Fruchtquetschie-Alarm
Im zweiten Teil der Achtsam-Morden-Reihe knüpft Karsten Dusse nahtlos
an den ersten Band an, und zwar wortwörtlich. Die erste Seite startet da, wo
die letzte Seite von Band 1 endete. Man erfährt direkt, was aus Boris wurde.
Das fand ich schon einmal eine großartige Idee! Und auch sonst greift Dusse bei
„Das Kind in mir will achtsam morden“ auf die Zutaten zurück, die auch schon
beim ersten Teil wunderbar funktioniert haben (vgl. eine frühere Rezension). Es
gibt jede Menge Situationen, in die man sich hervorragend hineinversetzen kann
(z.B. in einem Restaurant nicht bedient zu werden und ewig zu warten). Wieder
sprüht das Buch vor bösem (schwarzem) Humor. Und dieses Mal findet nicht nur
das Thema „Achtsamkeit“ Berücksichtigung, sondern auch die Theorie des „inneren
Kinds“, und das durchaus kenntnisreich und mit wertvollen Botschaften.
Wir begegnen allen Figuren aus Band 1 wieder und begleiten Björn
dabei, wie er weiter seine Rolle als Mafia-Boss spielt. Dabei gerät er
natürlich wieder in absurde und auch gefährliche Situationen, die er aber
aufgrund seiner psychologischen Kenntnisse stets mit Gelassenheit angeht und
bewältigt. Herrlich kurios (wie schon im ersten Teil)! Auch findet man wieder
herrlich humorvolle Kontraste. Dieses Mal ist mir zu Beginn z.B. der Kontrast
zwischen Gesagtem und Gedachtem aufgefallen, der jede Menge Witz erzeugt. Und
natürlich lebt das Buch auch wieder von dem Kontrast, dass Björn sich einerseits
als treusorgender Vater ins Zeug legt und andererseits als kaltblütiger
Mafia-Boss agiert. Was auch aberwitzig daherkommt, ist der Umstand, wie Björn
sich immer wieder vor sich selbst rechtfertigt, bei dem, was er so treibt. Selbstvorwürfe
werden kleingeredet, sein Fehlverhalten wird von ihm selbst relativiert, immer
unter Bezugnahme auf seine Kenntnisse zur frühkindlichen Sozialisation.
Herrlich! Ein schlechtes Gewissen kennt er nicht.
Auch die Therapiegespräche sind sehr amüsant gestaltet worden. Es ist
immer wieder zum Schießen, welche Lehren Björn aus dem Gelernten zieht. Ihm
geht es vor allem darum, mit seiner Schuld zurechtzukommen und eine hilfreiche Strategie
zu entwickeln, mit seinem gefährlichen Doppelleben umzugehen. Wunderbar
grotesk! Die Therapieziele von ihm und von seinem Therapeuten könnten nicht
weiter auseinanderliegen, das bemerkt allerdings nur der Leser. Und ob man es
glaubt oder nicht, man nimmt aus diesem Buch tatsächlich sogar einiges
Wissenswertes zum Thema Achtsamkeit mit (z.B. die Technik der
Gedankenwanderung).
Die entscheidende Frage jedoch ist, ob der zweite Teil mit dem ersten
mithalten kann. In meinen Augen ist das nur bedingt der Fall. Das liegt
vermutlich daran, dass das Konzept aus Band 1 bereits bekannt ist und sich ein
wenig abgenutzt hat. Und des Weiteren kam mir das Familienleben von Björn zu kurz,
das im ersten Teil noch eine so tragende Rolle gespielt hat. Auch war der
schwarze Humor nicht mehr ganz so genial und perfekt. Es gab schon einige (wenige!)
Stellen, die nach meinem Gefühl dem Klamauk gefährlich nahe kamen. Das war im
ersten Band noch überhaupt nicht so. Aber das ist natürlich Geschmackssache,
anderen mögen das überhaupt nicht so empfunden haben.
Fazit:
Der zweite Teil der „Achtsam-Morden-Reihe“ ist immer noch sehr
gut, aber der erste Band war ein Stück besser. Dennoch bleibt es bei knappen
fünf Sternen. Die Grundidee bleibt einfach genial und Dusses Schreibstil ist
einfach großartig. Daran hat sich nichts geändert. Es ist natürlich schwer, das
Niveau des perfekt umgesetzten ersten Bands zu halten. Ich bin unsicher, wann
ich den dritten Teil lese. Ich glaube es ist besser, eine Pause zwischen der
Lektüre der einzelnen Bände einzulegen, weil sich das zugrundeliegende Konzept
zu schnell abnutzt. Das Buch ist auf jeden Fall etwas für Krimi-Freunde, die
aber auch mit einer großen Portion schwarzem Humor umgehen können.
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