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Sonntag, 14. Dezember 2025

Schirach, Ferdinand von - Der stille Freund


Über menschliche Abgründe und Moral



Im Folgenden skizziere ich den Inhalt der einzelnen Kurz- und Kürzestgeschichten aus dem neuesten Erzählband von Ferdinand von Schirach. Dabei verzichte ich weitestgehend auf Wertungen. Jede und jeder bilde sich am besten selbst ein Urteil und interpretiere sie. Eines kann ich jedenfalls versprechen: Die Geschichten hallen nach und regen zum Nachdenken an (und in diesem Fall ist diese Einschätzung auch wirklich berechtigt!). Ich konnte nicht mehr als drei Geschichten am Stück lesen. Wie man es kennt, ist die Sprache wieder pointiert und klar, schnörkellos und präzise. Und noch etwas: Es besteht definitiv Spoilergefahr. Ggf. also nicht weiterlesen.



Der stille Freund (S. 7-13)

Wir machen Bekanntschaft mit Massimo, einem Freund des Erzählers. Dieser starb vor acht Jahren bei einem Flugzeugunglück. Zeitlebens hat er sich mit der Frage beschäftigt, was der Sinn des Lebens ist, und er hat sich mit den großen philosophischen Denkern auseinandergesetzt. Doch irgendwann sei ihm aufgegangen, dass es keine Erklärung dafür geben kann, warum der Mensch da ist und zu welchem Zweck. Auch ließen sich keine Regeln dafür festlegen, wie ein Leben glückt oder warum es nicht gelingt. Man kann nur den Moment genießen und die Schönheit der Welt bestaunen…



Spiegelstrafe (S. 14-58)

Wir lernen Cynthia kennen, die bei ihren Großeltern aufgewachsen ist. Diese haben in München gelebt und sind ein altes Fürstenpaar gewesen. Als sie noch in Schlesien lebten, gehörten sie mit zu den reichsten Familien. Doch davon ist ihnen in München nichts mehr geblieben. Das Gespräch zwischen Cynthia und dem Erzähler ähnelt einer soziologischen Analyse, das noch dazu äußerst kultiviert abläuft (es geht u.a. um Literatur und Musik). Die Protagonisten unterhalten sich über den Unterschied von „upper class“ und „high society“ und über das, was man gemeinhin Habitus nennt. Bei den Angehörigen der „high society“ handele es sich lediglich um Aufsteiger, so Cynthia. Sie unterschieden sich in ihrem Verhalten und Gewohnheiten deutlich von den Angehörigen der „upper class“.

Nach dieser Unterhaltung trifft der Erzähler Cynthia erst viele, viele Jahre später wieder. Sie berichtet ihm, was sie in den vergangenen 38 Jahren erlebt hat. So erzählt sie ihm von ihrem Partner Matteo und wie sie ihn kennen gelernt hat. Er trank und wurde ihr gegenüber handgreiflich. Auf dem 90. Geburtstag ihres Großvaters lernt sie dann Nicco kennen, den sie später standesgemäß heiratet. Er stammt ebenfalls aus einer Familie der „upper class“. Anders als Matteo verhält er sich ihr gegenüber sanftmütig. Sie fühlt sich bei ihm sicher und geborgen. Und sie berichtet ihm auch von der Gewalt, die sie bei Matteo erlebt hat. Nach Niccos Tod erfährt Cynthia, dass er Matteo für sein Verhalten ihr gegenüber bestraft hat. Die Schilderung der Strafe ist heftig, sadistisch und nichts für schwache Nerven. Nicco zeigt eine ganz andere Seite und es ist erstaunlich, wie der als sanftmütig beschriebene Ehemann zu einer solch rachegetriebenen Tat fähig ist, wie sie im Buch geschildert wird. Er hat Matteo vollständig ruiniert…



Die Sache mit dem Tod (S. 59-61)

In dieser Kürzestgeschichte wird in erster Linie am Beispiel von Zitaten verschiedener historischer Persönlichkeiten, die kurz kontextualisiert werden, thematisiert, wie diese dem Tod begegnet sind. Und zwar erstaunlich nüchtern, sachlich, unemotional und abgeklärt…



Ornament und Verbrechen (S. 62-75)

Der Erzähler trifft sich mit Ludmila zum Frühstück, die vor 25 Jahren seine Referendarin gewesen ist. Sie berichtet ihm von einem Mandat, bei dem ihre Kanzlei ein Orchester vertritt. Einem Gastdirigenten wird vorgeworfen gegenüber einer Violinistin sexuell übergriffig gewesen zu sein. Es geht nun um die Frage, wie mit diesem Vorfall umzugehen ist. Würde die Sache publik werden, wäre die Karriere des Dirigenten beendet. Gleichzeitig will die Violinistin keine Anzeige erstatten. Eine sehr verzwickte Situation…

In diesem Zusammenhang wirft Ludmila auch die Frage auf, wie mit dem Werk von pädophilen Künstlern umzugehen sei (z.B. Edgar Allen Poe, Paul Gauguin, David Bowie, Roman Polanski). Muss man diese Kunst nicht verurteilen? Verändert sich nicht der Blick auf die Kunst, wenn man von den Neigungen der Künstler weiß? Lassen sich Kunstwerk und Kunstschaffender voneinander trennen? Weiterhin wird uns das Schicksal von Adolf Loos nähergebracht, der 1928 in Wien kleine Kinder nackt gemalt hat und mit ihnen direkt und vulgär über Sex gesprochen haben soll. Loos ist angesehen und gut mit anderen Künstlern und Intellektuellen seiner Zeit vernetzt. Er selbst bestritt die Anschuldigungen. Letztlich wurde er lediglich für die Anfertigung seines Skizzenbuchs mit einer milden Strafe bedacht.



Wirklichkeit und Wahrheit (S. 76-80)

In dieser Geschichte werden die Ereignisse des 7. Oktober 2023 geschildert, als Hamas-Terroristen Israel überfallen haben. Die Schilderung der Verbrechen ist brutal, hart an der Grenze des Erträglichen und schonungslos. Es ist grausam zu lesen, was Menschen anderen Menschen antun können.

Danach wird ein Bogen zur Idee des Wahrheitsministeriums in 1984 von George Orwell geschlagen. Der Erzähler stellt die These auf, dass die sozialen Medien weitaus mächtiger sind als das bei Orwell beschriebene Ministerium. Wahrheit und Wirklichkeit würden dort verschwimmen. Verschwörungstheorien machten schnell die Runde. So glaubten 90% der Palästinenser im Gaza-Streifen und Westjordanland, dass die Hamas keine Gräueltaten in Israel verübt habe.



Fehler (S. 81-89)

Nach einer Reise wieder in Berlin angekommen, nimmt sich der Erzähler ein Taxi und trifft dabei auf Dr. Lehmann, den er noch als Psychotherapeuten von früher kennt. Seine Praxis war nicht weit entfernt von seiner Kanzlei. Dr. Lehmann hat sich dazu entschieden, seinen alten Beruf aufzugeben und Taxifahrer zu werden, weil er an seinen Fähigkeiten als Therapeut zu zweifeln begann. Es entwickelt sich ein Gespräch zwischen den beiden Protagonisten, in dem klar wird, wie es zu der Entscheidung von Dr. Lehmann kam.

Dr. Lehmann berichtet dem Erzähler von Therapiesitzungen, in dem ein Ehemann seinen Gewaltphantasien freien Lauf ließ. Er hasste seine Frau abgrundtief und äußerte eines Tages konkrete Mordgedanken. Der Therapeut verständigt daraufhin die Polizei. Danach kündigt der Mandant seinen Behandlungsvertrag und behauptet, dass er seine Phantasien niemals in die Tat habe umsetzen wollen. Seine Frau hat von diesem Zeitpunkt an Angst vor ihrem Ehemann und attackiert ihn eines Tages mit Pfefferspray. Er stürzt die Treppe hinunter und verstirbt. Dieser Vorfall führte dazu, dass Dr. Lehmann seinen Job aufgab. Er meint, dass er seinen Patienten nicht richtig habe lesen können. Und es wird deutlich, was für eine immense Verantwortung Psychotherapeuten tragen…



Rechnungen (S. 90-94)

Der Erzähler ist zu einer Hochzeit in Kapstadt eingeladen und lernt dabei den zukünftigen Bräutigam kennen. Er erzählt ihm ein Kapitel über seinen Urgroßvater Kurt Meyering. Dieser erfährt während des Zweiten Weltkriegs, dass sein Sohn an der Front gefallen ist, betrinkt sich daraufhin in einer Kneipe und beginnt öffentlich über „den Führer“ und andere NS-Verbrecher zu schimpfen. Am nächsten Morgen wird er von der Gestapo abgeholt und zum Tode verurteilt. Und als wäre das noch nicht schlimm genug, erhält seine Frau eine Rechnung über die Kosten der Hinrichtung, die sie zu begleichen habe.



Tony (S. 95-107)

Der Erzähler berichtet uns von seiner Freundin Antonia, die aus der „upper class“ stammt und ihre gesellschaftliche Herkunft als Korsett ansieht. Kurz nach der Heirat und der Geburt ihres ersten Kindes lässt sie sich scheiden und bummelt fortan durch die Welt, um ihren Horizont zu erweitern. Ihren Sohn Philipp lässt sie sitzen. Erst als er 14 Jahre alt ist, hört sie mit den Reisen auf.

Nach einem Zeitsprung von mehreren Jahren trifft der Erzähler erneut auf Philipp. Er ist nun 30 Jahre alt, hat einen anderen Nachnamen angenommen und ist verheiratet. Philipp berichtet ihm davon, dass seine Mutter umgekommen ist. Angeblich sei sie auf einer Kreuzfahrt umgebracht worden. Er überreicht dem Erzähler eine Passagierliste, auf der er Namen von potentiellen Mördern gekennzeichnet hat. Seiner Mutter wirft er ein unstetes Leben mit vielen Liebhabern vor. Viele hätten sie gehasst. Im Gespräch erfahren wir auch mehr über das problematische Verhältnis von Philipp zu seiner Mutter. Am Ende drängt sich der Verdacht auf, dass Philipp sie selbst umgebracht hat. Ein heimlicher Blick auf die Passagierliste verrät dem Erzähler, dass Philipp ebenfalls auf dem Schiff war. Doch der Sachverhalt bleibt unkommentiert im Raum stehen…



Unfälle (S. 108-113)

Ein Versicherungsmathematiker verwickelt den Erzähler in ein Gespräch über seine problematische Vater-Sohn-Beziehung. Der Vater sei ein sehr unangenehmer Mensch gewesen. Dann berichtet er ihm davon, wie sein Vater umgekommen ist. Ein einziges Mal in seinem Leben habe er etwas richtig machen und jemand anderem helfen wollen, da sei er von einem LKW erfasst und überfahren worden. Abschließend stellt er selbst die Frage, was der Sinn dieser Geschichte sei…



Gottfried von Cramm (S. 114-126)

Der Erzähler unterhält sich mit einem pensionierten Richter, der ihm offenbart, dass er sich bei seiner Urteilsfindung stets von Freiherr Gottfried von Cramm inspirieren lassen hat. Im Folgenden lernen wir knapp dessen Lebensgeschichte kennen. Er war ein erfolgreicher Tennisspieler, der unter dem Naziregime litt. Aufgrund einer homosexuellen Beziehung wurde er zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Nur durch die Intervention hochrangiger Bekannter wurde ihm seine Strafe erlassen und zur Bewährung ausgesetzt. Der alte Richter berichtet davon, wie von Cramm im Davis Cup Halbfinale 1935 einen sicheren deutschen Sieg aus der Hand gab, weil er einen eigenen Regelverstoß zugab, den der Schiedsrichter nicht registriert hatte. Fairness und Anstand waren ihm wichtiger als der Sieg, auch wenn er sich dafür als Vaterlandsverräter beschimpfen lassen musste…



Cicciata (S. 127-130)

In dieser Geschichte geht es um die Schilderung einer blutrünstigen Tradition. Zwanzig Männer mit Dolchen befinden sich in einem Raum, der dann verdunkelt wird. Sobald die Männer nichts mehr sehen, gehen sie aufeinander los. Eine schreckliche Metzelei beginnt, bei der zahlreiche Männer umkommen oder schwer verletzt werden. Ein Beispiel dafür, auf was für höllische Ideen der Mensch kommen kann…



Mozart ist tot (S. 131-155)

Der Erzähler trifft Lisa, eine ehemalige Mitrefendarin, die ihm davon berichtet, wie sie aufgewachsen ist. Sie hat ihre Mutter früh verloren und wuchs zusammen mit dem Bruder Max bei dem Pfarrer und dessen Frau auf, weil der Vater mit den Kindern überfordert war. Im Alter von vier Jahren stellt man bei Max ein absolutes Gehör fest. Er besitzt eine große musikalische Begabung und gewinnt zahlreiche Musikwettbewerbe. Eine internationale Karriere scheint ihm offenzustehen. Doch Max will einen entscheidenden Wettbewerb, der in Moskau stattfindet, nicht besuchen. Statt auf dem Cello weiterzuspielen, folgt er seinem Herzen und gründet wenig später einen Jazz-Club. Der Club wird erfolgreich und ist stets ausgebucht. Doch trotz des Erfolgs hält es Max auch dort nicht lang. Nach zwei Jahren beschließt er, den Club aufzugeben und andere Länder zu bereisen. Als er seine Schwester einige Jahre später wiedersieht, erzählt er ihr von seinen Reisen. Aufgeregt behauptet er, dass er in Rom den Teufel getroffen hat. Auch glaubt er in Mozarts Requiem eine geheime Botschaft entdeckt zu haben. Genie und Wahnsinn liegen dicht beieinander…



Egon Friedell (S. 156-158)

Hier wird uns das Schicksal des sechzigjährigen Egon Friedell nähergebracht. Nachdem die Nazis 1938 Österreich ans Deutsche Reich angegliedert haben, floh er nicht aus Wien, sondern nahm sich selbst das Leben, als zwei SA-Männer eines Tages an seiner Wohnungstür klingelten. Warum zog er den Suizid der Flucht vor, obwohl er um die Gefahr wusste?



Eine Ansicht von Delft (S. 159-172) 

Der Erzähler erinnert sich an einen Urlaub im Alter von 15 Jahren, den er bei Tante Haag verbringt. Sie erzählt ihm von ihrem Ehemann Gustave. Die Ehe sei sehr intensiv und ihr Mann ein schwieriger Charakter gewesen. Er war Maler. Der Erzähler erfährt, dass Gustave Tante Haag seine Ansicht von Delft genannt hat. Im Folgenden wird dieses Bild näher beschrieben. Auch Proust hat es in seinem Werk „Die Suche nach der verlorenen Zeit“ erwähnt. Vor allem die Farbgebung wird näher analysiert und interpretiert. Zwischen dem Text von Proust und dem Bild gibt es Abweichungen. In diesem Zusammenhang wird das Wahrnehmungsphänomen der Synästhesie erläutert.


Querverweise:
Schirach, Ferdinand von: Regen
Schirach, Ferdinand von: Verbrechen
Schirach, Ferdinand von: Sie sagt, er sagt


Mittwoch, 10. Dezember 2025

Alien Earth (Staffel 1)



Düster, beklemmend und klaustrophobisch




Wir befinden uns im Jahr 2120. Auf der Erde kämpfen fünf Konzerne um die politische Vorherrschaft. An Bord eines Raumschiffs, das Milliarden von Kilometern von der Erde entfernt ist und dessen Mission 65 Jahre dauert, erwacht die Crew aus dem Kryoschlaf. Sie soll außerirdische Versuchsobjekte (darunter auch die bekannten Facehugger) zurück zur Erde bringen. Doch es kommt, wie es kommen muss. Auf dem Schiff ereignet sich ein Zwischenfall. Einige der Versuchsobjekte können sich befreien und die Mannschaft fällt den Facehuggern zum Opfer. Das Schiff gerät außer Kontrolle, gerät auf Kollisionskurs mit der Erde und stürzt dort ab. Eine Katastrophe scheint unvermeidlich…


In einer anderen Perspektive erfahren wir etwas über eine geheime Forschungsinsel auf der Erde. Dort soll das Bewusstsein eines todkranken Mädchens auf einen synthetischen Körper übertragen werden. Sie ist die Erste, bei der dieser Versuch gelingt. Und es werden weitere Kinder folgen, die ebenfalls von ihren Eltern getrennt werden. Die „Syntheten“ verfügen über übermenschliche Kräfte und altern nicht. Nachdem sie erwacht sind, werden sie psychologisch begutachtet und überwacht. Sie sind fortan Eigentum der Firma Prodigy. Als die Firma vom Absturz des Raumschiffs erfährt, kommen die Syntheten erstmals zum Einsatz. Werden sie die Katastrophe abwenden können? Eines ist jedenfalls klar: Sie sind mächtige Gegner…


Visuell kommt die Serie sehr, sehr nah an das Original heran. Die Atmosphäre ist düster, beklemmend und klaustrophobisch. Auch die musikalische Untermalung ist passend und weiß zu überzeugen. Es kommt weiterhin gut zum Ausdruck, wie verantwortungslos die Konzerne agieren. Mit ihrer Mission, außerirdische Forschungsobjekte zur Erde zu holen und diese später zu bergen und weiter zu erforschen, bringen sie den gesamten Planeten in Gefahr. Menschliche Kontrolle als Illusion! Was mir ebenfalls sehr gut gefallen hat, ist, dass es außer den klassischen Facehuggern und Aliens noch weitere invasive Geschöpfe gibt, die ebenfalls nicht ungefährlich sind. So wird das Alien-Universum um einige kreative Elemente erweitert. 


Auch der Handlungsstrang um die Syntheten und den Mensch-Maschine-Transfer war interessant und wendungsreich. Sie entwickeln sich weiter, geraten in (Identitäts-)Konflikte und agieren mit der Zeit immer eigenwilliger. Vor allem Wendy sticht hier als Charakter mit Zugkraft heraus, was auch an der Beziehung zu ihrem Bruder liegt, die dem Ganzen emotionale Tiefe verleiht. Neben den Syntheten kommen auch ein Cyborg und ein Android vor, die ebenfalls mit klaren Konturen agieren und eigene Ziele verfolgen. Kurzum: Die Serie hat mir sehr gut gefallen. Sie fügt sich gut ins Franchise um Alien ein und ich würde auch eine weitere Staffel schauen (angeblich ist eine Fortsetzung für 2027 geplant).


Taylor, Dennis E. - Wir sind Götter



Das Bobiversum




Die Fortsetzung zu „Ich bin viele“ knüpft nahtlos an den ersten Teil an. Bob begleitet nach wie vor das Schicksal der Deltaner, die sich noch in einem primitiven Entwicklungsstadium befinden und den Urzeit-Menschen auf der Erde ähneln. Bob beobachtet ihren Fortschritt, erforscht ihre Siedlungsgeschichte und Kultur. Noch dazu mischt er sich in ihre Belange ein und nimmt Einfluss auf ihre Entwicklung, indem er sie unterstützt und berät.


In einem anderen Handlungsstrang begleiten wir die Mehrgenerationenschiffe „Exodus 1“ und „Exodus 2“, die nun bei neuen erdähnlichen Heimatplaneten eintreffen. Die Kolonisten der Erde besiedeln sie und müssen sich dabei in einem neuen Ökosystem behaupten. So werden sie von dinosaurierartigen Wesen und fremdartigen Parasiten bedroht.


Darüber hinaus wird die Entdeckung neuer Sonnensysteme vorangetrieben und auch wird in regelmäßigen Abständen ein Blick auf das irdische System geworfen. Eine Kopie von Bob entdeckt z.B. einen interessanten Wasserplaneten, der keinerlei Landmasse aufweist. Und auf der Erde verübt eine Terrororganisation immer wieder Anschläge, um den Bau neuer Kolonistenschiffe und die Versorgung der Erdbewohner zu sabotieren.


Im weiteren Handlungsverlauf stößt einer der Bobs dann auch auf eine höher entwickelte Alien-Zivilisation. Diese überfällt benachbarte Planetensysteme und baut dort ohne Rücksicht auf vorhandenes Leben Metalle ab. Die fremden Aliens sind Bob technologisch überlegen und werden später zu einer Gefahr für die Erde und die anderen Kolonien. Das forciert die Spannung gut. Hier stellt sich v.a. die Frage, ob Bob einen Weg finden wird, die Bedrohung auszuschalten.


Insgesamt ist das Geschehen weiterhin abwechslungsreich. Immer wieder müssen neue Herausforderungen bewältigt werden. Ständig passiert etwas Neues und die Handlung schreitet dynamisch und ereignisreich voran. So optimiert sich Bob z.B. auch fortflaufend. U.a. entwickelt er eine überlichtschnelle Möglichkeit zur Kommunikation. Das alles ist gelungen! (Der Inhalt des Buchs wäre auch eine perfekte Grundlage für die Entwicklung eines Strategie-Spiels).


Das Einzige, was mich auf Dauer gestört hat, ist die Perspektive von Bob (auch wenn mir seine „nerdige“ Persönlichkeit gefällt). Wir nehmen über das ganze Buch hinweg keinen anderen Blickwinkel ein als die Ich-Perspektive von Bob. Und das ist über viele Seiten hinweg dann doch zu eintönig und gleicht sich, zumal wir immer aus Bobs Position als Beobachter am Geschehen beteiligt sind. Er kommuniziert stets mit einzelnen Vertretern unterschiedlicher Interessensgruppen, aber es ist die ganze Zeit eine große Distanz hinweg spürbar. Hier wäre mehr Abwechslung oder die Einbindung einer anderen Perspektive gut gewesen.


Und noch etwas: Am Ende fand ich die Unterbrechung des Spannungsbogens, wenn es um die technologisch überlegene Alien-Zivilisation geht, nicht immer glücklich. Hier wäre ich gern länger „am Ball geblieben“. Auch hätte ich gern mehr über die Fremden erfahren. Das, was zu ihnen geschildert wird, ist doch recht dürftig. Das fand ich schade. Ich hatte irgendwie das Gefühl, dass der Autor sich hier zu viel für einen Nachfolgeband aufheben wollte, in dem es weiterhin um die fremden Aliens gehen wird. 


Für mich hat der zweite Band das Niveau des ersten Bands nicht halten können. Das, was im ersten Band noch faszinierend war, trägt in meinen Augen kein weiteres Buch. Dafür ist Bobs Perspektive auf Dauer dann doch zu einseitig (vielleicht ist es auch sinnvoll, bei der Lektüre der verschiedenen Bände mehr Zeit dazwischen verstreichen zu lassen). Mit zunehmenden Handlungsverlauf verlor ich dementsprechend das Interesse an den Geschehnissen und habe für mich entschieden, dass ich die Reihe (vorerst??) nicht weiterverfolgen werde. So gibt es noch zwei weitere Teile, die bereits erschienen sind. Und der fünfte Band erscheint im Mai 2026. Von mir gibt es 4 Sterne.


Querverweise:
Taylor, Dennis E.: Ich bin viele (dort finden sich weitere Querverweise)



Pätzold, Oliver - Esomenia: Revolution



Gibt es noch mehr als Alessia?




Erinnerungslos und mit großen Schmerzen wacht Nina (wieder) auf und weiß nicht, wo und wer sie ist. Eine Ärztin namens Melanie begleitet ihren Aufwachprozess und beruhigt sie. Der Anfang ähnelt Band 1. Nina erfährt erneut, dass sie sich für 165 Jahre im Kryonik-Schlaf befunden hat und einige geschichtliche Entwicklungen verpasst hat. U.a. gab es eine große Klima-Katastrophe, die Millionen von Menschen das Leben gekostet hat. Nun leben die Menschen in Städten, die unter Kuppeln geschützt werden und in denen Wasser knapp ist. Nina wird die Möglichkeit offeriert, in der Kuppelstadt „Alessia“ zu leben. Von Melanie wird ihr dieses Dasein als Privileg verkauft. Doch der Preis, den sie zahlen muss, ist die totale Überwachung…


Nina muss erst einmal die zahlreichen neuen Informationen verarbeiten und sich mit der Situation arrangieren. Zu Trainingszwecken durchläuft sie ein Computerprogramm, bei dem sich die Künstliche Intelligenz „Cox“ in ihren Verstand einloggt. Wieder macht sie Bekanntschaft mit Aaron, den wir noch aus dem ersten Band kennen und der ebenfalls aus dem Kryonik-Schlaf aufgeweckt wurde. Er hilft ihr, sich zurechtzufinden. Und dann ereignet sich ein Vorfall, der Nina sehr stark verunsichert. Sie hat sich selbst eine Botschaft zukommen lassen und wird fortan skeptisch, was ihr neues Umfeld angeht. Ab hier beschreitet Band 2 spürbar neue Pfade. Nina wird Melanie und Aaron gegenüber misstrauisch. Bevor es zur geplanten Übersiedlung nach Alessia kommt, flieht sie.


Auf ihrer Flucht ist Nina wieder völlig auf die Hilfe anderer angewiesen und muss Fremden vertrauen. Das fällt ihr aufgrund ihres fehlenden Gedächtnisses besonders schwer. Sie weiß nicht, was um sie herum passiert und wem sie was glauben kann. Diese Verwirrung und Verunsicherung kommen sehr, sehr gut zum Ausdruck. Auf ihrer Flucht erfährt Nina noch mehr über Cox und darüber, wie unfrei die Welt geworden ist. Sie erfährt von einer Widerstandsgruppe, die sich gegen die KI zur Wehr setzt und diese zerstören will. Dabei spielen Nina und ihre Erinnerungen eine Schlüsselrolle. Was wird sie über sich und über die Welt, in der sie lebt, herausfinden? 


Das Buch liest sich flüssig und rund. Die Spannung ist sehr stark ausgeprägt, das Tempo ist hoch. Die Handlung vollzieht sich wendungsreich und unvorhersehbar. Die Neugier der Leser wird permanent befeuert, weil ihnen zentrale Informationen vorenthalten werden. Als Leser weiß man genauso wenig wie Nina selbst. Man kann sich sehr gut in sie und ihre ungewisse Situation hineinversetzen und mit ihr mitfühlen. Zu den anderen Figuren konnte ich aber leider keine so gute Verbindung herstellen. Schade! 


Ungeduldig war ich auf die Auflösung gespannt. Hier hätte ich noch mehr erwartet. Die oben genannte Frage, was Nina über die Welt, in der sie lebt, herausfindet, hätte nach meinem Geschmack ausführlicher behandelt werden können. Auch wurde es mir am Ende dann fast schon zu temporeich und zu unübersichtlich. Figuren wechseln immer wieder die Seiten und neue Verbindungen kommen ans Licht. Das war mir zu hektisch, so dass keine Sogwirkung aufkam. Ansonsten hat mich das Buch aber wirklich gut unterhalten. Es gefiel mir auch besser als Band 1. Ich komme auf 4 Sterne!


Querverweise:
Pätzold, Oliver: Esomenia. Wiedergeburt.
Pätzold, Oliver: 30 Tage
Pätzold, Oliver: Die Helios-Apokalypse
Ein weiteres Buch, das Kryonik zum Thema hat, ist "Ich bin viele" von Dennis E. Taylor.



Montag, 1. Dezember 2025

Taylor, Dennis E. - Ich bin viele



Projekt Heaven




Kaum hat Bob Johansson bei der Firma CryoEterna in einem Vertrag festgelegt, seinen Kopf nach dem Tod einfrieren zu lassen, da wird er einen Tag später von einem Auto überfahren und stirbt. 100 Jahre später, im Jahr 2133, wacht er wieder auf, und zwar als Künstliche Intelligenz. Er fühlt sich empfindungs- und orientierungslos. Alles fühlt sich fremdartig an. Und der Arzt Dr. Landers klärt ihn darüber auf, dass er „nur“ eine Kopie des Verstandes von Bob Johansson ist. Er ist also nur ein Programm, das glaubt, Bob zu sein.


Bob hat wichtige geschichtliche Entwicklungen verpasst. Amerika ist nun eine Theokratie, in der Kritik an der Regierung mit Umerziehung bestraft wird. Maschinen, die sich kritisch äußern, werden deaktiviert. Im Zuge der Errichtung der neuen Gesellschaftsform wurden alle kryonischen Labore abgeschafft und die Eingefrorenen für tot erklärt. Bob gehört ab sofort der Firma „Applied Synergetics Inc. und hat einiges zu verdauen, was sein neues Dasein betrifft. Schließlich ist ihm sein Leben und seine Freiheit genommen worden. Die Aufgabe von Dr. Landers besteht darin, Bob das „richtige“ Denken beizubringen, damit er ein guter Diener des Staates wird. Und Bob versucht sich mit seinem Schicksal zu arrangieren und das Beste daraus zu machen. Schließlich ist er nun unsterblich…


Zusammen mit Dr. Landers durchläuft er ein Trainingsprogramm. So lernt er seine neuen Fähigkeiten kennen und sie kontrollieren. Ab und zu wird er dabei von einem Vertreter des Wahrheitsministeriums (Orwell lässt grüßen) überprüft. Auch muss sich Bob immer wieder gegen Bedrohungen behaupten. Des Öfteren droht ihm die Abschaltung. Seine Existenz wird zu einem Politikum. Ihm wird die Menschlichkeit abgesprochen. Und unterschiedliche politische Lager stehen Bob mehr oder weniger kritisch gegenüber.


Im weiteren Handlungsverlauf wird klar, dass Bob darauf vorbereitet wird als sog. „Von-Neumann-Sonde“ das Universum zu erforschen und es nach fremdem Leben sowie einer zweiten Erde abzusuchen. Die Idee ist, dass die Sonde sich im Laufe der Reise selbst reproduziert und exponentiell vermehrt (so ergibt der Titel des Buchs auch Sinn). Um das Zeitproblem der interstellaren Reisen zu lösen, kann Bob seine subjektive Wahrnehmung von Zeit steuern. Sein erstes Ziel wird das Sonnensystem „Epsilon Eridani“. Auf seiner Reise optimiert sich Bob fortlaufend selbst und hält weiterhin Kontakt zur Erde.


Um die Handlung etwas spannender und abwechslungsreicher zu gestalten, ist Bob nicht die einzige Sonde, die von der Erde losgeschickt wird. Auch andere Nationen starten „Von-Neumann-Sonden“. Gegen diese muss Bob sich immer mal wieder behaupten und einen Weg finden, sie auszuschalten. Die brasilianische Sonde besitzt z.B. Waffen, um mögliche Konkurrenten auszuschalten. Während der Lektüre stellt man sich v.a. folgende Fragen: Was wird Bob entdecken? Wird er auf intelligentes Leben und eine zweite Erde stoßen? Und was ereignet sich in der Zeit seiner Abwesenheit auf der Erde?


Das Setting und die gesamte Idee des Buchs sind kreativ, ereignisreich und unterhaltsam umgesetzt worden. Bei mir kam zu keinem Zeitpunkt Langeweile auf. Und die Idee, dass sich Bob reproduzieren kann, ist genial. Wir haben es immer mit der gleichen Person zu tun, aber durch Perspektivwechsel erfahren wir stets, wie es mit den verschiedenen Bobs und ihren Missionen weitergeht. Bob kann sich die Arbeit aufteilen und zusammen mit den Sonden erschließt sich der Leser verschiedene Sonnensysteme. Das belebt die Handlung ungemein. Und wer befürchtet, dass die Handlung dadurch zu sehr „zerfasert“, den kann ich beruhigen: Der Autor konzentriert sich im Wesentlichen auf zwei zentrale Stränge, die weiterentwickelt werden. 


Es wird darüber hinaus deutlich, dass der Autor Erkenntnisse zur Exoplaneten-Forschung sowie Wissen aus der Biologie, was die Entstehung und Entwicklung von Leben angeht, einfließen lässt. Das alles liest sich sehr faszinierend. Das Ende ist offen gestaltet, so dass man direkt den nächsten Band lesen möchte. Dabei ist die Richtung, in die es gehen wird, klar. Ich freue mich schon auf weitere Inhalte aus dem „Bobiversum“ und werde sicherlich zeitnah „Wir sind Götter“ lesen. Ein klares 5-Sterne-Buch.


Querverweise:
Exoplaneten (Sachbuch)
Astrobiologie (Sachbuch)
Ein futuristischer Thriller, in dem Kryonik ebenfalls eine Rolle spielt, ist "Esomenia" von Oliver Pätzold


Brandhorst, Andreas - Zeta


Zu wenig „science“




Wir sind im Jahr 2150. Die Menschheit hat ihr eigenes Sonnensystem weitestgehend erschlossen und besiedelt. Die Suche nach intelligentem extraterrestrischem Leben blieb bislang erfolglos. Mit dem Raumschiff Excelsior bereitet man sich auf einen interstellaren Flug zum Stern Proxima Centauri vor. Die Konstruktion des Schiffs ist fast abgeschlossen.


Doch erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Als ein Signal auftaucht, das vom Rande des Sonnensystems gesendet wird, will man die Excelsior dorthin schicken. Das Schiff soll das Objekt, von dem das Signal stammt und das auf den Namen „Zeta“ getauft wird, genauer erforschen.


Und auch in anderen Kolonien entdeckt man das Signal, d.h. sowohl auf dem Mars als auch auf dem Saturnmond Titan. Die Kolonisten entsenden ebenfalls jeweils ein eigenes Schiff mit einer Besatzung, um das 400 km große Objekt zu untersuchen. Eine Erstkontakt-Situation steht bevor, bei der verschiedene Interessensgruppen miteinander in Konkurrenz stehen…


In der ersten Hälfte des Buchs habe ich den Inhalt mit Faszination gelesen und fand die Gestaltung der Spannungskurve gelungen. Die Kapitel sind pointiert, ereignisreich und nicht zu ausschweifend. Die Anzahl der Blickwinkel und der Figuren ist überschaubar und ich konnte dem Geschehen gut folgen.


Doch meine aufgebaute Erwartungshaltung, was den Erstkontakt betrifft, ist im weiteren Handlungsverlauf enttäuscht worden. Spätestens nachdem man das Objekt erreicht hat und damit beginnt, das Innere zu erforschen, wird es spürbar langatmiger und zudem sehr fantasievoll (auch wenn die Wechsel der Blickwinkel weiterhin gut für Abwechslung sorgt). Für mich lässt sich der Autor zu viel Zeit, um das Rätsel um „Zeta“ zu lösen (oder ich bin zu ungeduldig). Es war mir insgesamt auch zu viel (teils abgedrehte) „fiction“ und zu wenig „science“. Und noch etwas: Der Handlungsstrang, der sich zeitgleich auf der Erde zuträgt, hat mich leider nicht mitgerissen. So komme ich auf durchschnittliche 3 Sterne, v.a. weil die ersten 300 Seiten gelungen waren.


Querverweise:
Brandhorst, Andreas: Das Erwachen
Brandhorst, Andreas: Die Eskalation
Brandhorst, Andreas: Splitter der Zeit
Brandhorst, Andreas: Das Bitcoin-Komplott
Brandhorst, Andreas: Der Riss
Weitere Science-Fiction-Bücher mit dem Thema "Erstkontakt": z.B. Ralph Edenhofer (Antares), Christoph Dittert (Fallender Stern), Stephen Baxter (Die Wiege der Schöpfung), Edward Ashton (Antimatter Blues)


Ashton, Edward - Mal goes to war



Enttäuschend...




Es herrscht Krieg. Zwischen den sog. „Federals“ und den sog. „Humanisten“. Die Federals sind Menschen, die sich mit Hilfe von technologischen Implantaten und genetischen Modifikationen optimiert haben. Die Humanisten lehnen solche Veränderungen strikt ab und bekämpfen sie.


Und die freie KI „Mal“ (Abkürzung von „Malware“), die im sog. „Infospace“ lebt, beobachtet das Kampfgeschehen zunächst aus sicherer Distanz. Eigentlich mischt sich Mal nicht in die Belange der Menschen ein. Doch als er bei einem Angriff vom Infospace getrennt wird und seine Auslöschung droht, flüchtet er in den toten Körper einer Cyber-Soldatin.


Die Soldatin wird begleitet von einem jungen Mädchen, welches sie beschützen sollte: Kayleigh. Mal beschließt diese Mission fortzuführen und Kayleigh in Sicherheit zu bringen. Doch ohne Verbindung zum Infospace ist Mal ziemlich „aufgeschmissen“. Er kann keine Daten abrufen, die ihm dabei helfen würden, sich inmitten dieses Kriegs zu orientieren…


Wie wir es schon aus anderen Büchern von Ashton kennen, ist der Schreibstil locker und beschwingt, d.h. ironisch und sarkastisch. Das gefällt mir eigentlich gut, aber dieses Mal wird dadurch die Dramatik des Krieges konterkariert. Bei „Mickey 7“ und „Antimatter Blues“ passte dieser Erzählton irgendwie besser. Auch kaufe ich einer Künstlichen Intelligenz nicht ab, dass sie so flapsig interagiert...


Auch ist man schnell im Geschehen drin. Die Handlung entfaltet sich direkt und nimmt nicht lange „Anlauf“. Allerdings hätte ich mir auch mehr Informationen zu dem Bürgerkrieg gewünscht. Man erfährt sehr wenig über die Hintergründe. Das Wordbuilding hätte auf den ersten Seiten ausführlicher sein können…


Ungewöhnlich ist sicherlich, dass man bei der Lektüre die meiste Zeit in der Gedankenwelt der KI ist. Diese ist nicht an eine körperliche Existenz gebunden, sondern kann sich relativ frei bewegen, indem sie sich in verschiedene Objekte mit Technologie transferiert. Ich konnte damit aber immer weniger anfangen, je weiter ich las. Vieles war mir zu abgedreht.


Insgesamt entfaltet sich die Handlung für mich ziellos. Das hat mich am meisten am Buch gestört. Man weiß nicht, zu wem Kayleigh gehört, zu wem sie zurückkehren möchte, an welche Gruppe sie ggf. angebunden ist und was evtl. deren Ziel ist. Sie gibt überhaupt keine Auskunft zu sich und ihrer Mission. Über die tote Soldatin erfährt man auch nichts. Über Mal bleibt ebenfalls viel im Dunkeln. Wie sind freie KIs überhaupt entstanden? Was ist ihr Sinn und Zweck und was ihr Ziel? Für mich bleibt auf den ersten Seiten einfach zu Vieles offen. Auch der sog. Infospace wird nicht ausführlicher beschrieben.


Kurzum: Der Inhalt packt mich nicht. Die vielen Fragen, die nicht beantwortet wurden, störten mich massiv beim Lesen. Der geschilderte Kontext bleibt im ersten Drittel einfach zu dünn. Das Worldbuilding überzeugt nicht (wie oben schon erwähnt). Aus diesem Grund habe ich „Mal goes to war“ nach 170 Seiten beendet. Vielleicht verpasse ich ja nun auch etwas, aber wenn ich im ersten Drittel nicht irgendwann mitgerissen werde und Vieles offenbleibt, dann macht es in meinen Augen keinen Sinn mehr, das Buch weiterzulesen. Ich hatte nicht das Gefühl, dass der Autor noch die Kurve kriegen wird…


Querverweise:
Ashton, Edward: Antimatter Blues 
Ashton, Edward: Mickey 7
Weitere zentrale Autoren, die in ihren futuristischen Thrillern KI zum Thema haben: Karl Olsberg (z.B. Virtua) oder Andreas Brandhorst (z.B. "Das Erwachen")