubiose Typen werden dabei verhört. Irgendwann wird klar, dass ein Serienmörder sein Unwesen treiben muss…

Bei der Lektüre erhält man einen erschreckend realistisch gezeichnetes Bild vom Rotlicht-Milieu und damit in die Doppelmoral unserer Gesellschaft. Es rücken viele Menschen als handelnde Figuren in den Vordergrund, die in der gesellschaftlichen Schattenwelt agieren. So wird z.B. verdeckt in einem anrüchigen „Saunaclub“ ermittelt. Der Thriller wirkt sehr gut recherchiert. Das macht auch das Nachwort deutlich. Es kommt sehr gut zum Ausdruck, welches Unrecht und Leid die Prostituierten ertragen müssen, wie sie überhaupt ins Milieu abrutschen und wie die deutsche Gesetzeslage aussieht. Eine treffende Sozialkritik wird hier deutlich! Das alles aufs Papier zu bringen, war bestimmt fordernd.

Vieles ging mir sehr nah, vor allem der Handlungsstrang um Richard, der seine Tochter aus dem Milieu befreien will, reißt mit und emotionalisiert sehr stark. Man kann die Wut und Verzweiflung des Vaters gut nachvollziehen. Die Ermittlungsarbeit nimmt in diesem Thriller ebenfalls viel Raum ein, was ihn oft in die Nähe eines Krimis rückt. Es wird aber nie langweilig. Die Befragungen sind ereignis- und abwechslungsreich gestaltet worden. Man bleibt an den Zeilen haften. Der Schreibstil ist sehr angenehm und die Spannung durchweg stark ausgeprägt. Auch die Figur der Franziska Frey ist gut konzipiert. Sie muss sich in einer männlich dominierten Berufswelt durchsetzen. Ihre Erfahrung gibt sie an eine jüngere Kollegin weiter, die sie in ihrer Ungeduld oft bremsen muss. Sie wirkt insgesamt außerordentlich kompetent.

Das Einzige, was mir nicht so gut gefallen hat, waren Passagen, in denen der Sadismus zu stark ausgeprägt war. Aber das wird jede Leserin und jeder Leser anders empfinden. Mir war es teils zu heftig. Auch das Tempo hätte nach meinem Geschmack noch etwas höher ausfallen können. Aber auch das ist ja sehr subjektiv. Ich komme auf 4 Sterne.

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