„Jeder an seinem Platz!“
In der schönen neuen Welt, die Theresa Hannig in ihrem Roman „Die
Optimierer“ entwirft, hat jeder Büger das Recht darauf eine Lebensberatung zu
erhalten, aus der dann ein passendes Jobangebot hervorgehen soll. Das Risiko
dieser Beratung: Zeigt man zu wenig Eigeninitiative und Engagement wird man der
sogenannten Kontemplation zugeführt und lebt dann von einer Art bedingungslosem
Grundeinkommen. Die Autorin hat viele kreative Ideen, sie entwirft eine
interessante futuristische Welt (ein wenig hat mich das Buch an den Film „Demolition
Man“ erinnert, auch wenn keine Muschel vorkommt). Und die Schreibweise ist
packend.
Die Hauptfigur des Romans ist Samson Freitag. Er ist ein Verfechter
des Systems und hat nichts gegen totale Überwachung und Kontrolle. Vor seinen
eigenen, systemkritischen Eltern verteidigt er die Vorteile der sogenannten
Optimalwohlgesellschaft. Auf mich hat er zu Beginn des Buchs einen naiven
Eindruck hinterlassen, er hat sich an die Gegebenheiten angepasst und
hinterfragt nichts. Freitag ist ein braver Beamter eines fragwürdigen Staats,
der angepasst die gesellschaftlichen Regeln befolgt. Und noch mehr: Er hat gar den
Ehrgeiz, der optimalste und beste Bürger von allen zu sein. Um Sozialpunkte zu
sammeln, schreibt er jede Menge Korrekturvermerke, also Verbesserungsvorschläge
für das System.
Und die Regeln, nach denen man zu leben hat, sind äußerst rigide.
Fleischkonsum wird z.B. mit Abzug von Sozialpunkten sanktioniert. Es werden
Bewegungsprofile aufgezeichnet, Gespräche werden mit Hilfe von Linsen
gespeichert, das Konsumverhalten wird festgehalten, Krankheiten und Straftaten
werden digital und für jeden anderen Bürger einsehbar fixiert. Und weil die
Eltern von Samson gegen eine Regel verstoßen, die ihr Sohn nicht zur Anzeige
bringt, wird er schließlich sanktioniert und gerät immer tiefer in eine
Abwärtsspirale, weil er Sozialpunkte verliert.
Und als ob das noch nicht genug wäre, wird Samson nachträglich auch
noch eine Falschberatung einer Klientin vorgeworfen, bei der er es an Empathie
hat vermissen lassen. Ihm wird ein schweres Verbrechen zur Last gelegt und er
wird zwangstherapiert. Plötzlich ist er nur noch ein Bürger zweiter Klasse, der
von anderen gemieden wird. Zwischenzeitlich macht es dabei sogar den Eindruck,
dass Samson sich in einen Verfolgungswahn hineinsteigert. Ihm droht gar das
sogenannte Internat, eine Umerziehungseinrichtung. Soll er etwa aus dem Weg
geräumt werden, weil er zu einem populären Politiker einen Korrekturvermerk
verfasst hat? Das alles liest sich sehr spannend und ist toll von Hannig
gestaltet worden!
Und durch seine Erlebnisse beginnt Samson das System auf einmal mit anderen
Augen zu sehen und Dinge zu hinterfragen. Eine interessante Entwicklung, die
der Protagonist hier durchläuft. Er wacht auf und sieht, was schief läuft. Ein
interessanter Kontrast, der sich hier ergibt. Von der Gesellschaft als krank
abgestempelt, erkennt Samson seinerseits die Krankheitssymptome der ihn
umgebenden Gesellschaft. Toll! Und das alles liest sich packend, ich wollte
permanent wissen, was aus Samson wird und wie es mit ihm weitergeht. Wird er
sich auch seiner Lage befreien? Ich konnte das Buch kaum noch aus der Hand
legen. Und auch das Ende ist stark, auch wenn man schon recht früh ahnt, in
welche Richtung sich das Ganze entwickelt.
Fazit:
Dieses Buch hat mich positiv überrascht. Ich bin ohne große
Erwartungen an dieses Buch herangegangen und mit zunehmendem Handlungsverlauft
hat mich der Roman immer mehr begeistert. Die futuristische Welt, die sich die
Autorin überlegt hat, ist interessant. Ein gelungener Entwurf einer möglichen
Dystopie. Und eine Sogwirkung entfaltet Samsons Schicksal. Sein tiefer Sturz
von einem braven Beamten zu einem Außenseiter der Gesellschaft. Wirklich
packend. Ich habe nichts an dem Buch auszusetzen und gebe deshalb 5 Sterne.
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