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Montag, 1. Dezember 2025

Taylor, Dennis E. - Ich bin viele



Projekt Heaven




Kaum hat Bob Johansson bei der Firma CryoEterna in einem Vertrag festgelegt, seinen Kopf nach dem Tod einfrieren zu lassen, da wird er einen Tag später von einem Auto überfahren und stirbt. 100 Jahre später, im Jahr 2133, wacht er wieder auf, und zwar als Künstliche Intelligenz. Er fühlt sich empfindungs- und orientierungslos. Alles fühlt sich fremdartig an. Und der Arzt Dr. Landers klärt ihn darüber auf, dass er „nur“ eine Kopie des Verstandes von Bob Johansson ist. Er ist also nur ein Programm, das glaubt, Bob zu sein.


Bob hat wichtige geschichtliche Entwicklungen verpasst. Amerika ist nun eine Theokratie, in der Kritik an der Regierung mit Umerziehung bestraft wird. Maschinen, die sich kritisch äußern, werden deaktiviert. Im Zuge der Errichtung der neuen Gesellschaftsform wurden alle kryonischen Labore abgeschafft und die Eingefrorenen für tot erklärt. Bob gehört ab sofort der Firma „Applied Synergetics Inc. und hat einiges zu verdauen, was sein neues Dasein betrifft. Schließlich ist ihm sein Leben und seine Freiheit genommen worden. Die Aufgabe von Dr. Landers besteht darin, Bob das „richtige“ Denken beizubringen, damit er ein guter Diener des Staates wird. Und Bob versucht sich mit seinem Schicksal zu arrangieren und das Beste daraus zu machen. Schließlich ist er nun unsterblich…


Zusammen mit Dr. Landers durchläuft er ein Trainingsprogramm. So lernt er seine neuen Fähigkeiten kennen und sie kontrollieren. Ab und zu wird er dabei von einem Vertreter des Wahrheitsministeriums (Orwell lässt grüßen) überprüft. Auch muss sich Bob immer wieder gegen Bedrohungen behaupten. Des Öfteren droht ihm die Abschaltung. Seine Existenz wird zu einem Politikum. Ihm wird die Menschlichkeit abgesprochen. Und unterschiedliche politische Lager stehen Bob mehr oder weniger kritisch gegenüber.


Im weiteren Handlungsverlauf wird klar, dass Bob darauf vorbereitet wird als sog. „Von-Neumann-Sonde“ das Universum zu erforschen und es nach fremdem Leben sowie einer zweiten Erde abzusuchen. Die Idee ist, dass die Sonde sich im Laufe der Reise selbst reproduziert und exponentiell vermehrt (so ergibt der Titel des Buchs auch Sinn). Um das Zeitproblem der interstellaren Reisen zu lösen, kann Bob seine subjektive Wahrnehmung von Zeit steuern. Sein erstes Ziel wird das Sonnensystem „Epsilon Eridani“. Auf seiner Reise optimiert sich Bob fortlaufend selbst und hält weiterhin Kontakt zur Erde.


Um die Handlung etwas spannender und abwechslungsreicher zu gestalten, ist Bob nicht die einzige Sonde, die von der Erde losgeschickt wird. Auch andere Nationen starten „Von-Neumann-Sonden“. Gegen diese muss Bob sich immer mal wieder behaupten und einen Weg finden, sie auszuschalten. Die brasilianische Sonde besitzt z.B. Waffen, um mögliche Konkurrenten auszuschalten. Während der Lektüre stellt man sich v.a. folgende Fragen: Was wird Bob entdecken? Wird er auf intelligentes Leben und eine zweite Erde stoßen? Und was ereignet sich in der Zeit seiner Abwesenheit auf der Erde?


Das Setting und die gesamte Idee des Buchs sind kreativ, ereignisreich und unterhaltsam umgesetzt worden. Bei mir kam zu keinem Zeitpunkt Langeweile auf. Und die Idee, dass sich Bob reproduzieren kann, ist genial. Wir haben es immer mit der gleichen Person zu tun, aber durch Perspektivwechsel erfahren wir stets, wie es mit den verschiedenen Bobs und ihren Missionen weitergeht. Bob kann sich die Arbeit aufteilen und zusammen mit den Sonden erschließt sich der Leser verschiedene Sonnensysteme. Das belebt die Handlung ungemein. Und wer befürchtet, dass die Handlung dadurch zu sehr „zerfasert“, den kann ich beruhigen: Der Autor konzentriert sich im Wesentlichen auf zwei zentrale Stränge, die weiterentwickelt werden. 


Es wird darüber hinaus deutlich, dass der Autor Erkenntnisse zur Exoplaneten-Forschung sowie Wissen aus der Biologie, was die Entstehung und Entwicklung von Leben angeht, einfließen lässt. Das alles liest sich sehr faszinierend. Das Ende ist offen gestaltet, so dass man direkt den nächsten Band lesen möchte. Dabei ist die Richtung, in die es gehen wird, klar. Ich freue mich schon auf weitere Inhalte aus dem „Bobiversum“ und werde sicherlich zeitnah „Wir sind Götter“ lesen. Ein klares 5-Sterne-Buch.


Querverweise:
Exoplaneten (Sachbuch)
Astrobiologie (Sachbuch)




Brandhorst, Andreas - Zeta


Zu wenig „science“




Wir sind im Jahr 2150. Die Menschheit hat ihr eigenes Sonnensystem weitestgehend erschlossen und besiedelt. Die Suche nach intelligentem extraterrestrischem Leben blieb bislang erfolglos. Mit dem Raumschiff Excelsior bereitet man sich auf einen interstellaren Flug zum Stern Proxima Centauri vor. Die Konstruktion des Schiffs ist fast abgeschlossen.


Doch erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Als ein Signal auftaucht, das vom Rande des Sonnensystems gesendet wird, will man die Excelsior dorthin schicken. Das Schiff soll das Objekt, von dem das Signal stammt und das auf den Namen „Zeta“ getauft wird, genauer erforschen.


Und auch in anderen Kolonien entdeckt man das Signal, d.h. sowohl auf dem Mars als auch auf dem Saturnmond Titan. Die Kolonisten entsenden ebenfalls jeweils ein eigenes Schiff mit einer Besatzung, um das 400 km große Objekt zu untersuchen. Eine Erstkontakt-Situation steht bevor, bei der verschiedene Interessensgruppen miteinander in Konkurrenz stehen…


In der ersten Hälfte des Buchs habe ich den Inhalt mit Faszination gelesen und fand die Gestaltung der Spannungskurve gelungen. Die Kapitel sind pointiert, ereignisreich und nicht zu ausschweifend. Die Anzahl der Blickwinkel und der Figuren ist überschaubar und ich konnte dem Geschehen gut folgen.


Doch meine aufgebaute Erwartungshaltung, was den Erstkontakt betrifft, ist im weiteren Handlungsverlauf enttäuscht worden. Spätestens nachdem man das Objekt erreicht hat und damit beginnt, das Innere zu erforschen, wird es spürbar langatmiger und zudem sehr fantasievoll (auch wenn die Wechsel der Blickwinkel weiterhin gut für Abwechslung sorgt). Für mich lässt sich der Autor zu viel Zeit, um das Rätsel um „Zeta“ zu lösen (oder ich bin zu ungeduldig). Es war mir insgesamt auch zu viel (teils abgedrehte) „fiction“ und zu wenig „science“. Und noch etwas: Der Handlungsstrang, der sich zeitgleich auf der Erde zuträgt, hat mich leider nicht mitgerissen. So komme ich auf durchschnittliche 3 Sterne, v.a. weil die ersten 300 Seiten gelungen waren.


Querverweise:
Brandhorst, Andreas: Das Erwachen
Brandhorst, Andreas: Die Eskalation
Brandhorst, Andreas: Splitter der Zeit
Brandhorst, Andreas: Das Bitcoin-Komplott
Brandhorst, Andreas: Der Riss
Weitere Science-Fiction-Bücher mit dem Thema "Erstkontakt": z.B. Ralph Edenhofer (Antares), Christoph Dittert (Fallender Stern), Stephen Baxter (Die Wiege der Schöpfung), Edward Ashton (Antimatter Blues)


Ashton, Edward - Mal goes to war



Enttäuschend...




Es herrscht Krieg. Zwischen den sog. „Federals“ und den sog. „Humanisten“. Die Federals sind Menschen, die sich mit Hilfe von technologischen Implantaten und genetischen Modifikationen optimiert haben. Die Humanisten lehnen solche Veränderungen strikt ab und bekämpfen sie.


Und die freie KI „Mal“ (Abkürzung von „Malware“), die im sog. „Infospace“ lebt, beobachtet das Kampfgeschehen zunächst aus sicherer Distanz. Eigentlich mischt sich Mal nicht in die Belange der Menschen ein. Doch als er bei einem Angriff vom Infospace getrennt wird und seine Auslöschung droht, flüchtet er in den toten Körper einer Cyber-Soldatin.


Die Soldatin wird begleitet von einem jungen Mädchen, welches sie beschützen sollte: Kayleigh. Mal beschließt diese Mission fortzuführen und Kayleigh in Sicherheit zu bringen. Doch ohne Verbindung zum Infospace ist Mal ziemlich „aufgeschmissen“. Er kann keine Daten abrufen, die ihm dabei helfen würden, sich inmitten dieses Kriegs zu orientieren…


Wie wir es schon aus anderen Büchern von Ashton kennen, ist der Schreibstil locker und beschwingt, d.h. ironisch und sarkastisch. Das gefällt mir eigentlich gut, aber dieses Mal wird dadurch die Dramatik des Krieges konterkariert. Bei „Mickey 7“ und „Antimatter Blues“ passte dieser Erzählton irgendwie besser. Auch kaufe ich einer Künstlichen Intelligenz nicht ab, dass sie so flapsig interagiert...


Auch ist man schnell im Geschehen drin. Die Handlung entfaltet sich direkt und nimmt nicht lange „Anlauf“. Allerdings hätte ich mir auch mehr Informationen zu dem Bürgerkrieg gewünscht. Man erfährt sehr wenig über die Hintergründe. Das Wordbuilding hätte auf den ersten Seiten ausführlicher sein können…


Ungewöhnlich ist sicherlich, dass man bei der Lektüre die meiste Zeit in der Gedankenwelt der KI ist. Diese ist nicht an eine körperliche Existenz gebunden, sondern kann sich relativ frei bewegen, indem sie sich in verschiedene Objekte mit Technologie transferiert. Ich konnte damit aber immer weniger anfangen, je weiter ich las. Vieles war mir zu abgedreht.


Insgesamt entfaltet sich die Handlung für mich ziellos. Das hat mich am meisten am Buch gestört. Man weiß nicht, zu wem Kayleigh gehört, zu wem sie zurückkehren möchte, an welche Gruppe sie ggf. angebunden ist und was evtl. deren Ziel ist. Sie gibt überhaupt keine Auskunft zu sich und ihrer Mission. Über die tote Soldatin erfährt man auch nichts. Über Mal bleibt ebenfalls viel im Dunkeln. Wie sind freie KIs überhaupt entstanden? Was ist ihr Sinn und Zweck und was ihr Ziel? Für mich bleibt auf den ersten Seiten einfach zu Vieles offen. Auch der sog. Infospace wird nicht ausführlicher beschrieben.


Kurzum: Der Inhalt packt mich nicht. Die vielen Fragen, die nicht beantwortet wurden, störten mich massiv beim Lesen. Der geschilderte Kontext bleibt im ersten Drittel einfach zu dünn. Das Worldbuilding überzeugt nicht (wie oben schon erwähnt). Aus diesem Grund habe ich „Mal goes to war“ nach 170 Seiten beendet. Vielleicht verpasse ich ja nun auch etwas, aber wenn ich im ersten Drittel nicht irgendwann mitgerissen werde und Vieles offenbleibt, dann macht es in meinen Augen keinen Sinn mehr, das Buch weiterzulesen. Ich hatte nicht das Gefühl, dass der Autor noch die Kurve kriegen wird…


Querverweise:
Ashton, Edward: Antimatter Blues 
Ashton, Edward: Mickey 7
Weitere zentrale Autoren, die in ihren futuristischen Thrillern KI zum Thema haben: Karl Olsberg (z.B. Virtua) oder Andreas Brandhorst (z.B. "Das Erwachen")