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Montag, 6. Februar 2023

Schiewe, Ulf - Der eiserne Herzog


5 von 5 Sternen


Kampf um Englands Krone


Auf Ulf Schiewe bin ich erstmals durch seinen historischen Roman „Die Mission des Kreuzritters“ gestoßen, der mir sehr gefallen hat (vgl. eine frühere Rezension). Der Autor hat in meinen Augen das Talent, auf angenehme Art und Weise und mit einem sehr eingängigen Schreibstil, der nie trocken ist, beiläufig historisches Wissen zu vermitteln. Dabei erschafft er Figuren, die lebensecht wirken und auch „Zugkraft“ entfalten. Man fiebert mit ihnen mit und will im Anschluss an die Lektüre mehr über diese historischen Persönlichkeiten herausfinden (so ging es mir mit Melisende von Jerusalem).

 

Aus diesem Grund entschied ich mich für die Lektüre seines neuesten historischen Romans „Der eiserne Herzog“. Und wieder hat Schiewe es geschafft, mich für den Stoff zu begeistern und mich neugierig werden zu lassen. Begleitend zum Roman las ich noch das Sachbuch „1066. Der Kampf um Englands Krone“ von Jörg Peltzer. Was ich sehr schätze: Die Romane von Schiewe sind sauber recherchiert und der Autor orientiert sich an den bekannten historischen Fakten. Durch die Lektüre von Peltzer ist mir das sehr deutlich geworden. Und das rechne ich Schiewe hoch an.

 

Und was Schiewe auch gut gelingt, er entwickelt einen klaren roten Faden, er verliert sich nicht in zu vielen Details, sondern er rückt zentrale Figuren und Ereignisse in den Mittelpunkt, die man nicht aus dem Blick verliert. Und er konzentriert sich bei der Handlung auf die wirklich wesentlichen Dinge, ohne sich zu sehr in Nebenschauplätzen zu verlieren. So fand ich die Begründung des Autors im Nachwort sehr  plausibel und nachvollziehbar, dass z.B. die Figur Harald Hardrada, das Zweckbündnis von Harald und Tostig sowie die Schlacht von Stamford Bridge nicht weiter vertieft wurde. Ansonsten hätte man das Buch nochmals deutlich im Umfang erweitern müssen (auch gibt es aus der Feder des Autors bereits eine Reihe um Harald Hardrada).

 

Dem Autor gelingt es die Ereignisse um 1066 auf spannende und lebendige Art und Weise in den Blick zu nehmen und dabei viele interessante Stationen bildhaft und anschaulich zu beleuchten: König Eduard wird in den Blick genommen, ebenso die Familie der Godwins. Wilhelm, der Normanne (später: der Eroberer) und Harold Godwinson werden greifbar gezeichnet. Harolds Normandiereise mitsamt Schiffbruch, der Bruderzwist mit Tostig und Wilhelms Aufbruch nach England sowie die Schlacht von Hastings kommen vor (vgl. dazu auch Peltzig 2016). Ich empfand die Lektüre als große Bereicherung. Schiewe erzählt die Geschichte bildhaft, einleuchtend und lebendig. Insbesondere die Schilderung der Atmosphäre ist gelungen. Kleidung, Wohnverhältnisse, Kriegstaktikten etc. werden gut beschrieben. Einfach toll!

 

Natürlich sind die Dialoge und die Figurenzeichnung weitestgehend fiktiv. Darauf weist der Autor auch in seinem Nachwort hin. Ob Wilhelm wirklich so vorwitzig war und die Frauenfiguren wirklich so stark und widerspenstig, wer weiß das schon. Das bleibt Interpretation. Allerdings empfand ich die dargestellten Charakterzüge bei den Figuren nie als aufgesetzt oder unpassend. Ich konnte mich bei allen Figuren darauf einlassen, wie sie gezeigt wurden. Und letztlich hat diese Art der literarischen Herangehensweise an Geschichte ja einen Riesenvorteil: Sie lässt Vergangenes lebendig und greifbar werden und Zusammenhänge werden gut deutlich.

 

Auch die von Schiewe eingesetzten Zeitsprünge zur Handlungsraffung haben mich nicht gestört. Die Handlung geht flüssig weiter, man verliert als Leser nie den Überblick über das Geschehen. Trotzdem will ich abschließend noch eine Anregung loswerden: Beim Lesen historischer Romane stelle ich mir ganz oft die Frage, welche Ereignisse historisch verbürgt sind oder eben nicht (z.B. die Rettung von Wilhelms Sohn Robert aus dem Schlick). Ich habe dann immer den Wunsch, dass im Nachwort eines historischen Romans klar dargelegt wird, wann der Autor künstlerische Freiheit „ausgelebt“ hat oder wann er sich auf reale Vorkommnisse bezieht. Hier werde ich regelmäßig enttäuscht. Das kann anderen Lesern natürlich ganz anders gehen, die nicht alles auf den Prüfstand stellen wollen. Aber ich hätte mir tatsächlich ein noch umfangreicheres Nachwort gewünscht.

 

Fazit

Bei historischen Romanen finde ich es wichtig, dass sich das, was historisch verbürgt ist, auch im Buch wiederfindet. Man sollte sich als Autor an dem orientieren, was tatsächlich passiert ist und Geschichte nicht aus dramatischen Gründen künstlich verfälschen oder Dinge hinzuerfinden (das ist übrigens eine These, die ich gerne auch auf meinem Blog mit euch diskutiere). Bei den Romanen von Ulf Schiewe habe ich das Gefühl, dass er darauf ebenfalls sehr viel Wert legt. Durch die begleitende Lektüre von Peltzer „1066. Der Kampf um Englands Krone“ konnte ich nachvollziehen, wie fundiert recherchiert das Werk „Der eiserne Herzog“ ist. Das finde ich toll! Und das schafft Vertrauen (ich möchte mir ungern etwas Falsches merken). So macht Geschichte Spaß! Ich würde mir nur ein noch ausführlicheres Nachwort wünschen, aus dem deutlich hervorgeht, welche Ereignisse womöglich verändert oder „hinzugedichtet“ worden sind.

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