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Freitag, 8. April 2022

Khider, Abbas - Brief in die Auberginenrepublik


5 von 5 Sternen


„Nur eine mesopotamische Geschichte…“

Salim, ehemaliger Student und politischer Flüchtling aus dem Irak, verdingt sich im lybischen Exil als Bauarbeiter. Seit seiner Flucht hat er von seiner großen Liebe, Samia, nichts mehr gehört. Deshalb entschließt er sich, ihr einen langen, persönlichen Brief mit einem Lebenszeichen zu schicken, und zwar vorbei an der Zensur, mit Hilfe eines illegalen Netzwerks von Briefboten, die in der gesamten arabischen Welt aktiv sind. In dem Roman „Brief in die Auberginenrepublik“ begleiten wir nun die abenteuerliche Reise des Briefs, von Libyen über Ägypten und Jordanien bis in den Irak. Abbas Khider reiht verschiedene erzählerische Episoden aneinander, durch die wir einen kleinen, ausschnittartigen Einblick in die Leben verschiedener Protagonisten in der arabischen Welt erhalten. Auf diese Weise erfahren wir beiläufig etwas über die Lebensbedingungen unter dem Regime von Gaddafi, von Mubarak und Hussein.

Nachdem wir mehr über Salim und seine Lebensumstände erfahren haben, wird der Brief an Haytham Mursi, einen Taxifahrer im Alter von 54 Jahren, weitergereicht. Dieser unterhält sich mit seinen Fahrgästen beispielsweise über die Afrikanisierung Libyens. Interessant an diesem Gespräch ist, wie die Reisenden ganz offenherzig über bestehende Missstände im Land sprechen, es entwickelt sich ein gefährliches Lästern über die Zustände in Libyen. Dabei ist auch die Angst vor Repressalien stets greifbar. Als nächstes landet der Brief dann bei Majed Munir, 41 Jahre alt und Reisebüroleiter, wohnhaft in Kairo, Ägypten. In dieser Episode erfahren wir z.B. etwas über das Zusammenleben von Irakern und Ägyptern in Kairo sowie über das Geschäft der illegalen Briefsendungen. Weiter geht die Reise im Anschluss nach Jordanien. Wir begleiten den 52-jährigen Lastwagenfahrer Latif Mohamed. An seinem Schicksal wird uns die Trauer eines Vaters um seinen verstorbenen Sohn verdeutlicht. Sein Sohn Nori musste an die Front und kehrte aus dem Irak-Iran-Krieg nie zurück. Latif macht sich dabei auch selbst Vorwürfe, weil er seinen Sohn noch darin bestärkt hat, zurück an die Front zu gehen, damit er nicht als Deserteur mit dem Tode bestraft wird. Dieser Erzählabschnitt ist sehr emotional gestaltet. Die Reise endet dann in Bagdad, Irak. Am Beispiel von Kamal Karim, 31 Jahre, lernen wir die Tätigkeit eines einfachen Sicherheitspolizisten kennen, der aus der Not anderer Menschen Profit schlägt. An seinem Schicksal wird deutlich, wie Macht korrumpieren kann. Danach steigen wir die Hierarchieleiter weiter nach oben und begegnen Oberst Ahmed Kader, 34 Jahre. Er hat sich innerhalb des irakischen Machtapparats weit nach oben gearbeitet, kennt Saddam Hussein sogar persönlich, trifft ihn sogar hin und wieder. Hier erhalten wir einen exemplarischen Einblick in die Denkweise eines Mannes aus der Militärelite. Der Autor schreckt dabei nicht davor zurück auch Grausamkeiten wie Folter in der Haft zu schildern. Zum Schluss des Romans lenkt Khider unsere Aufmerksamkeit dann auf die naive und weltfremde Ehefrau von Oberst Ahmed Kader: Miriam. Sie scheint sich nie darum gekümmert zu haben, womit ihr Mann sein Geld verdient und was er dafür zu tun bereit ist. Sie scheint ihr eigenes Land nicht richtig zu kennen und lebt eine Art Leben im „Elfenbeinturm“.

Letztlich hat mich Abbas Khider wie schon bei „Der Erinnerungsfälscher“ und „Ohrfeige“ mit seinem erzählerischen Talent überzeugt. Es gelingt ihm ein sehr anschauliches Porträt der arabischen Welt zu zeichnen, wenn auch natürlich nur skizzenhaft. Aber sein Blick in die Leben der Protagonisten hinein ist scharf und pointiert. An vielen Stellen ist sein Erzählstil auch durchaus mal vulgär, ausdrucksstark, emotional-expressiv und drastisch. Dadurch wirkt das Erzählte oft direkt aus dem Leben gegriffen, es wirkt authentisch. Man gewinnt einen Eindruck von den Lebensbedingungen und von den Zuständen in den erwähnten Ländern. Für mich sind die Bücher von Abbas Khider unheimlich interessant und aufschlussreich, weil sie eine fremde Lebenswelt porträtieren. Eine Lebenswelt, die geprägt ist von Diktatur, Militarismus, politischer Flucht und Illegalität. Und je mehr Romane ich von Abbas Khider lese, desto facettenreicher wird mein Bild über exemplarische Erlebnisse eines irakischen Flüchtlings. In „Der Erinnerungsfälscher“ ging es in erster Linie darum, wie Said von seinen traumatisierenden Erinnerungen geprägt wurde. In „Ohrfeige“ werden dann die schweren Anfangsjahre von Karim in der neuen Heimat Deutschland um die Jahrtausendwende herum behandelt. In „Brief in die Auberginenrepublik“ wird dann anhand verschiedener Episoden ein gesellschaftspolitisches Porträt der arabischen Welt skizziert.

Fazit

Wieder ein Roman von Abbas Khider, den ich mit Interesse gelesen habe und der mich vom erzählerischen Talent des Autors abermals überzeugt hat. Ein sehr aufschlussreicher Einblick in eine fremde arabische Lebenswelt um die Jahrtausendwende herum, die von Diktatur, Militarismus, politischer Flucht und Illegalität geprägt ist. Ich empfehle die Lektüre dieses Werks und vergebe volle 5 Sterne. 

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