„Schultersternschicksale“
Bei
„Der falsche Inder“ handelt es sich um den Debutroman von Abbas Khider, von dem
ich bereits „Der Erinnerungsfälscher“, „Ohrfeige“ und „Brief in die
Auberginenrepublik“ gelesen habe (vgl. frühere Rezensionen). Und es finden sich
bereits in diesem Roman viele Themen wieder, die auch in den späteren Romanen
eine Rolle spielen werden. Zentral ist das Thema „Flucht aus dem Irak“. Das erzählerische
Arrangement ist kreativ. Die Geschichte wird von einer Rahmenhandlung umgeben.
Der Fahrgast Habibi, aus dessen Sicht in der Ich-Form erzählt wird, findet im
Zug ein herrenloses arabischsprachiges Manuskript. Darin wird die
Lebensgeschichte von Rasul Hamid dargestellt, die seiner eigenen gleicht. Die
Erlebnisse von Rasul Hamid stellen also eine Geschichte in der Geschichte dar.
Sie besteht aus acht Kapiteln und ist ebenfalls in der Ich-Perspektive
verfasst. Jedes Kapitel erhält einen eigenen roten Faden, sozusagen eine Art
Leitthema, und liest sich dabei wie ein in sich geschlossener Erzählabschnitt. Es
wird also kunstvoll mit Genregrenzen „gespielt“, die überschritten werden. „Der
falsche Inder“ ist sowohl Roman, (fiktive) Biographie und
Kurzgeschichten-Sammlung.
Zunächst einmal wird deutlich, dass Rasul mit seiner eigenen Identität hadert, aufgrund seiner ungewöhnlichen Hautfarbe wird er in seinem Heimatland, dem Irak, oft für einen Inder gehalten. Er ist Schriftsteller, ist in einer bildungsfernen Familie groß geworden und verliert durch tragische Ereignisse immer wieder sein bisheriges literarisches Schaffen in Form von Manuskripten (welche Ironie!). Er schildert viele humorvolle, aber auch ernste Begebenheiten. Im dritten Kapitel schildert er z.B. die Reize der Frauen und der Erzählton wird frivol. Oft ist der Erzählton aber auch scharfzüngig, sarkastisch-bissig. So z.B. im vierten Kapitel, wo Rasul seine Erinnerungen an Wandaufschriften in verschiedenen Ländern auferstehen lässt. Oft ist Rasuls Blick ungeschönt. So z.B. im fünften oder siebten Kapitel, wenn er über seine Kriegserfahrungen schreibt, über das Gefühl der inneren Leere, seine Fluchterfahrungen oder über seine Gefängnisaufenthalte und Mithäftlinge. Im sechsten Kapitel wiederum ist Rasuls Darstellung wieder hoffnungsvoller. Er berichtet von Wundern, vor allem von Begegnungen mit hilfsbereiten Menschen, die ihn auf seiner Flucht retteten.
Letztlich liest sich Rasuls Geschichte wie eine Aneinanderreihung von Anekdoten, die teilweise so abenteuerlich wie in einem Action-Film geschildert werden. Er nimmt uns mit auf seine Reise durch Jordanien, Libyen, die Türkei, Griechenland, Italien und Deutschland. Ich konnte nicht aufhören zu lesen, fand die dargestellten Ereignisse unheimlich interessant. Leider war das Buch dann nach ca. 160 Seiten aber doch schon vorbei. Wie schon von den anderen Romanen von Abbas Khider, die ich gelesen habe, bin ich auch von diesem Werk sehr beeindruckt. Mir gefällt der oft sarkastisch-bissige, humorvolle, scharfzüngige Erzählton, der diesen Roman zu etwas Besonderem macht. Ich empfehle die Lektüre und vergebe (wieder einmal) fünf Sterne.
Fazit:
Ein Werk, das sich von der Qualität in das übrige literarische Schaffen von Abbas Khider einreiht. Wieder sehr lesenswert und abwechslungsreich! Als besonders gelungen habe ich in diesem Debutroman die erzählerische Gestaltung und den gewählten Erzählton empfunden.
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