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Samstag, 1. April 2023

Edelbauer, Raphaela - Dave


3 von 5 Sternen


Ein Werk ohne schlichte Eleganz (Rezension von Dr. Tobias Kallfell)


Seit den Diskussionen um ChatGPT ist das Thema der Künstlichen Intelligenz wieder in aller Munde. Und auch ich wollte gerne einmal wieder ein Buch zu diesem Thema lesen. Meine Wahl fiel auf „Dave“ von Raphaela Edelbauer; ein Buch, das sehr gelobt wurde. So wird auf dem Klappentext Denis Scheck mit der Aussage „Ein Geistesblitz von einem Roman!“ zitiert. Und auch erhielt das Buch den österreichischen Buchpreis 2021. Man sollte also annehmen, dass es sich um einen großartigen Roman handelt, oder etwa nicht?

 

Eines kann ich vorweg jedenfalls sagen: Es ist eine anspruchsvolle Lektüre. Die Autorin formuliert an vielen Stellen komplex und abstrakt, manchmal surrealistisch, auch sind einige seltene Fremdworte anzutreffen. Anstrengungsbereitschaft wird also beim Lesen absolut vorausgesetzt. Mir hat es schon stellenweise etwas die Freude am Lesen verdorben. Ich empfand die Sprache passagenweise als künstlerisch überformt. Andererseits passt dieser Sprachduktus zu der entworfenen, technisierten Gesellschaft, die die Erforschung und Entwicklung der Künstlichen Intelligenz als ihr wichtigstes Ziel ansieht und sich viele Gedanken darum macht, was ein mögliches künstliches Bewusstsein auszeichnet. 

 

Die Zukunftsvision, die die Autorin entwirft ist düster, dystopisch-pessimistisch (in meinen Augen stellenweise auch arg überzeichnet und unrealistisch). Die Erde scheint unbewohnbar geworden, die Menschheit hat sich selbst zugrunde gerichtet, dargestellt wird in erster Linie das Leben in der Forschungseinrichtung, die streng hierarchisch organisiert ist und sich durch totalitäre Züge auszeichnet (z.B. durch vollständige Überwachung). In dem Forschungszentrum zeichnen sich die Menschen durch eine fanatische Technologiegläubigkeit aus. Sie setzen alles daran, die künstliche Intelligenz Dave mit menschlichem Bewusstsein auszustatten, damit die KI alle menschengemachten Probleme löst.

 

Es gibt Anhänger unterschiedlicher Strömungen, die verschiedene Erwartungen mit der Entwicklung von Dave verknüpfen. Einige wollen ihr Bewusstsein in Dave hochladen, um auf diese Weise ewig weiterleben zu können (Transhumanisten), andere wollen die KI nutzen, um den Weltraum zu erforschen und zu besiedeln (Neoterraner).

 

Im Zentrum der Handlung steht der Programmierer Syz, der als „subject zero“ fungieren soll. Seine Erinnerungen sollen protokolliert und in Dave übertragen werden. Sein Bewusstsein soll Vorbild für das programmierte Bewusstsein von Dave werden. Dave soll ihm nachgebildet werden. Dafür soll Syz vor allem solche erinnerten Situationen berichten, die für sein Leben prägend gewesen sind. Ziel ist die Erzeugung einer elektronischen Psyche, eines künstlichen Charakters. Im Zuge dieser Tätigkeit erlebt Syz einen sozialen Aufstieg und lernt eine elitäre Parallelwelt innerhalb des Labors kennen. Was ich mich bei der Lektüre in diesem Zusammenhang gefragt habe: Was zeichnet Syz aus? Warum ist gerade er als „subject zero“ ausgewählt worden? Hierzu hätte ich mir noch ein paar Informationen gewünscht.

 

Die Grundidee des Romans ist also schon relativ abgedreht. Interessant fand ich aber solche Stellen, in denen man angeregt wird, über die folgenden Fragen nachzudenken: Was ist Bewusstsein? Was ist freier Wille? Was macht Persönlichkeit aus? Kann man ein digitales Abbild einer menschlichen Psyche programmieren und welche Konsequenzen hätte das? Und wie schafft man es eine sich selbst ordnende Struktur zu programmieren? Spannend fand ich in diesem Zusammenhang auch die Idee eines relativen Bewusstseins, also eines Bewusstseins, das erdacht wurde. Hier stellt sich wieder die Frage, ab wann eine KI überhaupt zu einem eigenen Wesen wird. Wie kann man eine KI kreieren, die sich selbst kreieren kann? Und wie findet man eigentlich heraus, ob eine Maschine bewusst agiert? Und was ist besser: Eine von Menschen kontrollierte KI oder eine autarke KI? Fragen über Fragen. Und hierin sehe ich die große Stärke des Romans, der Inhalt regt dazu an, genau solche Dinge zu durchdenken. Das finde ich stark! Allerdings hätte ich es noch besser gefunden, wenn der Roman auch selbst noch mehr Antworten auf diese Frage mitgeliefert hätte.

 

Während der Lektüre fragt man sich vor allem, ob es gelingen wird, Dave „ins Leben zu rufen“ und wie sich die Entwicklung einer Künstlichen Intelligenz auf das menschliche Zusammenleben auswirkt. Werden die Hoffnungen der Menschheit erfüllt, die Probleme außerhalb des Labors zu lösen? Hier bleibt jedoch leider vieles offen. Das fand ich wiederum etwas schade. Und was ich auch kritisch anmerken will, ist der Umstand, dass das Buch schon auch seine Längen hat. Aber nun gut, welches Buch hat das nicht? Hinzu kommt die unnötig sperrige Sprachgestaltung an einigen Stellen, die ich bereits erwähnt habe. Die Auflösung am Ende hat mich etwas unbefriedigt zurückgelassen, auch fand ich einige Passagen zu chiffriert und surreal. Manchmal gerät die Herangehensweise an das Thema auch zu abstrakt-philosophisch. Dem Werk fehlt in meinen Augen eine schlichte Eleganz.

 

Fazit

Das Buch zeichnet sich durch eine recht abgedrehte Grundidee aus. Gut ist, dass man beim Lesen dazu angeregt wird, viele interessante Fragen zu durchdenken. Leider liefert der Roman selbst aber wenig Antworten oder driftet zu sehr ins abstrakt-philosophische ab. Das fand ich schade. Weitere Aspekte, die ich bemängeln möchte: Das Buch hat schon auch seine Längen, passagenweise ist die Sprachgestaltung unnötig sperrig. Einige Passagen sind zu chiffriert und surreal, die Auflösung am Ende hat mich nicht überzeugt. Dem Werk fehlt es an einer schlichten Eleganz. Deshalb auch nur 3 Sterne.

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