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Freitag, 30. Mai 2025

Faber, Henri - Locked In


Guter Beginn, am Ende zu unübersichtlich



Ein namenloser Entführer hat drei Menschen verschwinden lassen und die zwei Polizisten Paul Maertens und Stefanie Krüger sind ihm zu Beginn des Buchs dicht auf den Fersen. Das Tempo ist hoch, die Sätze kurz, der Einstieg dynamisch. Ellipsen, Interjektionen und Parallelismen sowie Aufzählungen prasseln auf die Leser ein. Kurzum: Fabers Sprache hat Wiedererkennungswert (welche Autoren haben das schon?).


Beim Zugriff wird der Entführer schwer verwundet und trägt eine Kopfverletzung davon. Er überlebt mit schweren Hirnschäden und muss sein Dasein fortan als Locked-In-Patient fristen, der in seinem eigenen Körper gefangen ist. Gelähmt, aber bei vollem Bewusstsein. Und die Entführungsopfer bleiben verschollen…


Eingeschoben werden auch Kapitel aus der Sicht eines Opfers, das sich in einem Verlies befindet und orientierungs- und gedächtnislos ist. Ihm bleibt nicht viel Zeit und es muss ums Überleben kämpfen. Es versucht sich aus seiner ausweglosen Situation zu befreien und wächst dabei über sich hinaus. Die Schilderungen sind eindringlich. Die Zeit läuft und der physische und psychische Zustand des Gefangenen drohen sich zu verschlechtern. Doch anfangs erscheint uns das Opfer noch kräftig und willensstark. Doch bleibt das so?


Eine weitere Perspektive kommt dem Neurowissenschaftler Prof. Dr. Theo Linde zu, der ein Gerät entwickelt hat, mit dem sog. Locked-In-Patienten kommunizieren können. Es misst die Hirnströme und kann Ja- und Nein-Antworten ermitteln. Diese Erfindung soll der Polizei dabei helfen, mit dem überlebenden Entführer zu kommunizieren, damit dieser Auskunft über seine Verbrechen geben kann. Doch warum sollte er die an ihn gerichteten Fragen korrekt beantworten? Welches Interesse sollte der Entführer daran haben, zu helfen?


Die gewählten Ich-Perspektiven erzeugen Unmittelbarkeit. Wir sind als Leser nah dran am Geschehen. Die Schreibweise zeichnet sich durch Kreativität und Ideenreichtum aus. Und der Umstand, dass ein entführtes Opfer gefangen ist und der Entführer gleichzeitig verhört werden soll, erzeugt Zeitdruck. Auch das ist gelungen. Die Ermittlungen werden dynamisch und ereignisreich vorangetrieben. Es wird an vielen Stellschrauben gedreht, um Spannung zu erzeugen. Es kommt keine Langeweile auf. Prima!


Weiterhin finde ich interessant, dass der Inhalt des Thrillers einen realen Hintergrund hat. Locked-In-Patienten gibt es tatsächlich und auch ein Gerät zur Kommunikation mit solchen Patienten existiert in Wirklichkeit (obwohl es für mich anfangs eher nach Raumschiff Enterprise klang). Dass es sich nicht um eine reine Fiktion handelt, wertet den Inhalt in meinen Augen noch einmal zusätzlich auf. Ich mag es, wenn ich noch etwas dazulernen kann. Und an einer Stelle erhält das Geschehen durchaus auch Tiefgang. So wird die Frage nach Sterbehilfe thematisiert (allerdings nur knapp).


Allerdings habe ich bei diesem neuen Thriller auch etwas zu meckern. Mit zunehmendem Handlungsverlauf wird die Handlung für mich zunehmend unübersichtlich. Die Ereignisse und Wendungen überschlagen sich. Mir war das zu viel. Es war mir zu hektisch. Ich habe auch nicht immer verstanden, wie eins zum anderen kommt. Einiges war mir dann auch mal zu abgedreht, das muss ich ehrlich zugeben. Schade, schade! Die beiden Vorgänger gefielen mir insgesamt besser.

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