Kampf um Englands Krone
Auf Ulf Schiewe bin ich erstmals durch seinen historischen Roman „Die
Mission des Kreuzritters“ gestoßen, der mir sehr gefallen hat (vgl. eine
frühere Rezension). Der Autor hat in meinen Augen das Talent, auf angenehme Art
und Weise und mit einem sehr eingängigen Schreibstil, der nie trocken ist,
beiläufig historisches Wissen zu vermitteln. Dabei erschafft er Figuren, die
lebensecht wirken und auch „Zugkraft“ entfalten. Man fiebert mit ihnen mit und
will im Anschluss an die Lektüre mehr über diese historischen Persönlichkeiten
herausfinden (so ging es mir mit Melisende von Jerusalem).
Aus diesem Grund entschied ich mich für die Lektüre seines neuesten
historischen Romans „Der eiserne Herzog“. Und wieder hat Schiewe es geschafft,
mich für den Stoff zu begeistern und mich neugierig werden zu lassen.
Begleitend zum Roman las ich noch das Sachbuch „1066. Der Kampf um Englands
Krone“ von Jörg Peltzer. Was ich sehr schätze: Die Romane von Schiewe sind
sauber recherchiert und der Autor orientiert sich an den bekannten historischen
Fakten. Durch die Lektüre von Peltzer ist mir das sehr deutlich geworden. Und das
rechne ich Schiewe hoch an.
Und was Schiewe auch gut gelingt, er entwickelt einen klaren roten
Faden, er verliert sich nicht in zu vielen Details, sondern er rückt zentrale
Figuren und Ereignisse in den Mittelpunkt, die man nicht aus dem Blick
verliert. Und er konzentriert sich bei der Handlung auf die wirklich
wesentlichen Dinge, ohne sich zu sehr in Nebenschauplätzen zu verlieren. So
fand ich die Begründung des Autors im Nachwort sehr plausibel und nachvollziehbar, dass z.B. die
Figur Harald Hardrada, das Zweckbündnis von Harald und Tostig sowie die
Schlacht von Stamford Bridge nicht weiter vertieft wurde. Ansonsten hätte man
das Buch nochmals deutlich im Umfang erweitern müssen (auch gibt es aus der
Feder des Autors bereits eine Reihe um Harald Hardrada).
Dem Autor gelingt es die Ereignisse um 1066 auf spannende und
lebendige Art und Weise in den Blick zu nehmen und dabei viele interessante Stationen
bildhaft und anschaulich zu beleuchten: König Eduard wird in den Blick
genommen, ebenso die Familie der Godwins. Wilhelm, der Normanne (später: der
Eroberer) und Harold Godwinson werden greifbar gezeichnet. Harolds
Normandiereise mitsamt Schiffbruch, der Bruderzwist mit Tostig und Wilhelms
Aufbruch nach England sowie die Schlacht von Hastings kommen vor (vgl. dazu
auch Peltzig 2016). Ich empfand die Lektüre als große Bereicherung. Schiewe
erzählt die Geschichte bildhaft, einleuchtend und lebendig. Insbesondere die Schilderung
der Atmosphäre ist gelungen. Kleidung, Wohnverhältnisse, Kriegstaktikten etc.
werden gut beschrieben. Einfach toll!
Natürlich sind die Dialoge und die Figurenzeichnung weitestgehend
fiktiv. Darauf weist der Autor auch in seinem Nachwort hin. Ob Wilhelm wirklich
so vorwitzig war und die Frauenfiguren wirklich so stark und widerspenstig, wer
weiß das schon. Das bleibt Interpretation. Allerdings empfand ich die dargestellten
Charakterzüge bei den Figuren nie als aufgesetzt oder unpassend. Ich konnte
mich bei allen Figuren darauf einlassen, wie sie gezeigt wurden. Und letztlich
hat diese Art der literarischen Herangehensweise an Geschichte ja einen
Riesenvorteil: Sie lässt Vergangenes lebendig und greifbar werden und
Zusammenhänge werden gut deutlich.
Auch die von Schiewe eingesetzten Zeitsprünge zur Handlungsraffung
haben mich nicht gestört. Die Handlung geht flüssig weiter, man verliert als
Leser nie den Überblick über das Geschehen. Trotzdem will ich abschließend noch
eine Anregung loswerden: Beim Lesen historischer Romane stelle ich mir ganz oft
die Frage, welche Ereignisse historisch verbürgt sind oder eben nicht (z.B. die
Rettung von Wilhelms Sohn Robert aus dem Schlick). Ich habe dann immer den
Wunsch, dass im Nachwort eines historischen Romans klar dargelegt wird, wann
der Autor künstlerische Freiheit „ausgelebt“ hat oder wann er sich auf reale
Vorkommnisse bezieht. Hier werde ich regelmäßig enttäuscht. Das kann anderen
Lesern natürlich ganz anders gehen, die nicht alles auf den Prüfstand stellen
wollen. Aber ich hätte mir tatsächlich ein noch umfangreicheres Nachwort
gewünscht.
Fazit:
Bei historischen Romanen finde ich es wichtig, dass sich das,
was historisch verbürgt ist, auch im Buch wiederfindet. Man sollte sich als
Autor an dem orientieren, was tatsächlich passiert ist und Geschichte nicht aus
dramatischen Gründen künstlich verfälschen oder Dinge hinzuerfinden (das ist
übrigens eine These, die ich gerne auch auf meinem Blog mit euch diskutiere). Bei
den Romanen von Ulf Schiewe habe ich das Gefühl, dass er darauf ebenfalls sehr
viel Wert legt. Durch die begleitende Lektüre von Peltzer „1066. Der Kampf um
Englands Krone“ konnte ich nachvollziehen, wie fundiert recherchiert das Werk „Der
eiserne Herzog“ ist. Das finde ich toll! Und das schafft Vertrauen (ich möchte
mir ungern etwas Falsches merken). So macht Geschichte Spaß! Ich würde mir nur
ein noch ausführlicheres Nachwort wünschen, aus dem deutlich hervorgeht, welche
Ereignisse womöglich verändert oder „hinzugedichtet“ worden sind.
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