Ein unvergesslicher Sommer in Grady
Missouri
1985: Die erste Liebe, der erste Sommerferien-Job, mittendrin der schüchterne,
introvertierte Jugendliche Sam und seine Eltern, die mit einer Krebserkrankung
und Arbeitslosigkeit zu kämpfen haben. Benedict Wells legt mit „Hard Land“ ein
sehr einfühlsam erzähltes Werk vor, das sehr realistisch und authentisch wirkt.
Die Handlung spielt in den 80er Jahren und das Gefühl dieser Zeit und das der
Jahreszeit werden sehr gut eingefangen (Assoziationen zum Film „stand by me –
das Geheimnis eines Sommers“ stellen sich ein). Die Ereignisse werden von dem
Ich-Erzähler Sam im Rückblick erzählt.
Der
Inhalt bewegt und lässt mich als Leser traurig zurück. Über den Zeilen schwebt
Melancholie. Und das zeigt sich auch bei den Figuren. Der Vater z.B. ist
überfordert mit der Lebenssituation und hat Schwierigkeiten damit, seinem Sohn
gegenüber Gefühle zu zeigen. Und der 15-jährige Sam wirkt auf mich verzweifelt.
Die Krankheit seiner Mutter überfordert ihn und der Kampf gegen den Krebs
erscheint ihm aussichtslos. Eine äußerst belastende Situation (auch für mich
als Leser). Ein starker Kontrast entsteht, die beschwerliche Situation zu Hause
auf der einen Seite und entstehende Freundschaften während der Ausübung des
Ferienjobs auf der anderen Seite. Alltägliche Sorgen um die Mutter einerseits
und das Ausleben der jugendlichen Freiheit andererseits.
Das
Gefühl von Jugend, Freiheit, Leichtsinn und Unbekümmertheit kommt gut zum
Ausdruck. Noch wissen die jugendlichen Protagonisten nicht, wohin sie ihr Leben
treibt. Und die Begebenheiten des Cliquen-Lebens, von denen erzählt wird, sind
atmosphärisch dicht und treffend aufgeladen. Es ist ein ereignisreicher Sommer
für Sam: Liebeskummer und Sehnsucht, Gefühlschaos, Mutproben,
Lagerfeuerromantik. Und zeitgleich: Angst vor dem Verlust der Mutter und
Konfrontation mit dem Tod. Dieses Buch hat es in sich! Man wird bei der Lektüre
emotional stark gefordert. Einerseits fühlt man sich selbst jung, wenn man das
Buch liest und wird an die eigene Jugendzeit erinnert, andererseits ist da
dieses Tieftraurige, wenn es um die belastende Familiensituation geht. Die
Jugend von Sam wird überlagert von der Krebserkrankung der Mutter. Eine stetige
Verschlechterung des Gesundheitszustands schwebt über allem. Es wird eine große
Bandbreite von Emotionen beim Lesen hervorgerufen. Das ist beachtlich und der
Autor hat das große Talent, sehr intensive Wirkung zu erzeugen. Grandios! Ich
war ergriffen davon, was dieses Buch mit mir anstellt, wie sehr ich emotional
mitgenommen worden bin.
Abschließend
möchte ich noch auf die gelungene Integration einer weiteren Textebene in Form
eines Gedichts eingehen. Dieses fiktive Gedicht trägt den Titel „Hard Land“ und
taucht immer wieder auf. Es eröffnet wunderbare intertextuelle
Interpretationsspielräume. Eine schöne Idee des Autors! Vor allem das Ende,
fand ich klasse: Beide Textebenen verschmelzen kreativ miteinander. Und mit der
Interpretation des Gedichts am Ende des Romans wird gleichzeitig eine mögliche Interpretation
des Werks selbst eröffnet. Das hat mir richtig gut gefallen! Es gibt auch viele
weitere intermediale und intertextuelle Verweise, die sich wunderbar vor dem
Hintergrund des Ausgangstexts interpretieren lassen. Ein großartig kunstvolles
Arrangement, wie ich finde! Von mir gibt es für dieses Buch 5 Sterne.
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