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Montag, 6. Oktober 2025

Robotham, Michael - Die weiße Krähe



Der Ringer




Philomena McCarthy entdeckt auf Streife die fünfjährige Daisy allein auf der Straße. Die Kleine meint, dass die Mutter in der Küche sitzt und nicht aufwachen will. Philomena geht der Sache nach und will Daisy nach Hause bringen. Dort kann sie dann nur noch den Tod der Mutter feststellen…


In einer anderen Perspektive wird uns parallel das Schicksal von Daisys Vater (Russell Kemp-Lowe) vor Augen geführt. Er ist Juwelier, wurde entführt und sitzt nun gefesselt auf einem Stuhl, versehen mit Plastiksprengstoff. Er wurde Opfer eines brutalen Raubüberfalls und muss fürchten, in die Luft gesprengt zu werden. Die Polizei bemüht sich darum, ihn zu befreien…


Der Auftakt ist also furios, man ist schnell drin im Geschehen und das Schicksal der kleinen Daisy erzeugt direkt emotionale Betroffenheit. Das ist gelungen arrangiert. Philomena wird für die Daisy nach der Tat zu einer wichtigen Bezugsperson.


Hinzu kommt ein weiterer Blickwinkel um Philomenas Vater (Edward McCarthy), in dem das Geschehen in der Londoner Unterwelt beleuchtet wird. Edward McCarthy bezeichnet sich selbst zwar als Immobilienentwickler, agiert in Wirklichkeit aber dubios. Zusammen mit seinen zwielichtigen Brüdern Daragh, Finbar und Clifton, die teilweise im Knast saßen, dreht er allerlei krumme Geschäfte und ist in Geldwäscheangelegenheiten verstrickt. Er bekommt es mit einem neuen mächtigen Gegner zu tun, dem sog. Ringer, der ihm das Geschäft zerstören und es übernehmen will. Als Edward erfährt, dass Russell Kemp-Lowe überfallen wurde, glaubt er, dass ein weiterer Anschlag auf ihn und sein Vermögen stattgefunden hat. Denn Russell hat etwas für Edward aufbewahrt…


Bei den Ermittlungen der Polizei stellt sich heraus, dass bei dem Überfall auf die Kemp-Lowes Profis am Werk gewesen sein müssen. Der leitende Ermittler DCI Brendan Keegan vermutet, dass das organisierte Verbrechen dahintersteckt. Irgendwann vermutet er sogar, dass Philomena etwas mit den Geschehnissen zu tun hat. Sie gerät ins Fadenkreuz. Der Ruf ihrer Familie lastet schwer auf ihr. Kann sie sich aus dieser Situation befreien und ihre Unschuld beweisen? Die Handlung läuft auf zwei Ebenen parallel auf einen Showdown zu. Einerseits will die Polizei wissen, wer den Raubüberfall ausgeführt hat, und zieht ihre Schlussfolgerungen aus den Ermittlungsergebnissen. Andererseits kommt es in der Londoner Unterwelt zu einem Machtkampf zwischen der McCarthy-Familie und den neuen Konkurrenten um den Ringer. Wer wird sich am Ende durchsetzen? Und wie hängt alles miteinander zusammen?


Der Fall ist insgesamt vertrackt. Die Ermittlungen führen immer wieder in verschiedene Richtungen. Viele verschiedene Figuren könnten ein Motiv für den Anschlag auf die Kemp-Lowes gehabt haben. Nichts ist eindeutig. Das hielt meine Neugier über das gesamte Buch hinweg aufrecht. Ich war sehr auf die Auflösung gespannt und wurde nicht enttäuscht. Das Agieren der Polizei sorgte bei mir häufiger für Kopfschütteln. Eine Textstelle verdeutlicht das Problem der Ermittlungen gut: „In Wahrheit arbeitet die Polizei eher mit einer Schuldvermutung als mit einer Unschuldsvermutung. Von dem Moment an, in dem sie einen Hauptverdächtigen ausgemacht hat, werden sämtliche Mittel darauf konzentriert, seine Schuld zu beweisen, nicht seine Unschuld“ (S. 358). 


Kritikpunkte: Zwischendurch hat das Buch auch seine Längen, manchmal hätte ich mir eine stringentere Entwicklung der Handlung gewünscht (was bei einem Umfang von 538 Seiten nicht verwunderlich ist). Seine Stärke hat der Thriller in meinen Augen ganz klar, wenn Edward McCarthy und der Ringer direkt aufeinandertreffen. Da begegnen sich einfach zwei eigenwillige Typen, die auch für unterschiedliche Stile stehen. Auf der einen Seite McCarthy als Gangster alter Schule und auf der anderen Seite der brutale, erbarmungslose Herausforderer, der McCarthy in die Ecke treibt. Aber leider kommt es nur selten zu solchen Konfrontationen. Ich komme auf 4 Sterne. Mich störte einfach, dass zwischendurch immer wieder Tempo aus der Handlung herausgenommen wurde. Dafür ist die Figurenzeichnung wiederum sehr gelungen. Der Vorgänger ("Wenn du mir gehörst") gefiel mir besser. 

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