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Freitag, 16. Februar 2024

Leo, Maxim - Wir werden jung sein




5 von 5 Sternen



Medizintechnische Revolution

 

„Youth’s like diamonds in the sun / and diamonds are forever“

 

Was wäre, wenn ein Medikamentenversuch fehlschlüge und die Probanden mit den ungeahnten Folgen einer Verjüngung konfrontiert wären? Darum geht es in dem Roman „Wir werden jung sein“ von Maxim Leo (bei mir stellten sich direkt Assoziationen zu „Benjamin Button“ ein). Die Folgen des Experiments werden uns am Beispiel von Einzelschicksalen von fünf Protagonisten vorgestellt, deren Lebensgeschichte wir näher kennen lernen. Und eines kann ich direkt vorwegnehmen: Ich fand das Gedankenspiel, das der Autor entwirft, interessant und habe mit großer Faszination die Lebenswege der Figuren verfolgt.

 

Zu Beginn wird uns der 17-jährige Jakob nähergebracht, der unter einer Herzmuskelschwäche leidet und ständig müde und erschöpft ist. Er verliebt sich in Marie, die mit ihrer unbefangenen und ehrlich-direkten Art sofort sein Herz erobert. Als nächstes begegnen wir Herrn Wenger, Immobilien-Patriarch und pedantischer Planer, der eine tödliche Diagnose erhält und nicht mehr viel Zeit hat. Er plant daraufhin seinen eigenen Tod in Form von Sterbehilfe und macht sich daran, sein Erbe zu regeln. Eine weitere Figur: Die ehemalige Profischwimmerin Verena. Sie knackt bei einem „Rentnerrennen“, das lediglich als Show gedacht war, den Weltrekord in 100m Freistil. Und plötzlich steht sie unter Doping-Verdacht. Sie kann sich ihre Leistung selbst nicht erklären. Weiterhin lernen wir Jenny kennen, die einen unerfüllbaren Kinderwunsch hegt. Trotz mehrmaliger, belastender In-vitro-Fertilisationen will sich keine Schwangerschaft einstellen, bis ein Seitensprung plötzlich ihr Leben grundlegend ändert. Und zuletzt: Die Perspektive des verschrobenen und menschenscheuen Forschers Martin. Er ist der Projektleiter der Studie, an der Jacob, Wenger, Verena und Jenny teilnehmen. Sein Ziel ist die Reprogrammierung von Herzmuskelzellen. Das Medikament testet er auch an sich selbst und seinem Hund. Nun ist er mit der Situation konfrontiert, dass sich die Probanden des Versuchs verjüngen, und das mit ungewissem Ausgang. Es entstehen folgende Fragen: Wie geht es mit den Figuren weiter? Wie wird sich ihr Leben verändern? Und wird sich die Verjüngung stoppen lassen? Ohne zu viel zu verraten: Die Verjüngung hat nicht nur Vorteile! Insbesondere die jüngeren Probanden haben mit Komplikationen zu kämpfen.

 

Nachdem sich die Nachricht über die Verjüngung als Nebenwirkung der medizinischen Behandlung von Jacob, Wenger, Verena und Jenny herumspricht, wollen auf einmal weitere Menschen mit dem Medikament behandelt werden. Begehrlichkeiten werden geweckt. Und anhand der Perspektive von Miriam, einer wissenschaftlichen Beraterin der Regierung, wird eine medizinethische Bewertung des Phänomens vorgenommen. Sie betrachtet das Für und Wider des möglichen Eingriffs in den Lebenszyklus des Menschen. Klar ist nur: Die Entdeckung wird das menschliche Zusammenleben grundlegend ändern. Und am Rande wird auch die Frage nach der Verantwortung der Wissenschaft gestreift.

 

Die Stärke des Autors ist in meinen Augen die Charakterzeichnung. Alle Figuren haben klare Konturen und werden in ihren Eigenheiten sehr gut deutlich. Maxim Leo schafft es auf wenigen Seiten, seinen Charakteren ein deutliches Profil zu verleihen. Und durch einen geschickt eingebauten Zeitsprung wird uns eine Vorher-Nachher-Perspektive eröffnet. Eine Entwicklung der Protagonisten kommt zum Ausdruck. Und dadurch, dass die Figuren sich in verschiedenen Lebensstadien befinden, wird die Frage nach den Auswirkungen des Medikaments auch unterschiedlich beleuchtet. Das hat mir richtig gut gefallen. Auf diese Weise entsteht ein differenziertes, facettenreiches Bild. Und durch die beschriebenen Komplikationen, die ebenfalls auftreten, werden auch Nachteile ins Blickfeld gerückt. Und noch einen Effekt hat die Erwähnung des Negativen: Man leidet mit den Patienten mit und spürt als Leser:in emotionale Betroffenheit. Nicht zuletzt stellt man sich bei der Lektüre selbst die Frage, wie man mit einer solchen Diagnose umgehen würde. Würde man gern selbst wieder jünger sein? Eine interessante Frage, wie ich finde. Insgesamt hat mir das Buch sehr gut gefallen. Eine rundum gelungene Sache. Ich habe keine Verbesserungsvorschläge und vergebe deshalb 5 Sterne!

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