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Dienstag, 18. November 2025

Star Trek - Strange New Worlds (Staffel 3)





Folge 1 - Hegemonie, Teil 2


Die dritte Staffel von „Strange New Worlds“ (vgl. auch frühere Rezensionen zu Staffel 1 und 2, s. unten) knüpft direkt an die vorherige an. Die Enterprise ist mitten im Kampf mit den Gorn. Der junge Scotty wird als Figur ausführlicher eingeführt. Er hat eine Tarnvorrichtung entwickelt, die die Besatzung der Enterprise vor den Gorn schützen soll. Ein Außenteam befindet sich auf einem Gornschiff und wartet zusammen mit Kolonisten auf Rettung. Die Spezies der Gorn ähnelt stark der Konzeption von Alien. Sie nutzen z.B. Menschen als Wirte, um sich zu vermehren.


Die Gorn kennt man eigentlich aus der Originalserie von Raumschiff Enterprise. In der 18. Folge der ersten Staffel (dt. Titel: „Ganz neue Dimension“) kämpft Captain Kirk gegen einen Captain der Gorn. Die Kampfszene ist heute Kult, weil sich der Gorn dort so langsam bewegt. Doch mit den ursprünglichen Gorn haben die Gorn aus Strange New Worlds nicht mehr viel zu tun. Man hat sie vollständig modernisiert. Technologisch befinden sie sich mit der Föderation auf derselben Stufe. Sie wirken nun furchteinflößender. Die Atmosphäre ist viel düsterer.


Folge 2 – Hochzeitsglocken Blues


Spock und Schwester Chapel stehen im Zentrum dieser Folge. Spock wird mit einem Nebenbuhler konfrontiert: Dr. Korby. Diese Figur dürfte den meisten ebenfalls aus der Original-Serie bekannt sein (vgl. Folge 7, Staffel 1, dt. Titel: „Der alte Traum“), wo Chapel und Korby ebenfalls aufeinandertreffen. In „Hochzeitsglocken Blues“ erleben wir nun die Anfänge der Beziehung von Korby und Chapel mit. Spock muss mit der Zurückweisung durch Chapel umgehen lernen. Er flüchtet sich in eine Wunschvorstellung. Und ein Wesen aus dem Q-Kontinuum taucht auf. Es gibt also weitere Referenzen auf Folgen von Star Trek TNG. Und auch ein Bezug zur 2. Folge der 1. Staffel von Raumschiff Enterprise lässt sich herstellen (dt. Titel: „Der Fall Charly“). Dort ist es der Tarsianer Charly, der der Crew der Enterprise seinen Willen aufzwingt.


Folge 3 – Shuttle nach Kenfori


Die Enterprise dringt in dieser Folge in klingonisches Gebiet vor, um ein medizinisches Heilmittel zu beschaffen. Die Atmosphäre ist erneut sehr düster und beklemmend. Es kommt zur Begegnung und Auseinandersetzung mit einem klingonischen Schlachtkreuzer und dessen Crew. Im weiteren Verlauf der Folge driftet die Handlung ins horrormäßige ab. Es kommen zombieartige Wesen vor, die sowohl ein Außenteam der Klingonen als auch eines der Enterprise bedrohen. Der Schiffsarzt tritt hier erneut als sehr guter Kämpfer auf und ist damit ein Gegenentwurf zu den bisherigen Ärzten, die man aus alten Star Trek-Folgen kennt (z.B. Dr. Leonard McCoy, Dr. Beverly Crusher, Dr. Julian Bashir, Phlox, Der Doktor).


Folge 4 – Weltraumabenteuerstunde


In dieser Folge wird das Holodeck als neuartige Entwicklung eingeführt. Dieses kennt man eigentlich erst aus Star Trek TNG. Hier wird es als experimenteller Prototyp vorgestellt. La’An Noonien-Singh soll es testen. Sie durchlebt dabei einen Kriminalfall und agiert als Ermittlerin. Insgesamt wieder ein kreatives Setting mit tollen Kostümen. Die Schauspieler können eine andere Seite von sich zeigen und ihr Talent auch in anderen Rollen beweisen. Es lassen sich wieder Referenzen entdecken. Holodeck-Folgen sowie kriminalfallähnliche Folgen kennt man ja auch aus anderen Star Trek-Serien. Oft wird die Simulation dabei zu einer realen Gefahr. So auch hier. Ich konnte mit dieser Art von Episoden aber leider nie viel anfangen. So auch mit dieser hier nicht…


Folge 5 – Durch die Linse der Zeit


Der wechselhafte Episodenstil, den man ja bereits aus der vorangegangenen 2. Staffel kennt, wird auch hier beibehalten. Dieses Mal wird der Inhalt wieder düster dargelegt. Wir begleiten eine Außenmission, bei der eine historische Stätte auf einem fremden Planeten erforscht wird. Geleitet wird die Mission von Korby und Chapel, begleitet wird die Crew von einem Dokumentarfilmer. Schnell wird die Erkundung zu einer bedrohlichen Situation. Mir kamen Assoziationen zu Indiana Jones. Eine inhaltliche Referenz wird auch wieder zu Star Trek TNG deutlich. Man denke an die Ikonianer…


Folge 6 – Der Sehlat, der sich in den Schwanz biss


Die Enterprise eilt dem Schiff Farragut zu Hilfe, als dieses bei der Erforschung eines fremden Planeten mit einem unbekannten Gegner in Kontakt gerät, der übermächtig erscheint. Auf der Farragut dient Kirk als 1. Offizier und kann erste Kommandoerfahrung sammeln, weil der Captain ausfällt. Schnell werden Kirks Fähigkeiten deutlich, auch in stressigen Situationen die Ruhe zu bewahren, schwierige Situationen zu meistern und dabei große Risiken einzugehen. Es kommt zu einer ersten Zusammenarbeit von Kirk, Spock, Uhura, Scotty und Chapel. Ein schöner Vorgriff auf die Zukunft…


Folge 7 – Was ist die Sternenflotte?


Dieses Mal wieder eine eher experimentell-kreative Folge. Im Stil einer Dokumentation (= Kameraführung, Schnitt, eingeschobene Interviewpassagen) werden uns die Enterprise und die Sternenflotte nähergebracht, und das auf eine kritische Art und Weise. V.a. das Thema der Gewaltanwendung durch Föderationsoffiziere sowie die strikte Hierarchie der Befehlskette werden problematisiert. Eine Missionsausübung der Enterprise wird aus dokumentarischer Beobachterperspektive festgehalten.


Folge 8 – Vier und ein halber Vulkanier


Dieses Mal ist der Stil humorvoll. Kurz vor Antritt des Landurlaubs erreicht die Enterprise ein Hilfegesuch der Vulkanier. Sie sollen eine Pre-Warp-Zivilisation vor einem drohenden Kollaps bewahren. Für die erfolgreiche Ausübung der Mission muss sich das Außenbord-Team in Vulkanier verwandeln, um nicht aufzufallen. Problem 1: Die Transformation hat auch charakterliche Wesensänderungen zur Folge. Problem 2: Nach Abschluss des Einsatzes misslingt die Rückverwandlung. Pike, Uhura, Chapel und La‘an bleiben vorerst vulkanisch und finden mit der Zeit sogar Gefallen daran…


Folge 9 – Terrarium


In dieser Folge begleiten wir Ortegas. Sie wird bei einem Einsatz mit ihrem Shuttle in ein Wurmloch gezogen und verschwindet spurlos. Die Enterprise verliert den Kontakt zu ihr und macht sich auf die Suche. Ortegas strandet auf dem Mond eines unbekannten Planeten, muss fortan ums Überleben kämpfen und auf Rettung hoffen. Wieder eine sehr düstere Folge. Eine Robinsonade in lebensfeindlicher Umgebung. Später stellt sie fest, dass ein Gorn-Pilot das gleiche Schicksal ereilt hat. Er ist ebenfalls gestrandet. Beide müssen fortan kooperieren, wenn sie überleben wollen. Der Inhalt hat mich sehr an den Film „Enemy Mine“ erinnert. Gleichzeitig lässt sich aber auch wieder ein Bezug zur Folge 18 der ersten Staffel der Original-Serie herstellen, die ich ja bereits bei der Besprechung der ersten Folge angesprochen habe (siehe oben). Der Inhalt der Folge von damals wird nun neu interpretiert und modernisiert. Hat mir insgesamt sehr, sehr gut gefallen!


Folge 10 – Neues Leben und neue Zivilisationen


Diese Folge knüpft direkt an die fünfte Folge („Durch die Linse der Zeit“, siehe oben) an. Das Wesen, das in Folge 5 eingefangen wurde, kann sich aus dem Musterpuffer der Enterprise befreien und wird erneut zu einer großen Gefahr. Leider hat mich diese Folge am wenigsten von allen Folgen der dritten Staffel abgeholt. Mir driftet das Ganze schon zu sehr in Richtung Fantasy ab. Mit der Spezies der Vezda wird dem Star Trek-Universum ein neues Element hinzugefügt. Der ein oder andere mag eine Referenz auf den Nexus aus dem Film Star Trek VII („Treffen der Generationen“) herstellen. Auch das Motiv der Augenveränderung lässt sich mit früheren Folgen in Verbindung bringen (vgl. z.B. „Der Fall Charly“).


Weitere Querverweise
Star Trek - Strange New Worlds Staffel 1, Staffel 2
Star Trek - Enterprise Staffel 1, Staffel 2, Staffel 3
Star Trek - Sektion 31


Freitag, 14. November 2025

Baxter, Stephen - Die Wiege der Schöpfung

 


Faszinierend, kenntnisreich und transzendent




Im Jahr 2255 entdeckt das Besatzungsmitglied Salma an Bord des Raumschiffs „Schatten“ am Rande unseres Sonnensystems (noch hinter dem Kuiper-Gürtel) ein Schwarzes Loch. Das Licht der Sonne benötigt immerhin ganze vier Tage, um die Schatten an diesem Punkt zu erreichen. Der Durchmesser dieses Schwarzen Lochs beträgt nur wenige Zentimeter, aber es besitzt eine 10-mal größere Masse als die Erde.


Bei der genaueren Untersuchung der Hawking-Strahlung entdeckt Salma eine Anomalie in Form eines Signals. Salmas Plan ist es, das Signal zu spiegeln und die empfangenen Informationen mit Hilfe eines Lasers zurück ins Schwarze Loch zu schicken. Und kaum ist das passiert, ereignet sich im Zentrum der Milchstraße ein kosmisches Ereignis, das das Schicksal der Erde bedroht. Gibt es da etwa einen Zusammenhang, auch wenn damit die Gesetze von Raum und Zeit verletzt werden? Und wird es zu einer Kommunikation mit fremden Leben kommen?


Was mir gut gefällt, ist der Umstand, dass der Autor beiläufig jede Menge kosmologisches Wissen in die Handlung mit einfließen lässt. So erfahren wir z.B. einiges über Schwarze Löcher, aber auch über die Evolutionsprozesse unseres Universums und über die Multiversums-Hypothese. Abgesichert wird der Inhalt durch reichlich Sekundärliteratur, wie das kenntnisreiche Nachwort des Autors verrät (großartig und beeindruckend!). Auffällig ist, dass der Schreibstil des Autors insgesamt eher ausschweifend ist. Er nimmt sich viel Raum, um zu beschreiben und zu schildern. Das entschleunigt die Handlung spürbar. Aber das ist wohl auch so gewollt.


Der Weltenentwurf ist kreativ. So werden auch die Erde und die Frage, wie sie in Zukunft regiert wird, in den Blick genommen. Es gibt verschiedene Interessensgruppen. Auf der einen Seite haben wir die Industrialisten, also Anhänger eines freien Marktes, die v.a. die Ausplünderung von Bodenschätzen auf fremden Himmelskörpern wie dem Mond oder den Saturn befürworten und vorantreiben. Wachstum zu generieren, ist ihr oberstes Gebot. Auf der anderen Seite haben wir die Bewahrer. Sie sehen den Drang nach Profit, Konsum und schnellem Wachstum kritisch. In ihren Augen haben genau diese Ziele die Erde fast in den Abgrund geführt.


Das Raumschiff „Schatten“ wird von den Anhängern der Bewahrer kontrolliert. Es ist ein Mehr-Generationen-Schiff, das Jahrzehnte unterwegs war, um den äußeren Rand des Sonnensystems zu erreichen und zu erforschen. Die Besatzung rechnete eigentlich damit, einen weiteren Planeten zu finden (Planet 9). Salma ist an Bord der Schatten geboren worden und hat auf der Reise Mutter und Vater verloren.


Als man auf der Erde von der Anomalie erfährt, entschließen sich sowohl die Industrialisten als auch die Bewahrer kurzerhand dazu, jeweils ein weiteres Schiff zum Schwarzen Loch zu schicken: die Kronos und die Aquila. Mit einem verbesserten Antrieb sollen sie das Ziel in wenigen Jahren erreichen. Beide Schiffe konkurrieren miteinander und liefern sich einen Wettlauf. Man will dem politischen Gegner nicht allein das Feld überlassen und einen eigenen Anspruch auf die Entdeckung anmelden. Die Perspektiven wechseln regelmäßig. Mal sind wir an Bord der Schiffe, die sich der Anomalie nähern. Mal sind wir an Bord der Schatten, die sich in unmittelbarer Nähe zum Schwarzen Loch befindet.


Inhaltlich spielt in diesem Buch v.a. das Thema „Erstkontakt“ eine große Rolle. Dabei wird die Schilderung der Beschaffenheit des außerirdischen Lebens sehr detailliert und kreativ vorgenommen. Die beschriebene Astrobiologie liest sich faszinierend. Sie ist ausführlich und differenziert (mit Ausnahme der Kommunikation, s. unten). Die Handlung wird durch Zeitsprünge von mehreren Jahren passend gerafft, so dass auch die Darstellung der Überwindung von großen Distanzen im All gelingt. Und dabei gelingt es dem Autor immer wieder, ästhetisch ansprechende Bilder von fremden Himmelskörpern und von der Raumfahrt vor dem inneren Auge des Lesers entstehen zu lassen. Auch das Ende fand ich faszinierend. Es wird transzendent, so viel kann ich an dieser Stelle verraten… 


Abschließend auch noch ein paar Kritikpunkte: Die Figurenzeichnung lässt etwas zu wünschen übrig. Nur Salma hat klare Konturen, die anderen Charaktere sind ziemlich flach und austauschbar geraten. Weiterhin gibt es auch immer mal wieder längere Passagen, in denen nichts Relevantes passiert. Hier wäre jede Menge Kürzungspotential vorhanden gewesen, um einen dynamischeren Handlungsfluss zu erzeugen. Und von der Darstellung der Kommunikation mit der fremden Intelligenz war ich auch enttäuscht. Für eine Erstkontaktsituation gerät dieser Aspekt zu dürftig, wie ich finde. So komme ich insgesamt auf 4 Sterne.


Querverweise:
Astrobiologie (Sachbuch)

Dienstag, 11. November 2025

Coben, Harlan - In tiefster Nacht



Eine schicksalhafte Nacht




Sami Kierce lernt in einem Club Anna kennen. Sie verbringen gemeinsam einige Tage im Liebesrausch. Beide führen ein ausgelassenes Leben, konsumieren Drogen und stürzen sich nachts in Partys. Doch eines Morgens erwacht Sami neben der toten Anna. Und in der Hand hält er ein blutverschmiertes Messer…


Danach ereignet sich ein Zeitsprung von 22 Jahren. Sami ist nun Privatermittler und hilft einer Ehefrau dabei, deren untreuen Ehemann zu stellen. An einer Abendschule gibt er Kurse in Kriminalistik, um andere Detektive zu schulen (z.B. in Techniken der Beschattung). Mitten im Unterricht glaubt er plötzlich, die verstorbene Anna in der Tür stehen zu sehen. Er ist sich selbst nicht sicher, ob er halluziniert. Als Leser fragt man sich direkt, wie es um den Geisteszustand von Sami bestellt ist. Als sie hastig den Seminarraum verlässt, folgt er ihr. Doch er verliert sie schließlich aus den Augen. Wird er sie wiederfinden?...


Der Start in den Thriller erfolgt unmittelbar. Man ist sofort in der Handlung. Genau das mag ich an den Thrillern von Coben. Und meine Neugier wurde auch direkt befeuert. Ich wollte wissen, was sich in der Vergangenheit ereignet hat und ob Sami einer Sinnestäuschung erlegen ist oder ob sich sein Verdacht, was Anna betrifft, bestätigt. Zudem verleiht ein weiteres Ereignis der Handlung „Triebkraft“. Sami erfährt, dass ein Sträfling, der damals seine Frau umgebracht hat (nicht Anna!), entlassen wird (Tad Grayson). Dieser behauptet, dass er 20 Jahre zu Unrecht im Gefängnis saß und will mit Sami in Kontakt treten, um ihn von seiner Unschuld zu überzeugen und dazu zu bringen, neue Ermittlungen anzustellen. Was für ein Zufall! Hängen die Freilassung von Grayson und das Wiederauftauchen von Anna irgendwie zusammen? Und ist es ebenfalls nur ein Zufall, dass Sami zwei Frauen verloren hat? 


Eine Stärke von Coben ist in meinen Augen auch die Dialoggestaltung in seinen Thrillern. Diese wirken äußerst lebendig und lebensecht, aber dennoch aufs Relevante zugespitzt. In ihnen spiegeln sich die Emotionen der Figuren wider. Sie sind alles andere als hölzern und stereotyp. Kein Wunder, dass seine Thriller schon häufig verfilmt worden sind. Trotzdem kann ich diesem Buch keine 5 Sterne geben. Dafür wirkte mir der Plot etwas zu weit hergeholt, zu bemüht, zu konstruiert, zu unglaubwürdig. Coben hat in meinen Augen schon Besseres geschrieben (z.B. "Nur für dein Leben" oder "Ich finde dich"). Nach den ersten 100 Seiten flacht die Spannungskurve ganz schön ab. Der Mittelteil lässt zu wünschen übrig. Schade! Stellenweise wirkt die Handlung auf mich auch improvisiert. Sie entwickelt sich mal in die eine, mal in die andere Richtung. Es wirkte auf mich oft ziellos und nicht durchkonstruiert. Erst das letzte Drittel kann, was die Spannung betrifft, wieder überzeugen. Allerdings hat mich die Auflösung inhaltlich nicht restlos überzeugt. Ein Detail störte mich schon massiv. Und der Strang um Tad Grayson hat mich auch nicht gepackt. Er spielt vordergründig kaum eine Rolle. So komme ich auf durchschnittliche 3 Sterne.

Hillenbrand, Tom - Crasher

 

Ein Blick in die mögliche Zukunft des Automobils



Coupe de Ville ist ein echter Mann und Nostalgiker. Er begeistert sich für Rennsport und trauert der Zeit hinterher, in der Rennfahrer noch selbst ihre Boliden steuerten und die Autos ordentlich PS unter der Haube hatten. In der Zeit, in der er lebt, ist das Selbstfahren als inakzeptables Sicherheitsrisiko eingestuft worden. Es wurde erst eingeschränkt und dann ganz verboten. Doch das Fahren per Autopilot ist Coupe zuwider. Und die selbst fahrenden Blechbüchsen, in denen sich die Menschen nun fortbewegen, sind ihm ein Graus. Das Freiheitsgefühl bleibt dabei völlig auf der Strecke…

Eines Tages beschließt Coupe sich seinen lang gehegten Traum zu erfüllen, zieht einen Rennanzug an und sucht eine geheime Adresse auf, an der sich die sog. „Crasher“ treffen. Obwohl es illegal ist und er nicht viel Erfahrung als Selbstfahrer hat, will er mit einem „echten“ Auto über die Piste donnern. Wie wird die Fahrt verlaufen? Und was wird er dabei erleben? Das sind die zentralen Fragen, die man sich bei der Lektüre dieser Erzählung stellt.

In die Geschichte fließen bekannte Ideen aus dem Hologrammatica-Universum ein (v.a. das Holonet). Und eines kann ich verraten: Die Fahrt von Coupe verläuft dramatischer, als ich anfangs dachte. Insgesamt hat mich die Geschichte gut unterhalten. Der Weltenbau knüpft an Bekanntes an, ohne dabei zu komplex zu werden. Die Handlung verläuft ohne viele Schnörkel, geradlinig und rasant. Ich würde mir wünschen, dass Hillenbrand genau an solche Settings wieder anknüpft, sollte er noch einmal eine Geschichte schreiben, die an die Welt von „Hologrammatica“ anknüpft (vgl. dazu auch meine Rezension zu "Thanatopia").

Sonntag, 9. November 2025

Leo, Maxim - Junge aus West-Berlin



Ost-West-Liebesgeschichte




Der 16-jährige Mark unternimmt eine Klassenfahrt nach Ost-Berlin, wird von der Gruppe getrennt und lernt ein ostdeutsches Mädchen kennen, das sich für ihn und sein Leben im Westen interessiert. Sie wirkt äußerst verlegen und Mark gefällt sich darin, ihr etwas von seiner Herkunft zu berichten, hat er doch sonst eher mit einem geringen Selbstwertgefühl zu kämpfen. Die unbekannte Schönheit lauscht andächtig und bewundernd seinen Erzählungen.


Dieses Ereignis, an das er sich gern erinnert, verleitet Mark dazu, vier Jahre später ein Studium in Berlin aufzunehmen. Er besucht des Öfteren Ost-Berlin und ist immer wieder erstaunt darüber, wie die Leute ihm begegnen, sobald sie erfahren, dass er aus dem Westen kommt. Ihm wird eine ganz besondere Aufmerksamkeit zuteil. Und Mark gefällt es, im Mittelpunkt zu stehen und nach seiner Meinung gefragt zu werden.


An den Wochenenden besucht er Ost-Berlin, um dieses Hochgefühl stets neu zu erleben. Im Osten trumpft er als Wichtigtuer auf und gibt sich als Konzertveranstalter aus, um sein Gegenüber zu beeindrucken. Im Schlepptau hat er oft Westwaren als Geschenke für seine Bewunderer mit dabei. Eines Tages aber trifft er auf Nele, die sich zunächst unempfänglich für seinen großspurigen Auftritt zeigt.


In einem Blickwinkelwechsel lernen wir auch ihre Perspektive und damit ihren Blick auf Mark kennen. Sie fühlt sich oft als Außenseiterin und hat eine besondere Sehnsucht nach Frankreich. Mark fasziniert sie, doch sie gibt sich lässig-abweisend, um seine Aufmerksamkeit zu erregen. Die Chemie zwischen beiden stimmt. Das wird rasch deutlich. Und man fragt sich, was aus ihnen wird…


Zeitlich ist die Geschichte wenige Monate vor dem Mauerfall angesiedelt. Die Stimmung in diesen letzten Tagen vor der Wende wird dabei gut eingefangen, wie ich finde. Der Inhalt wird abgerundet durch 20 Illustrationen von Kat Menschik, die auch im Nachwort erläutert, was sie sich bei der Farbgebung gedacht hat. Die Bilder sind sehr passend auf den Inhalt des Textes abgestimmt. Menschik hat schon mehrere Bücher illustriert. Zuletzt ist mir ihr Name im Zusammenhang mit dem Buch „Westend“ von Volker Kutscher begegnet. Im Galiani-Verlag Berlin betreut sie eine eigene Buchreihe mit dem Titel „Illustrierte Lieblingsbücher“. Insgesamt hat mir die Erzählung sehr gut gefallen (so wie auch andere Bücher des Autors, z.B. "Wir werden jung sein" oder "Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße"). 

Freitag, 7. November 2025

Schoeters, Gaea - Das Geschenk



20.000 Elefanten




Mitten in Berlin nimmt ein Elefantenbulle ein Bad in der Spree, lediglich wahrgenommen von einem Obdachlosen, der glaubt, ihm habe der Alkohol das Gehirn vernebelt. Schnell erregt das Tier weitere Aufmerksamkeit und wird gefilmt. Und schon bald wird klar, dass mehr als nur ein Elefant das Stadtbild verschönert. Anders als anfangs vermutet sind sie aber nicht aus dem Zoo ausgebrochen, sondern sie sind ein Geschenk des Präsidenten Tebogo von Botswana, der sich auf diese Weise für ein Gesetz zum Elfenbeinhandel revanchieren will. Insgesamt befinden sich nun 20.000 Elefanten in und um Berlin…


Die Politik muss sich dieses Problems annehmen. Die Angelegenheit wird zur Chefsache. Bundeskanzler Winkler selbst muss sich darum kümmern. Krisenmanagement ist gefragt. Doch Tebogo mahnt die Akteure, dass den Elefanten kein Leid zugefügt werden dürfe. Schließlich stünden sie unter Artenschutz und ihr Wohlbefinden habe größte Wichtigkeit. Doch was wird man nun unternehmen, um das Problem zu lösen? Das ist die zentrale Frage, die man sich bei der Lektüre stellt.


Zeitsprünge von mehreren Tagen raffen die Handlung, so dass man das Geschehen über einen längeren Zeitraum verfolgt. Die Menschen und die Politik versuchen sich an die neue Situation anzupassen und damit irgendwie umzugehen. Doch je mehr Zeit vergeht, desto mehr ebbt die anfängliche Faszination ab. Ministerien streiten sich um Zuständigkeiten, was die Verwaltung der Elefanten betrifft. Das Chaos und der wirtschaftliche Schaden, die die Dickhäuter verursachen, nehmen zu. Das Land wird mit neuartigen Herausforderungen konfrontiert. Und irgendwann ereignet sich eine Katastrophe, die die Gemüter erhitzt… 


In diesem Buch wird die deutsch-moralische Position zum Elfenbeinhandel der afrikanisch-pragmatischen Haltung gegenübergestellt. Das Geschenk zwingt die deutsche Politik und damit auch die Einwohner des Landes dazu, ihre eigene moralische Überheblichkeit zu überdenken. Botswana handelt aus seiner Perspektive heraus nachvollziehbar. Und die Lektüre fordert dazu heraus, für diese Ansicht Verständnis zu entwickeln, auch wenn sie der eigenen Moralvorstellung widerspricht. Botswana und Deutschland haben jeweils andere Lebensrealitäten, die berücksichtigt werden müssen. Man kann auf diese Weise wunderbar über das Thema "Kulturrelativismus" nachdenken. Letztlich ein interessantes Gedankenspiel, das in diesem Buch thematisiert wird. Potentielle Leserinnen und Leser sollten sich aber auch für Politik interessieren (das Schicksal des Bundeskanzlers ist eng mit dem der Elefanten verknüpft). Von mir gibt es für dieses lohnenswerte Buch 5 Sterne.

Mittwoch, 5. November 2025

Geßner, Eva - Seelenkalt



Realistisch, beklemmend, intensiv




Zu Beginn lernen wir die Prostituierte Claire kennen, die mit einem Kunden in einem Hotel verschwindet. Er stellt sich ihr als Richard vor und schnell wird klar, dass er auf der Suche nach seiner Tochter Antonia ist, die im Milieu arbeitet. Er droht Claire, um an Informationen zu kommen. Doch sie streitet ab, Antonia zu kennen, und hat große Angst, ihm gegenüber etwas preiszugeben. Sie fürchtet sich vor ihren Zuhältern. Doch Richard gibt so schnell nicht auf. Seine Familie ist daran zerbrochen, dass Antonia einst auf die schiefe Bahn geriet. Er hat sich geschworen, seine Tochter zu finden und sie zu befreien. Nichts hält ihn davon ab, seinen Rettungsplan in die Tat umzusetzen. Er agiert kompromisslos und geht selbst ein hohes Risiko ein…


Danach machen wir mit Kriminalhauptkommissarin Franziska Frey Bekanntschaft und erhalten Einblick in ihr Familienleben. Die Arbeit nimmt sie völlig in Beschlag, sie ist selten zu Hause. Die Beziehung zu ihrer 16-jährigen Tochter leidet darunter. Auf dem Revier trifft Franziska auf die Prostituierte Dana Markow, die Claire als vermisst meldet. Sie ist seit einer Woche spurlos verschwunden. Hat Richard etwas damit zu tun?


Darüber hinaus wird Franziska mit einem weiteren Fall konfrontiert. Ein Steuerberater wurde krankenhausreif geschlagen und man entdeckt in seiner Kanzlei einen geheimen Archivraum, in der er eine geheime sexuelle Neigung ausgelebt hat. Bei der Auswertung des Videomaterials, das man dort findet, kommen brisante Details ans Tageslicht. Der Berater muss in illegale Machenschaften verwickelt gewesen sein. Die Polizei zögert nicht lang, nimmt die Ermittlungen auf, durchleuchtet das Liebesleben des Opfers und befragt dessen Umfeld. Auch dubiose Typen werden dabei verhört. Irgendwann wird klar, dass ein Serienmörder sein Unwesen treiben muss…


Bei der Lektüre erhält man einen erschreckend realistisch gezeichnetes Bild vom Rotlicht-Milieu und damit in die Doppelmoral unserer Gesellschaft. Es rücken viele Menschen als handelnde Figuren in den Vordergrund, die in der gesellschaftlichen Schattenwelt agieren. So wird z.B. verdeckt in einem anrüchigen „Saunaclub“ ermittelt. Der Thriller wirkt sehr gut recherchiert. Das macht auch das Nachwort deutlich. Es kommt sehr gut zum Ausdruck, welches Unrecht und Leid die Prostituierten ertragen müssen, wie sie überhaupt ins Milieu abrutschen und wie die deutsche Gesetzeslage aussieht. Eine treffende Sozialkritik wird hier deutlich! Das alles aufs Papier zu bringen, war bestimmt fordernd.


Vieles ging mir sehr nah, vor allem der Handlungsstrang um Richard, der seine Tochter aus dem Milieu befreien will, reißt mit und emotionalisiert sehr stark. Man kann die Wut und Verzweiflung des Vaters gut nachvollziehen. Die Ermittlungsarbeit nimmt in diesem Thriller ebenfalls viel Raum ein, was ihn oft in die Nähe eines Krimis rückt. Es wird aber nie langweilig. Die Befragungen sind ereignis- und abwechslungsreich gestaltet worden. Man bleibt an den Zeilen haften. Der Schreibstil ist sehr angenehm und die Spannung durchweg stark ausgeprägt. Auch die Figur der Franziska Frey ist gut konzipiert. Sie muss sich in einer männlich dominierten Berufswelt durchsetzen. Ihre Erfahrung gibt sie an eine jüngere Kollegin weiter, die sie in ihrer Ungeduld oft bremsen muss. Sie wirkt insgesamt außerordentlich kompetent.


Das Einzige, was mir nicht so gut gefallen hat, waren Passagen, in denen der Sadismus zu stark ausgeprägt war. Aber das wird jede Leserin und jeder Leser anders empfinden. Mir war es teils zu heftig. Auch das Tempo hätte nach meinem Geschmack noch etwas höher ausfallen können. Aber auch das ist ja sehr subjektiv. Ich komme auf 4 Sterne.

Montag, 3. November 2025

Poznanski, Ursula - Aquila

 

Auf der Suche nach der verlorenen Erinnerung




Eines Morgens wacht Nika ohne Erinnerungen auf. Sie glaubt, dass sie eine durchzechte Nacht hinter sich hat. Doch schnell kommen ihr Zweifel. Sie entdeckt an sich einen Kratzer, ohne zu wissen, wo dieser herkommt. Am Badezimmerspiegel hat jemand Unbekanntes eine Nachricht hinterlassen („Letzte Chance“). Aus ihrer Handtasche sind Handy und Schlüssel verschwunden. Bei ihrem Laptop sind Akku und Netzkabel entfernt worden. Neben der Waschmaschine entdeckt sie ein blutbeflecktes Männer-T-Shirt. Und auch ihre Mitbewohnerin Jenny trifft sie in der gemeinsamen WG nicht an. Die Tür zu ihrer Wohnung ist verschlossen. Sie ist darin eingesperrt. Was ist da los?


Nika ist Studentin und legt ein Auslandssemester in Italien ein. Sie spricht jedoch kaum Italienisch, so dass sie bei Konversationen stets auf Hilfe von Einheimischen angewiesen ist. Die Sprachbarriere verkompliziert einiges. Das ist schon geschickt arrangiert. Schritt für Schritt begleiten wir Nika dabei, wie sie die Vergangenheit rekonstruiert. Der Vorfall ist gut verrätselt. Und ein spannungserregender Impuls setzt ein, als man eine Leiche findet. Von diesem Zeitpunkt an gerät Nika in eine schwierige Lage. Ihr Gedächtnisverlust erregt Misstrauen bei der einheimischen Polizei…


Die Frage bei solchen Thrillern mit Amnesie-Motiv ist stets, wie lange die Autorin oder der Autor es schafft, den angelegten Spannungsbogen aufrechtzuerhalten und die Auflösung hinauszuzögern, ohne dass es zu langatmig wird. Zudem entsteht eine große Erwartungshaltung, was das Ende betrifft. Man möchte ja, dass sich alles schlüssig und nachvollziehbar aufklärt. Was die Aufrechterhaltung des Spannungsbogens betrifft, macht Poznanski zu Beginn viel richtig. Mit zunehmendem Handlungsverlauf wird es dann aber zunehmend schleppend. Mir fiel es schwer „am Ball zu bleiben“. Und als katastrophal empfand ich den Schluss. Die Auflösung zieht sich über mehr als 100 Seiten. Erklärung folgt auf Erklärung. Das war mir zu umständlich. Und es hat mich überhaupt nicht gepackt. Durch den positiven Beginn komme ich auf knappe 3 Sterne. Auch von anderen Büchern der Autorin war ich leider nur mäßig begeistert (z.B. "Stille blutet", "Die Burg"). Ausnahme: "Scandor", das vier Sterne erhielt.